Vom 13.-15. März 2018 fand in Grenoble, Frankreich, das vierte Symposium des Virtuellen Alpenobservatoriums, VAO, statt, an dem etwa einhundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Alpenstaaten Österreich, Schweiz, Italien, Deutschland und Frankreich teilnahmen. Auch Vertreter aus den zum VAO assoziierten Einrichtungen aus Norwegen und Georgien waren zugegen.
Die Teilnehmer des Symposiums ©Nomi Baumgartl
Getreu dem Motto von VAO - “Joining Forces instead of duplicating efforts“ - informierten sich die Teilnehmer in 45 Vorträgen sowie mit 20 Posterpräsentationen über ihre jeweiligen Arbeiten aus Forschung und Entwicklung. Viele zum VAO beitragenden Forschungsinfrastrukturen stellten sich ebenfalls in Form von weiteren Posterpräsentationen vor.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DFD präsentierten auf dem Symposium Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Dynamik der Mesosphäre. Die Arbeiten zu Schwerewellen, Infraschall und Turbulenzen beruhen auf Messungen des atmosphärischen Airglow (ca. 90 km Höhe) an verschiedenen Standorten des VAO mit bodengebundenen Infrarotspektrometern und -imagern. Vorgestellt wurden auch Arbeiten, die auf einen möglichen Einfluss des solaren Magnetfeldes auf die Aktivität der großräumigen planetaren Wellen der Atmosphäre hinweisen und möglicherweise eine Verbindung zum Auftreten von Extremwetterereignissen haben. Ferner gab es Beiträge zur Modellierung der Luftqualität in Bayern und Slowenien sowie zur Abschätzung des umweltbedingten Gesundheitsrisikos. Ebenso vorgestellt wurden Arbeiten zur Abschätzung des Schneebedeckungsgrades im Alpenraum und zum weiteren arbeitsteiligen Ausbau des Alpine Environmental Data Analysis Center, AlpEnDAC, mit den Kolleginnen und Kollegen des Leibniz-Rechenzentrums, LRZ, der bifa GmbH und der UFS GmbH.
Der Startschuss für das »Virtuelle Alpenobservatorium« (VAO) als Netzwerk von europäischen Höhenforschungsstationen in den Alpen und alpenähnlichen Gebirgen fiel am 19. April 2012. VAO umfasst Partner aus mittlerweile neun Ländern (den Alpenanrainern Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Schweiz und Slowenien. Assoziiert sind Norwegen, Georgien und Tschechien). Wissenschaftliche Fragestellungen im System Atmosphäre, Biosphäre, Hydro- und Kryosphäre und auch mögliche gesundheitliche Auswirkungen von Umwelteinflüssen können durch diesen Zusammenschluss in einer inhaltlichen Tiefe beantwortet werden, die ohne diese länder- und fachübergreifende Kooperation nicht möglich wäre. Die VAO-Gemeinschaft konzentriert sich auf die Bearbeitung von vornehmlich zehn drängenden komplexen wissenschaftlichen Fragestellungen (sogenannte „Challenges“) aus den Bereichen
Die Challenges sind in dem am 14. Juni 2017 in Brüssel vorgestellten VAO-Strategiepapier niedergelegt; das Papier kann über die VAO-Webseite abgerufen werden.
Eine Besonderheit an den formulierten Forschungszielen ist der Umstand, dass die Bearbeitung der „Challenges“ häufig nicht nur die grenzüberschreitende sondern insbesondere die arbeitsteilige Zusammenarbeit verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, also Interdisziplinarität, erfordert (z.B. die Untersuchung des Einflusses der Umwelt auf das persönliche Wohlbefinden des Menschen). Die Forschergemeinde stellt für ihre Arbeiten jeweils die eigenen Messungen (und ggf. auch Instrumente) zur Verfügung. Selbstverständlich werden auch Daten genutzt, die an anderer Stelle bereits verfügbar sind (z.B. satellitenbasierte und flugzeuggetragene Messungen) oder von thematisch spezialisierten Beobachtungsinfrastrukturen (z.B. GAW-DACH, NDMC, NDACC, ACTRIS, LTER, TERENO etc.) erhoben werden. Eigene Messkampagnen werden von der VAO-Gemeinschaft durchgeführt, wenn erforderliche Daten noch nicht – oder noch nicht in der nötigen Qualität - vorliegen.
Die „thematische Vielschichtigkeit“ unterschiedlicher geo- oder biophysikalischer Parameter und ggf. heterogene Datenstrukturen im informationstechnischen Sinne erfordert häufig den Einsatz von aktuellen Verfahren aus dem Bereich der sogenannten „Big Data Analyse“. VAO entwickelt und betreibt hier zur Unterstützung der Forschergemeinde das sogenannte Alpine Environmental Data Analysis Center, AlpEnDAC. Auch hier verfolgt das VAO einen arbeitsteiligen Ansatz: verschiedene Partner aus VAO ermöglichen den Einsatz von Elementen des High Performance Computing ebenso wie von Elementen der High Performance Data Analytics. Daten können mit numerischen Modellen z.B. der Atmosphäre verschnitten werden; maximaler Erkenntnisgewinn wird so mit minimalem Aufwand und insbesondere nach möglichst kurzen Entwicklungszyklen erreicht. Damit wird u.a. ein Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Forschergemeinde erreicht. Das ist ein wichtiger Aspekt, denn Wissen steht zunehmend nach immer kürzerer Zeit global zur Verfügung. Eine von vielen Innovationen: zukünftig werden auch Verfahren zum „operating-on-demand“ entwickelt. Wird von einem Instrument an einem Beobachtungsort eine besondere geophysikalische Situation erkannt, setzt eine automatische Steuerung auch andere Messsysteme in Gang, um das Phänomen optimal beobachten zu können; eine informationstechnische Herausforderung.
VAO ist mittlerweile auch auf politischer Ebene etabliert. So ist VAO ein Element der Alpenkonvention. Es liefert zudem Beiträge zu ARGE und zu EUSALP.
Herr Dr. Christian Barth, Amtschef des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz und Vorsitzender des Konsortialrates der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus, UFS, betonte in seiner Ansprache das hohe Interesse Bayerns an VAO und sicherte insbesondere den weiteren Ausbau des Alpine Data Analysis Center, AlpEnDAC, als einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung von VAO zu. Auch mit der Finanzierung eines bayerischen VAO-Programms hat Bayern bereits Arbeiten im Bereich von Forschung und Entwicklung unterstützt.
Einen Höhepunkt der besonderen Art stellte schließlich der Auftritt des VAO-Botschafters „Dayshan“ dar. Dayshan ist ein Steinadler, der von einem französischen Falkner den Konferenzteilnehmern präsentiert wurde. Die Fotografin Nomi Baumgartl sowie Projektkoordinator „Eagle Wings“ Helmut Achatz präsentierten eindrucksvolle Aufnahmen, die mit einer Kamera vom Rücken eines Steinadlers beim Flug über Berggipfel aufgenommen wurden. Mit ihrem Projekt „Eagle Wings“ wollen die Künstler auf die einzigartige Schönheit, aber auch auf die Verwundbarkeit der Alpen aufmerksam machen.
Von links nach rechts: Prof. Dr. Michael Bittner, Koordinator von VAO, DLR-DFD; Dr. Jirí Buriánek, European Committee of the Regions, Belgium, Falknerin mit Steinadler, Prof. Michael Rast, Senior Advisor Earth Observation (D/EOP), der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, ESRIN in Frascati, Italien, Nomi Baumgartl, Fotografin und Leiterin des Projekts „Eagle Wings“