Der Klimawandel stellt Städte vor enorme Herausforderungen. Zusätzliche Grünflächen auf Hausdächern können Abhilfe schaffen. Eine am EOC entwickelte Technik hilft, begrünte und potenziell begrünbare Dachflächen zu erfassen. Die Gründachkartierung wurde nun durch das Umweltbundesamt als Beitrag zu Klimaschutz und Klimafolgenanpassung für den „Blauen Kompass“ nominiert.
Von 111 eingegangenen Bewerbungen hat es das Projekt damit unter die letzten 15 geschafft. Bis Ende Mai 2018 wird nun eine Jury drei Preisträger auswählen. In der Jury sind das Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium, DIE ZEIT, die Hochschule Harz, der Verband kommunaler Unternehmen, das Unabhängige Institut für Umweltfragen und die Deutsche Umweltstiftung vertreten. Darüber hinaus kann eines der nominierten Projekte bis zum 9. Mai für den Publikumspreis gewählt werden. Interessierte können sich über die „Tatenbank“ des Umweltbundesamtes an der Wahl beteiligen.
Große Städte sind durch die Konzentration von Bevölkerung, Infrastruktur und Werten besonders anfällig gegenüber extremen Wetterereignissen (Hitzeperioden, Unwetter, Hochwasser), die künftig zunehmen könnten. Zum anderen nehmen urbane Ballungszentren und das stetige Wachstum der Siedlungsflächen direkt Einfluss auf das Klima. Um negative Effekte abzumildern und Pufferkapazitäten für den prognostizierten Klimawandel zu schaffen, müssen die kommunalen Entscheidungsträger daher in einer Doppelstrategie Maßnahmen des Klimaschutzes und der Klimafolgenanpassung miteinander kombinieren. Dem Erhalt und der Vergrößerung von Grünflächen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Allerdings ist gerade im dichten Baubestand kaum mehr Raum vorhanden, um neue Grünanlagen anzulegen. Wo also weitere Grünflächen schaffen?
Identifikation geeigneter Dachflächen
Eine Möglichkeit bieten Dächer. Doch wie viele begrünte Dächer gibt es bereits in deutschen Städten und Kommunen? Wie sind diese verteilt und wo können weitere Dachflächen begrünt werden? Solche Fragen sind von zentraler Bedeutung, aber entsprechende Daten oder Zahlen liegen den meisten Städten und Gemeinden nicht vor.
Um diese Wissenslücken zu schließen, hat der Deutsche Dachgärtner Verband (DDV) gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen ein Werkzeug entwickelt, das eine Erfassung von Vegetationsflächen auf Dächern und die Bewertung des aktivierbaren Flächenpotenzials im Baubestand ermöglicht. Dazu werden hochauflösende Falschfarbeninfrarot-Aufnahmen - d.h. Luft- und Satellitenbilder, in denen die Begrünung hellrot hervortritt - mit Vermessungsdaten zum Gebäudebestand (Hausumrisse, 3D-Stadtmodelle) kombiniert. Auf dieser Grundlage lassen sich dann unter Nutzung von Verfahren der digitalen Bildanalyse schnell und effizient ganze Städte analysieren.
Was im Jahr 2013 als Forschungsprojekt unter Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) begann, konnte mittlerweile erfolgreich in den Städten Karlsruhe, Stuttgart, Nürtingen, München, Nürnberg und Frankfurt angewendet werden. Zudem hat der Kooperationspartner EFTAS Fernerkundung Technologietransfer GmbH aus Münster das Verfahren vertraglich lizenziert und bietet die Gründachkartierung und Potenzialbewertung gemeinsam mit dem Dachgärtnerverband als Dienstleistung an.
Die Ergebnisse der Gründach-Inventarisierung zeigen, dass in den analysierten Städten bereits eine größere Anzahl begrünter Dachflächen vorhanden ist. Gleichzeitig existieren große Potenziale für eine nachträgliche Begrünung. Die Sichtbarmachung der bereits vorhandenen Dachbegrünungen und der noch erschließbaren Potenzialflächen erleichtert es den kommunalen Entscheidungsträgern, die ihnen zur Verfügung stehenden Werkzeuge zur Förderung begrünter Dächer effizient einzusetzen. Darüber tragen die ermittelten Werte zur Verbesserung von Stadtklimamodellen, Entwässerungsplanungen und Biodiversitätskonzepten bei.
Bereits im Jahr 2015 wurde das Gründach-Projekt im Rahmen des 4. Internationalen Gründach-Kongresses in Istanbul mit dem „Green Roof Leadership Award“ in der Kategorie „Gründach-Pioniere“ ausgezeichnet. Zudem konnte sich das Vorhaben im Jahr 2016 auf der „Woche der Umwelt“ im Schlosspark Bellevue in Berlin vor der beeindruckenden Kulisse des Amtssitzes des Bundespräsidenten vorstellen.
Für die Zukunft erhoffen sich die beteiligten Wissenschaftler des DLR, dass ihr Ansatz dabei hilft, mit Dachbegrünungen die Bindung von Treibhausgasen und Luftschadstoffen zu verbessern und den urbanen Hitzeinsel-Effekt sowie die Belastung der Kanalisation durch Speicherung und Verdunstung von Niederschlagswasser zu verringern. Letztlich können Dachbegrünungen bei entsprechender Ausgestaltung auch als Aufenthaltsräume für Personen dienen und die Wohnqualität erhöhen. Sie verbessern zudem die Energiebilanz von Gebäuden und unterstützen Aspekte des Artenschutzes und der Biodiversität. Ein gezielter Ausbau der grünen Infrastruktur auf den städtischen Dachflächen wird deshalb von vielen Kommunen als wichtiger Baustein einer zukunftsorientierten Städteplanung angesehen. Im Weißbuch Stadtgrün der Bundesregierung wird der Bauwerksbegrünung sogar ein eigenes Kapitel gewidmet.