DLR Magazin 139 - page 50-51

seines Instituts die Promotionsurkunde – und das mit Auszeich-
nung – entgegengenommen hatte, wurde sich mit Professor
Schumann rasch einig. Er sagte Daimler ab und dem DLR zu.
Wirbelschleppen – eine Herausforderung in der Luftfahrt
„Wenn man jemandem auf einer Party erzählt, dass man
sich mit Turbulenzen in Brennkammern beschäftigt oder die
Dissertation den Titel ‚Zur Turbulenzstruktur freier und einge-
schlossener Drehströmungen‘ trägt, dann können Sie darauf
wetten, dass das Gespräch nach zwei Minuten beendet ist“,
sagt der 51-jährige Wissenschaftler und zieht die Augenbrauen
hoch. Da ist das Thema Wirbelschleppen schon viel plastischer.
Auch das hat ihn dazu bewegt, aus der Brennkammer quasi
an die frische Luft zu gehen: „Es ist ein greifbares Thema, das
jeden betrifft, da es um die Sicherheit, um Menschenleben im
Luftverkehr geht.“
Wirbelschleppen stellen ohne Zweifel ein Sicherheitspro-
blem im Luftverkehr dar: Bei Starts und Landungen von Flug-
zeugen muss ein ganz bestimmter Abstand eingehalten werden.
Denn hinter den Tragflächen wird die Luft sehr stark verwirbelt.
Das kann dazu führen, dass die folgende Maschine kräftige
Rollmomente erfährt und um ihre Längsachse gedreht wird.
Die Flugzeuge müssen deshalb bei Start und Landung auf dem
Flughafen warten, bis sich die Luft wieder beruhigt hat. Dass
sich in seiner Tätigkeit der Bogen von der Grundlagenforschung
bis zur Anwendung im und rund um das Flugzeug spannt, macht
für den DLR-Wissenschaftler nach wie vor den besonderen Reiz
dieses Forschungsbereichs aus.
Seine ersten DLR-Jahre – bis 2005 – nutzte Holzäpfel auch,
um an der TU München zu habilitieren. Seine Expertise schafft
in der Zusammenarbeit mit weiteren DLR-Instituten Synergien
im Bereich der Wirbelschleppenforschung. „Ohne eine gute in-
terne Vernetzung kommt man in der Forschung nicht voran“,
betont der Wissenschaftler. „Denn wir müssen das Gesamtsystem
immer vor Augen haben – vom Fachwissen zur Fluiddynamik,
Flugdynamik und Flugführung bis zu den Nutzern wie Flughäfen,
Flugsicherung und Piloten.“ Weiterhin müssen natürlich auch
Luftfahrtbehörden und Hersteller eingebunden werden. Auch
externen Partnern stand Holzäpfel als wissenschaftlicher Berater
bei den wohl spektakulärsten Wirbelschleppenflügen zur Seite:
Im Jahr 2006 fanden die ersten Wirbelschleppentests des neuen
Airbus A380 am Forschungsflughafen Oberpfaffenhofen statt.
Nach umfangreichen Untersuchungen der Wirbelschleppen
und Beratung durch Frank Holzäpfel, teilte Airbus mit, dass
nunmehr Empfehlungen für geeignete Sicherheitsabstände
zu anderen Flugzeugen gegeben werden können.
Mit sechs weißen, 2,2 mal 4,0 Meter großen Platten
aus lackiertem Sperrholz ausgerüstet, gingen Holzäpfel und
sein Team im April 2013 auf die Start- und Landebahn des
Forschungsflughafens Oberpfaffenhofen, der das aktuellste
Wirbelschleppenexperiment unterstützte. Mit dieser neuen
Technik will das DLR-Team gefährliche Luftwirbel landender
Flugzeuge eindämmen. Wirbelschleppen bilden sich aufgrund
der Druckdifferenz zwischen Tragflächenober- und -unterseite
der Flugzeuge. Besonders gefährlich sind sie für leichtere Flug-
zeuge, die hinter schwereren Maschinen landen. Die bereits
patentierte Erfindung zur Reduktion dieser Wirbelschleppen
wurde nun erstmals von den DLR-Wissenschaftlern unter realen
Flugbedingungen getestet. Ein Drehteam des britischen Fernseh-
senders BBC blieb dem Wissenschaftler an diesem Tag immer
auf den Fersen: „Ich hatte nicht erwartet, dass ich wirklich aus
allen möglichen und unmöglichen Perspektiven gefilmt würde“,
erinnert sich Holzäpfel, der im Rahmen des Forschungsprojekts
das erste Mal so dicht auf Tuchfühlung mit den Medien kam.
Die DLR-Testpiloten steuerten das Forschungsflugzeug
HALO durch künstlich erzeugten Rauch, der die sonst unsicht-
baren spiralförmigen Wirbel hinter den Tragflächen sichtbar
machte. In 22 Meter Höhe überflog HALO mit etwa 250 Stun-
denkilometern die weiße Plattenkonstruktion. „Es geht darum,
dass wir Hindernisse am Boden haben, die die Wirbelschleppen
stören“, erklärt Holzäpfel. Die von den parallel zur Anflug­
richtung stehenden Platten erzeugten Luftströme bilden selbst
kleine Wirbel und beschleunigen so den Zerfall der Wirbel-
schleppen der Flugzeuge.
Pflegekinder – eine große Bereicherung des Privatlebens
Man könnte vermuten, dass ein Mann mit einem solchen
Faible für Forschung nur seine Arbeit im Sinn hat. Doch mit-
nichten. Mit vier Kindern und seiner Frau Marcela Sebesta-
Holzäpfel lebt er im grünen Utting am Ammersee. „Auch einer
der Gründe, warum ich mich damals für das DLR entschieden
habe“, räumt der Wissenschaftler lächelnd ein. Der gebürtige
Heilbronner wollte auf jeden Fall so nah wie möglich am Wasser
wohnen. Mit einem Haus 200 Meter vom Ammersee Strandbad
entfernt ist ihm das gelungen. Während sein Arbeitsalltag von
naturwissenschaftlichen Themen geprägt ist, hat er sich mit seiner
Frau einer sozialpädagogischen Aufgabe gestellt.
Seine Frau war dabei der treibende Faktor. Die gebürtige
Tschechin und Opernsängerin hatte immer den starken Wunsch,
sich aktiv im sozialen Bereich zu betätigen. Die beiden bauten
zusammen mit anderen engagierten Menschen die sogenannte
Bereitschaftspflege für Kinder in Karlsruhe auf. Für die Familie
Holzäpfel bedeutet das, dass sie Pflegekinder für eine Über-
gangszeit von wenigen Wochen bis zu mehreren Jahren bei
sich aufnehmen. „Für uns war diese Art der Pionierarbeit ext-
rem spannend. Wir haben die Bereitschaftspflege von Grund
auf mitgestaltet. Dabei sind mit vielen der aktiven Familien
richtig enge Freundschaften entstanden“, berichtet der Wis-
senschaftler.
Zu ihren zwei leiblichen Kindern haben sie zwei der ins-
gesamt 17 Pflegekinder dauerhaft in ihre Familie integriert.
„Für uns war die Zeit, in der wir Kinder zur Pflege bei uns hat-
ten, eine enorme Erfahrung – wir wollten einfach ein Stück
unseres privaten Glücks mit anderen teilen“, so erklärt Frank
Holzäpfel das Engagement seiner Familie. Fortbildungen im
Bereich Soziales Arbeiten und Social Skills haben ihn und seine
Frau in den vergangenen 20 Jahren dabei gestützt. Was er in
dieser Zeit gelernt hat, findet er sowohl für sein Privatleben als
auch für seine Arbeit wertvoll. „Vor allem die Fähigkeit zu em-
pathischem Denken und Handeln habe ich aus der sozialen Ar-
beit in mein Forscherleben mitgenommen. Berufliche wie auch
private Beziehungen bekommen eine neue Qualität, wenn
man sich in den anderen hineinversetzen und auf ihn zugehen
kann.“
Weitere Informationen:
DLR.de/PA
Prüfender Blick auf die
ersten Messergebnisse
der Wirbelschleppentests
Wirbelschleppensimulation für einen Airbus
A340 im Endanflug kurz vor der Landebahn.
Unter dem Flugzeug ist in Rot eine der Plat-
tenreihen dargestellt, mit denen die Wirbel-
schleppen beeinflusst werden. Die im DLR
entwickelte Methode, mit der die Umströ-
mung des Flugzeugs samt dem Aufrollvor-
gang der Wirbelschleppe und der weiteren
Entwicklung der Wirbel bis zu ihrem Zerfall
simuliert wird, ist weltweit einzigartig.
Etwa vier Meter breit sind die Platten, deren Sekundärwirbel die Wirbelschleppen
schneller zerfallen lassen
Dr. Frank Holzäpfel vor dem Forschungsflugzeug HALO. Theo-
retisch und praktisch zu arbeiten, reizt den Strömungsexperten.
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