Die Erdbeobachtung mit SAR-Instrumenten ermöglicht neue Anwendungsfelder, die über die reine Interpretation der abgebildeten Grauwerte der Radar-Rückstreuung hinausgehen. SAR-Daten beinhalten komplex kodiert die Information über die exakte Lage, die Bewegung, Struktur und elektromagnetische Eigenschaften eines jeden reflektierenden Objektes im Bild. Da SAR-Instrumente wie die deutschen Radar-Satelliten TerraSAR-X und TanDEM-X aktive, kohärent aufzeichnende Systeme sind, können durch die eigene „Beleuchtung“ - unabhängig von Sonnenstand oder anderen äußeren Einflüssen - Aufnahmen unter exakt den gleichen Bedingungen wiederholt werden. So kann auch aus den kleinsten Änderungen in den komplexen SAR-Daten zweier Aufnahmen direkt auf physikalische Änderungen in der Signalausbreitung, Entfernung und Reflektionsmechanismen geschlossen werden.
Die verbreitetste Anwendung der SAR-Daten ist Nutzung der Interferometrie, bei der - in Form von Bruchteilen der Radar-Wellenlängen (als Phasendifferenz) gemessene - Entfernungsunterschiede analysiert werden. Entweder als differentielle Interferometrie, bei der z.B. lokale Hebungen und Senkungen am Boden zwischen mehreren Überflügen sichtbar werden oder der Produktion von Höhenmodellen, bei der die Entfernungsunterschiede die sich durch leicht unterschiedliche Blickwinkel ergeben (verwandt mit 3D-Rekonstruktion aus Stereo-Bildern). Phasen sind leider nur eindeutig messbar, wenn die Unterschiede kleiner als eine Wellenlänge sind, da der Wert auch mehrere Wellenlängenzyklen beinhalten kann (Phasen-Mehrdeutigkeit). Da sich aber z.B. Vegetationsflächen zwischen den Überflügen von Satelliten leicht um mehrere cm (also im Bereich der Wellenlängen) verändern und somit „inkohärent“ – also verrauscht - werden, stützt sich die erste Technik nicht auf den ganzen Bildinhalt sondern oft nur auf „stabile Punkte“ - wie Gebäudekanten oder Laternenpfahle – deren Bewegung millimetergenau über Monate oder Jahre verfolgt werden kann. Die Satellitenmission TanDEM-X hingegen nutzt simultane Aufnahmen der zwei Radar-Satelliten mit einigen hundert Metern Abstand um aus sub-millimeter kleinen Laufzeit- und Phasenunterschieden in den beiden empfangenen Reflektions-Signalen großflächig ein hochgenaues „3D“ Modell des gesamten Globus zu erstellen. Dieses Digitale Höhenmodell (Digital Elevation Model, DEM) entsteht in einem mehrjährigen Aufnahme- und Verarbeitungsprozess.
Das Team hat im Rahmen der Entwicklung des Integrated TanDEM-X Processors (ITP) zusammen mit dem Team „SAR Prozessierung“ die interferometrische Verarbeitungskette für die Daten der TanDEM-X-Mission beigetragen. Insbesondere wurden neue Methoden zur Kombination von Lagemessungen aus „Stereo“-Bildern und den mehrdeutigen Phasendifferenzen erfunden, die eine absolute Höhengenauigkeit von wenigen Metern weltweit ermöglichen. Auch sind innovative Verfahren zur Korrektur von Fehlern bei der Umrechnung von Phasensprüngen in Höhendaten entstanden („Multi-Baseline Phase Unwrapping“). Zusätzlich ist der ITP auch für die Verarbeitung von experimentellen Aufnahmen für die wissenschaftliche Nutzung verantwortlich. Durch diese Beiträge entstehen schon vor der endgültigen Kalibrierung hochpräzise Höhenmodelle, die wissenschaftlich ausgewertet werden können. Während differentielle Interferometrie bei größeren Veränderungen störanfällig ist, können Höhendifferenzen aus zwei zeitlich getrennten DEM-Aufnahmen sehr eindeutig auch Veränderungen der Erdoberfläche durch Gletscherschmelze, Abholzung oder Vulkanlavafelder messen. Durch die Expertise aus der Prozessierung werden so durch das Team weltweit verteilte z.B. Gletscherfelder und Eiskappen auf Vulkanen vermessen.
Die SAR-Daten ermöglichen neben der interferometrischen Auswertung aber auch die Nutzung der genauen Ortsbestimmung von Objekten. Im Laufe der letzten Jahre wurden am IMF immer ausgefeiltere Methoden zur Korrektur aller möglichen Fehlerquellen bei der absoluten Lokalisierung von SAR-Bildern auf der Erde entwickelt. Dazu werden auch Wettermodelle eingesetzt um den Einfluss von Wasserdampf auf die Ausbreitung des Radarsignals zu kompensieren. Dadurch können Produkte unserer Verarbeitungsketten heute mit einer Genauigkeit von weniger als 2 cm in Entfernung und Flugrichtung des Orbits vermessen werden. Ist der Orbit genau bestimmt, so kann ohne die Notwendigkeit kohärente, mehrdeutige Phasendifferenzen zu messen und aufzulösen an jedem Punkt der Welt ein Objekt cm-genau lokalisiert werden. Das wird von unserem Team beispielsweise genutzt, um unzugängliche Gletschergebiete in der Antarktis aufzunehmen und aus Verschiebungen von Strukturen wie Gletscherspalten die Geschwindigkeit der Eisfelder zu messen. Ein Beispiel dafür ist das abgebildete Fließgeschwindigkeitsfeld des Gletschersystems am Ross-Schelfeis in der Antarktis. Derartige Daten liefern wichtige Daten zur klimarelevanten Dynamik der Eis-Massenbilanz.
Die SAR-Verfahren werden ständig weiterentwickelt um sie auch für neuartige Erdbeobachtungsmissionen anwenden zu können. So wird in unserem Team das neuartige TOPSAR-Aufnahmeverfahren der Sentinel-SAR-Satelliten der ESA in die bestehenden Prozessoren integriert. Durch die enge Verzahnung von Anwendungen und der Erforschung neuer Verarbeitungs-Methoden sind wir u.a. in Projekten zur Beobachtung von Erdbeben, zum kontinuierlichen Monitoring von Vulkanen, oder auch der Stabilitätsmessung von Eisenbahnlinien und anderer Infrastruktur aktiv.