Ein Meilenstein für funktionale Wirkungskraft und den inneren Zusammenhalt des Clusters AF in Oberpfaffenhofen war die örtliche Zusammenführung der meisten Abteilungen in den zwei Gebäuden 121 (DFD-Stammgebäude seit 1989) und 122, einem alten Bestandsgebäude, das seine besten Jahre hinter sich hatte und saniert werden sollte. Beide Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft. Der Nutzungsplan sah allerdings vor, dass große Teile des neu sanierten Gebäudes 122 vor allem vom Institut für Kommunikation und Navigation meines Kollegen Prof. Christoph Günther bezogen werden sollte. So wären weiter große Teile des IMF und auch des DFD am Zentrum verteilt untergebracht worden. Ich war überzeugt, dass das ein großer Fehler gewesen wäre, gab es doch jetzt die „historische“ Chance, die angewandte Fernerkundung auch örtlich zusammenzufügen. Ich erinnere mich gut an unseren Institutstag mit dem für uns zuständigen Vorstandsmitglied Prof. Achim Bachem im Herbst 2007. Nach einem guten Tag mit spannenden Vorträgen und interessanter Diskussion nutze ich die Gelegenheit, Herrn Bachem beim Verlassen des DFD anzusprechen. „Ich hätte da noch ein Anliegen…“, begann ich. Ich höre mich noch sagen, dass diese Chance, die Erdbeobachtung auch örtlich sichtbar zu konzentrieren, nicht mehr wiederkommen würde und wir eine Umkehr der bereits getroffenen Entscheidung zur Nutzung von Geb. 122 bräuchten. Professor Bachem war stets ein offener und sehr angenehmer Gesprächspartner, der mit rheinischer Verschmitztheit gerade in solchen Situationen gute Antworten in überzeugender Weise gab. Ich hatte also nur noch diese Chance. Ich weiß noch, wie er für einen Moment verharrte und mich fast ungläubig anblickte, gerade so, als hätte er es jetzt erst richtig verstanden. Dann sagte er trocken: „O.k. Herr Dech, dann schicken Sie mir mal einen Vorschlag.“ Und verließ lächelnd das Haus. Es war die Chance für uns, die Türe war wieder einen Spalt weit offen. Aber erst musste noch der ganze Standort überzeugt werden, das war Prof. Bachems spätere Bedingung für seine Zustimmung, und an die schwierige Abstimmung im „Führungskreis OP“ (Standortmanagement und alle Institutsdirektoren) erinnere ich mich gut. Christoph Günther enthielt sich – natürlich verständlich aus seiner Sicht – der Stimme. Es war durchaus ein wenig schmerzhaft, die eigenen gegen andere (ebenso berechtigte) Interessen durchsetzen zu müssen, aber hier war es aus unserer Sicht angemessen. Und wie so oft fügten sich die Dinge positiv: Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 wurde ein staatliches Konjunkturprogramm aufgelegt, und das IKN bekam Mittel für ein völlig neues, eigenes Institutsgebäude, südlich von Gebäude 122 gelegen, auf das ich heute aus meinem Büro im III. Stock von Gebäude 122 schaue und mich immer an der „MS Günther“ erfreue (denn das Gebäude schaut aus der Ferne fast wie ein Ozean-Liner aus).
Sanierung EOC-Gebäude 122 und Umbau DFD-Gebäude 121 Links: das EOC-Atrium entsteht: September 2009, neun Monate vor der Eröffnung. Rechts: die Verbindung zu Gebäude 121 entsteht.
So wurde Gebäude 122 kernsaniert und 2010 seiner neuen Bestimmung übergeben. Ein neuer Anbau schaffte Raum für ein großartiges Atrium. Oben im III. Stock wehen (freilich nur bei geöffneten Dachluken) die Flaggen aller im EOC vertretenen Mitarbeiternationen im Wind. Das Gebäude, in dem fast das ganze IMF in Oberpfaffenhofen sowie das internationale Bodensegment des DFD (Dr. Erhard Diedrich trat 2007 die Nachfolge von Klaus Reiniger als Abteilungsleiter an), unsere Wissenschaftskommunikation, das gemeinsame Controlling, seit 2003 unter Leitung von Hans Voß, und die beiden Leitungen des EOC untergebracht sind, brauchte einen eigenen Namen!
Zunehmend hatte sich besonders in der DLR Programmatik für die Fernerkundung der Erde der Begriff „Erdbeobachtung“ eingebürgert. Auch international war „Earth Observation“ zum quasi-Begriff für die Satellitenfernerkundung der Erde avanciert. Also wurde das Earth Observation Center (EOC) in Oberpfaffenhofen zunächst Namensträger des Gebäudekomplexes. Die feierliche Einweihung am 10. Juli 2010 war ein glanzvoller Höhepunkt unserer politischen Aufmerksamkeit als Institutscluster. Das who-is-who der Prominenz war anwesend, u. a. ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain. Und Philipp Hartl und Walter Kröll hielten beeindruckende Reden und schauten stolz zurück auf das, was 2000 mit dem Cluster AF begonnen wurde. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle und der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil bildeten die Spitze der politischen Prominenz. Nicht nur für unseren Vorstandsvorsitzenden Prof. Jan Wörner und Vorstandsmitglied Thomas Reiter, der zwischenzeitlich Herrn Bachem nachfolgte, ein Feiertag im DLR. Prof. Walter Kröll war es, der in seiner launigen Rede anmerkte, das Cluster AF sei heute das Erdbeobachtungszentrum in Deutschland und längst auf dem Weg „the Earth Observation Center“ auch international zu werden. Ein Steilpass...
Feierliche Einweihung des EOC-Gebäudes, 10. Juli 2010
Gruppenbild nach den Begrüßungsreden: v.l.n.r.: DLR-Raumfahrtvorstand Dr. Thomas Reiter, Prof. Richard Bamler, Prof. Stefan Dech. Staatsminister Martin Zeil, ESA-Generaldirektor Jean-Jaques Dordain, Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle und DLR-Vorstandsvorsitzender Prof. Johann-Dietrich „Jan“ Wörner
Mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und unseren Gästen feierten wir bis tief in die Nacht eine berauschende, unvergessliche Party mit Live-Musik der Band Schotterhaufen. Und später noch im selben Jahr beschloss der Vorstand des DLR auf unseren Vorschlag hin, das Cluster Angewandte Fernerkundung formell in Earth Observation Center (EOC) umzubenennen. Formell war nun das EOC als wirkungsstarke „Dachmarke“ für unseren Institutsverbund etabliert. Örtlich schafften wir in den Jahren 2011-2014 mit angesparten Mitteln auch noch die umfassende Sanierung des DFD-Stammgebäudes 121 (in Oberpfaffenhofen aufgrund seiner Form als Banane bekannt) sowie eine komplette Renovierung der uns zugewiesenen Räumlichkeiten in Geb. 133, wo die beiden Atmosphärenabteilungen des EOC untergebracht werden sollten. In diesem Zuge darf auch nicht die Schaffung des EOC Service Labs im Erdgeschoss des Gebäudes 121 vergessen werden: Mit dem ZKI-Lageraum und der Referenzplattform für Umwelt und Kriseninformationssysteme sowie einer Adresse für das Weltdatenzentrum für Fernerkundung der Atmosphäre (WDC-RSAT) schafften wir nicht nur funktional notwendige, sondern auch wirkungsstarke Einrichtungen, in denen wir unsere Forschung nun auch angemessen präsentieren konnten. Das Service Lab wurde im September 2010 vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer eingeweiht, und 2013 besuchte uns Bundespräsident Joachim Gauck und lauschte im ZKI-Lageraum in Begleitung seiner Gattin und des Ehepaars Seehofer unseren Vorträgen.
Einweihung EOC-Service Lab am 2. September 2010 durch Ministerpräsiden Horst Seehofer (hier bei einer Präsentation in der neu geschaffenen Referenzplattform)
Bundespräsident Joachim Gauck und DLR-Vorstandsvorsitzender Prof. Jan Wörner bei der Begrüßung vor dem ZKI-Lageraum
Nicht verheimlichen will ich an dieser Stelle, dass noch kein/e amtierende/r Bundeskanzler/in zu Besuch war. Auch wenn Herr Seehofer bei seinem letzten Besuch versprach, Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Oberpfaffenhofen einzuladen, so wurde dieses Versprechen bis heute noch nicht eingelöst. Aber man braucht ja immer auch Ziele...
Die vierte Dekade bis zum Jahr 2020
In den vergangenen 10 Jahren haben wir u. a. unsere Anstrengungen verstärkt, unsere wissenschaftliche Kompetenz nochmals deutlich zu schärfen. Dies zeigt sich ganz objektiv an der wachsenden Zahl wissenschaftlicher Publikationen in Peer-begutachteten international bekannten Journals. Gleichzeitig haben wir unsere technologische Großinfrastruktur mit Bodenstationen in Neustrelitz, Oberpfaffenhofen, in der Antarktis und der kanadischen Arktis technisch erweitert und, wo nötig, modernisiert. Auch die datentechnischen Systeme zur Prozessierung von Daten haben wir ebenso auf den neuesten Stand gebracht. Mit dem Aufbau der GeoFarm haben wir die erste interne HPDA (High Performance Data Analytics) -Infrastruktur geschaffen, und mit der kontinuierlichen Erneuerung der Strukturen und Technologien des Deutschen Satellitendatenarchivs (D-SDA) auch Grundlagen für unsere heutige Zusammenarbeit u.a. mit dem Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) gelegt: Denn ohne ein Langzeitarchiv und der Möglichkeit, bei Bedarf historische oder nicht online verfügbare Datensätze nachladen zu können, sind aktuelle Datenplattformen in der Cloud, die nur einen Ausschnitt aller verfügbaren Daten vorhalten, nur halb so mächtig. Die Früchte der Anstrengungen konnten wir schon in der zweiten Cluster-Überprüfung im Jahr 2013 ernten: ein mehr als positives Votum, in dem uns eine internationale Spitzenstellung auf dem Gebiet der satellitengestützten Erdbeobachtung bescheinigt wurde, freute uns alle sehr.
Aufbau und Einweihung der ISSF 2010 in Inuvik, Canada
Wissenschaftlich haben wir in der letzten Dekade durch vielfältige methodische Neuerungen, zum Beispiel unter Nutzung von Verfahren des maschinellen Lernens, große international sichtbare Projekte und selbst entwickelte Datenprodukte zur Atmosphäre, Luftqualität und Gesundheit, zur Dynamik der Landoberflächen und ihren Gewässern sowie dem urbanen Raum wie z. B. dem GUF bzw. der weiterentwickelten Produktserie des World Settlement Footprint (WSF) international an Beachtung gewonnen. Unsere Publikationsleistungen in internationalen, Peer-begutachteten Journals konnte auf ein neues Niveau gehoben werden. Unsere diesbezüglichen Abteilungsleitungen wurden zwischenzeitlich gemeinsam mit Universitäten berufen bzw. sind parallel als Universitätsprofessoren in Augsburg, Würzburg und an der TU München tätig (Prof. Michael Bittner, DFD-ATM, Prof. Claudia Künzer, DFD-LAX , Prof. Günter Strunz, DFD-GZS). Neue Nachwuchswissenschaftler*innen wurden oder werden zur Habilitation geführt und für höhere Aufgaben vorbereitet. Gastwissenschaftler*innen aus aller Welt sind bei uns tätig, eigene Wissenschaftler*innen verbringen Sabbaticals im Ausland und sammeln wichtige Erfahrungen. Auf Initiative meines Lehrstuhls an der Universität Würzburg, v. a. von Christopher Conrad, Martin Wegmann und Claudia Künzer, wurde 2016 ein internationaler Master-Studiengang EAGLE mit großer Anziehungskraft für Studierende etabliert, der heute bereits Nachwuchs frühzeitig an uns bindet und die jüngste Generation unserer Doktoranden mitprägt.
Corona-konformes Gruppenbild der jüngsten Generation unserer EAGLE-Studierenden. International und mit Frauen-Power! Bild: Dr. Martin Wegmann, Oktober, 2020
Gut die Hälfte der heute 230 Mitarbeitenden des DFD sind fernerkundlich-geowissenschaftlich tätig. Dabei ist das DFD in seinen beiden Aufgabenschwerpunkten gleichermaßen drittmittelstark: Mehr als 50% aller Mittel für Personal stammen aus selbst akquirierten Projektanträgen und Missionsbeteiligungen. Wir bieten ein dynamisches, fachlich hoch kompetentes Team mit herausragenden Persönlichkeiten. Blickt man zurück auf die 1985 ca. 15 Mitarbeiter umfassende Abteilung Fernerkundungsanwendung (WT-DA-FE), aus der die heutige Forschung im DFD entstanden ist, so weiß ich, dass nur an wenigen Orten so eine Entwicklung möglich war. Mit guten Argumenten, Hartnäckigkeit und Engagement kann man auch heute noch fast alles möglich machen im DLR.
Abteilung WT-DA-FE im Jahr 1986. Abteilungsleiter Dr. Rudolf Winter (4. v. l. oben). Heute noch dabei: Gunter Schreier (links), Stefan Dech (unten links) und Angela Kaiser (2. von unten rechts).
Im Nutzlastbodensegment bzw. im Bereich der Datentechnik, unserer „Kern-DNA“ im Institut, stehen wir kontinuierlich vor Herausforderungen. Einerseits ist es kaum planbar, bei welchen Missionen wir hinsichtlich Entwicklung und/oder Betrieb mitgestalten können. Ausdauernde Initiativen, vielfältiges Werben auch im politischen Raum sowie beharrliche, fachlich überzeugende Entwicklungen und konstant hohes Engagement auch bei den laufenden Missionen sind unabdingbar. Auch und gerade, wenn Missionen beendet werden. Gleichzeitig müssen wir stets bereit sein – technisch, konzeptionell, auch seitens unserer Kapazitäten –, wenn sich neue Gelegenheiten bieten. Ein oft schwer zu meisternder Spagat. Das heißt auch, Fähigkeiten und Großanlagen müssen auch dann verfügbar gehalten (und finanziert!) werden, wenn sie nicht voll ausgelastet sind. Wir denken folglich langfristig, mindestens dekadisch. Die Beteiligung an größeren Raumfahrtprojekten ist im schnellen Durchlauf weder zu erreichen noch erfolgreich umzusetzen.
Das DFD hat seine Strategie immer so ausgerichtet, dass wir möglichst breit und systemfähig aufgestellt sind. Flexibilität zu leben, wenn sie gefragt ist, hat uns dabei stets ausgezeichnet. Chancen dann ergreifen, wenn sie sich bieten. Bedenken zurückzustellen, zugunsten der Möglichkeit, mitzugestalten. So haben wir uns auch nie alleine auf die Verfügbarkeit „nationaler Missionen“ wie TerraSAR-X, TanDEM-X und EnMAP (in Vorbereitung) gesetzt, sondern auch die gestalterische Mitwirkung bei den europäischen ESA-Missionen gesucht. Von ERS-1 und ERS-2 über Envisat bis heute zu den Sentinels. Für die Precursor-Mission von Sentinel 5 haben wir es beispielsweise geschafft, das komplette Bodensegment im Auftrag der ESA aufzubauen und erfolgreich zu betreiben. Zusätzlich hat das IMF einen Großteil der wissenschaftlichen Prozessoren beigesteuert. Ein großer Erfolg der letzten Dekade gemeinsam für das EOC – und nicht möglich ohne 30 Jahre kontinuierliche Vorarbeiten. Und dennoch gibt es für den Erfolg keine Garantie, auch wenn wir bewiesen haben, dass wir es können. Auch Rückschläge und schmerzliche Misserfolge bei hoffnungsvoll abgegebenen Angeboten müssen wir wegstecken können und uns immer wieder neu sammeln, hinterfragen, verbessern, um bei nächster Gelegenheit wieder erfolgreich sein zu können.
Ungeachtet dessen ist es aus meiner Sicht aber dringend notwendig, dass DLR-Institute wie das DFD auf lange Sicht gesehen trotz aller Drittmittelstärke stets auf eine substanzielle Beteiligung bei eigenen, nationalen Erdbeobachtungsmissionen mitwirken können. Das ist letztlich auch der tiefere Sinn von Großforschungseinrichtungen und unterscheidet uns von der Forschung an Universitäten. Und so sehe ich mit großer Sorge, dass die Kontinuität unserer herausragenden DLR-Radarmissionen über drei Dekaden nach TanDEM-X immer noch nicht gesichert ist. Unsere eigentlich geplante nächste Wissenschaftsmission, Tandem-L, konnte trotz großem fachlichen und politischen Einsatz seit mehreren Jahren bis heute noch nicht finanziert werden und erscheint ungewiss. Und eine Mitwirkung bei HRWS muss – sollte die Mission unter Beteiligung des Nationalen Programms realisiert werden – auch erst gemeinsam mit der in diesem Fall sicher verantwortlichen Industrie entwickelt werden.
Stichwort Partnerschaften mit der Industrie: Diese Zusammenarbeit haben wir immer gesucht, trotz unserer Verankerung im Wissenschaftssystem. Seit Mitte der 1980er-Jahre z. B. mit der von Dr. Rupert Haydn gegründeten Firma GAF AG in München. Sie hält seit vielen Jahren u. a. weitgehende Vertriebsrechte an den Daten indischer Erdbeobachtungssatelliten. So betreiben wir heute in Neustrelitz in Kooperation mit der GAF entsprechende Systeme für Empfang, Prozessierung und Archivierung dieser Missionsdaten.
Unterzeichnung Kooperationsvertrag mit Space Imaging und GAF-AG, Juli 2004: V.l.n.r. Klaus Reiniger, Stefan Dech, Conrad Mueller, Space Imaging; Dr. Rupert Haydn, GAF
Als um die Jahrtausendwende die neuste Generation höchst auflösender kommerzieller 1m-Satellitendaten (Ikonos) am Horizont erschien, kam dann auch die in Gründung befindliche Firma European Space Imaging (EUSI) auf uns zu. Diese hatte die Vertriebsrechte für diese Daten über eine Empfangsstation in Europa erworben. Und seit dem Start von Ikonos im Jahr 1999 kooperieren wir erfolgreich mit der EUSI in München. In deren Leitung stehen Mohamed El Kadi, CEO und Miteigentümer der Mutterfirma „Space Imaging Middle East“, sowie der EUSI Managing Director, Adrian Zevenbergen. In Oberpfaffenhofen betreiben wir für die EUSI die europäische Bodenstation und unterstützen bei der Prozessierung zu Standardprodukten.
Am Rande eines Kooperationstreffens mit EUSI/SI Middle East in Dubai, 2006. V.l.n.r. Gunter Schreier, Stefan Dech, Mohamed el Kadi, Klaus Reiniger, Adrian Zevenbergen
So konnten wir über diese Kooperation auch die Daten dieses Typs an Fernerkundungsdaten sehr frühzeitig in das Portfolio unseres ZKI integrieren und hochaktuelle, damals einmalige, Kartenprodukte für das Krisenmanagement erzeugen. Mittlerweile werden auch die Daten der MAXAR-Satelliten der WorldView-Serie empfangen. Wenn immer ein Satellitenbild mit bis zu 30cm Bodenauflösung in der Presse zu sehen ist: Wahrscheinlich wurde es in Oberpfaffenhofen im DFD empfangen und in Kooperation mit EUSI verarbeitet worden. Und natürlich muss die langjährige Zusammenarbeit mit der Firma Airbus (früher Astrium bzw. deren Tochter Infoterra) bei den Public Private Partnership (PPP)-Missionen TerraSAR-X und TanDEM-X genannt werden. Wir betreiben bis heute die beiden Satellitenmissionen im Verbund von vier DLR-Instituten und erzeugen Datenprodukte mit höchster Qualität – auch für die Kunden unseres kommerziellen Partners Airbus. Krönung der Zusammenarbeit war dabei sicher die Erstellung des globalen Höhenmodels (DEM) aus den Daten der TanDEM-X Mission. Als dann durch die Industrie nochmals verfeinerter, „editierter“ Datensatz stellt dieses „WorldDEM“ heute eines der wichtigsten Datentypen im kommerziellen Portfolio von Airbus dar.
Der Besonderheit unserer fachlichen Konstellation, Technologieentwickler und -betreiber eines Erdbeobachtungs-Bodensegments und gleichzeitig geofernerkundliches Forschungsinstitut zu sein, waren wir uns immer bewusst: Große Chancen und große Verantwortung zugleich. Auch wenn scheinbar die Aufgabenbereiche bisweilen „nebeneinander“ zu arbeiten scheinen, so achten wir dennoch darauf, die beiden Bereiche in geeigneter Weise z. B. durch Projekte so zu verzahnen, so dass Mehrwerte in beide Richtungen – und somit für das Haus und das DLR insgesamt – entstehen konnten. Projekte wie UKIS (Umwelt- und Kriseninformationssystemplattform) oder Timeline (Aufbau einer konsistenten, 4 Dekaden überspannenden AVHRR-Produktreihe), aber auch der Betrieb des WDC-RSAT halfen dabei. Besonders die Informationstechnik im DFD (Eberhard Mikusch ist seit 2003 Nachfolger von Kurt Schmidt als Abteilungsleiter) hat in den letzten Jahren eine ganze Palette an In-House Services (u. a. ein tagesaktuell komplettes Sentinel-Datenarchiv und projektbezogene Datenzugangs- und Sicherungssysteme), entwickelt, von denen auch unsere eigene Forschung zunehmend profitiert.
In den letzten Jahren – seit etwa 2016 – ist „HPDA“ (Rechnersysteme für High Performance Data AnalyticsAnwendungen) zu einem prägenden Thema avanciert. Durch Datenstrukturen, wie sie Google oder Amazon heute anbieten, ist es grundsätzlich auch wenigen Wissenschaftlern möglich, globale dekadische Datenbestände in hoher räumlicher Auflösung zu prozessieren. Dazu braucht man drei Zutaten: Die richtigen Datenbestände (historische und aktuelle) geeignet aufbereitet und unmittelbar online verfügbar (ob in einer Cloud gehalten oder zentral, ist aus Nutzersicht unerheblich), große Rechenpower mit hoher I/O-Performance sowie geeignete Schnittstellen und Software zum „Onboarding“ der eigenen Algorithmen auf ein HPDA-System, um schließlich erfolgreich rechnen zu können. Letztlich also Anforderungen, die auch unter dem Thema „HPC“ zusammengefasst werden könnten, aber aufgrund der Big Data Komponente heute eigenständig als HPDA-Systeme betrachtet werden. Um unsere eigenen Wissenschaftler im EOC zu unterstützen, globales Big Data Rechnen zu ermöglichen, reichte auch schon bald unsere eigens dafür aufgebaute GeoFarm nicht mehr aus. Als eine Folge entwickelte sich ein weltweites Reisen unserer Algorithmen zu den Daten und der Rechenpower. V. a. Google unterbreitet mit seinem kostenfreien Zugang auf Sentinel-Daten und frei verfügbarer Rechnerleistung für die Wissenschaft auf seiner Google Earth Engine ein scheinbar „unschlagbares Angebot“. Teils bestehen dennoch auch Limitationen aus technischer Sicht, so dass nicht alles möglich ist, was algorithmisch umgesetzt werden soll. Aber noch viel wichtiger ist: wie sicher sind die eigenen Entwicklungen, welchen Preis zahlen wir für das kostenlose Angebot? Und wie lange ist dieses kostenfreie Geschäftsmodell verfügbar? Denn wir alle wissen spätestens seit Robert Heinleins Roman Revolte auf Luna: “There ain’t no such thing as a free lunch.”
So machten wir uns auf die Suche nach Lösungen und hatten schon ein aussichtsreiches Konzept zusammen mit Kollegen der Informatik an der Universität Würzburg entwickelt, das seitens der Bayerischen Staatsregierung in ersten Gesprächen sehr positiv bewertet wurde. Es bestand 2018 berechtigte Aussicht auf Förderung. Schon oft hat uns der Freistaat Bayern geholfen, wenn es galt, wichtige Weichenstellungen vorzunehmen. U. a. wäre unsere Positionierung im Copernicus Bodensegment der ESA ohne eine Projektfinanzierung des Freistaates Bayern nicht möglich gewesen. Aber unser HPDA-Konzept kam irgendwie zur falschen Zeit. Denn im DLR standen gerade viele neue Institutsgründungen an, so dass Fördersummen immer auch regional-strategisch und hinsichtlich der Folgelasten bewertet wurden. Das BMWi wollte jedenfalls zu diesem Zeitpunkt keine weitere Initiative mit drohender langfristiger finanzieller Verpflichtung unterstützen. Im Nachhinein betrachtet war es wohl gut so. Ich suchte also nach einer Alternative und besprach unsere Anforderungen mit Prof. Dieter Kranzlmüller, dem Vorsitzenden des Direktoriums des Leibniz-Rechenzentrums in Garching. Auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht die notwendigen Mittel in Aussicht hatte, im Ziel waren wir uns rasch einig und legten los. Das Konzept zu „TERRA_Byte“ entstand, eine richtungsweisende Allianz der Erdbeobachtung in Oberpfaffenhofen mit dem LRZ. Zusammen wollen wir künftig den internationalen Datengiganten mit einer smarten Lösung im technischen Zusammenspiel des DFD und des LRZ etwas Nachhaltiges für unsere eigene Forschung in der Erdbeobachtung entgegensetzen. Wir konnten auf beiden Seiten schließlich die notwendigen Mittel für das Projekt organisieren und unterzeichneten am 27. Mai 2019 in Garching u. a. zusammen mit unseren Raumfahrtvorstand Prof. Hansjörg Dittus, der uns bei diesem Thema maßgeblich unterstützt hat, und dem Bayerischen Staatsminister Bernd Sibler einen Kooperationsvertrag. Der Startschuss für die darauf folgende operative Phase des Projektes, das zwischenzeitlich gut angelaufen ist mit mehreren Test-Applikationen, die erfolgreich auf dem Super-MUC in Garching implementiert wurden.
Unterzeichnung des Kooperationsvertrags am 27. Mai 2019 beim Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) in Garching bei München. V.l.n.r.; Prof. Dieter Kranzlmüller, LRZ, Prof. Thomas Höllmann, Bayerische Akademie der Wissenschaften, Staatsminister Bernd Sibler, DLR-Vorstandsmitglied Prof. Hansjörg Dittus und Prof. Stefan Dech, DLR-EOC
Auch in der Außendarstellung nehmen wir es mittlerweile mit den Großen auf. Als weithin sichtbare „Hingucker“ für eine breite Öffentlichkeit entwickelten sich die Ausstellungen „Welt der Wunder“ (2016-2017) und „Der Berg ruft“ (2018-2019), die wir in Kooperation mit dem Oberhausener Gasometer durchführten. Bei „Welt der Wunder“ bespielten wir mit ausgefeilter Projektionstechnik eine frei im Gasometer hängende riesige 20m-Erdkugel. Und bei „Der Berg ruft“ stand ein überdimensioniertes Matterhorn buchstäblich Kopf. Darunter ein Spiegel, so dass es beim Blick in den Spiegel den Eindruck bot, man betrachte den Berg aus der Luft. Beide Ausstellungen, die Nils Sparwasser und sein Team zusammen mit dem Gasometer um Chefin Jeannette Schmitz und Kurator Peter Pachnicke (†) auf die Beine stellten, erreichten über zwei Millionen Besucher und waren absolute Highlights der Außendarstellung in 40 Jahren DFD und 20 Jahren EOC. Gerne begrüßt mich Frau Schmitz bei Vorträgen im Gasometer (die zu meinen größten beruflichen Freuden zählen!) mittlerweile als jemand, der den Gasometer als seine neue Außenstelle bezeichnet. Was man dort schmunzelnd als Auszeichnung empfindet.
Die vom DFD gestaltete Erdskulptur im Gasometer Oberhausen
Die Matterhorn-Skulptur im Gasometer Oberhausen
Dies alles niederschreibend – und dabei doch nur einige der wichtigen Entwicklungen anzusprechen zu können – wird mir bewusst, welchen Weg wir gegangen sind, was wir mit Begeisterung und Beharrlichkeit erreicht haben. Wenn ich von „wir“ in diesem Blog geschrieben habe, dann sind das die über vier Dekaden tätigen Mitarbeitenden des DFD. Ganz besonders kluge, phantasievolle, engagierte und begeisterungsfähige Menschen. Ein Team, für das einzutreten und zu kämpfen eine Selbstverständlichkeit ist. Willi Wildegger, langjähriger IT-Manager im EOC, absolutes DFD-Urgestein und viele Jahre als unsere gute Seele des Hauses bekannt, gab nach 39 Jahren im Februar 2020 noch kurz vor Corona seinen Ausstand. Dabei sagte er: „Ich hatte immer das Gefühl, an etwas Sinnvollem mitzuwirken“.
Willi Wildegger im Kreise seiner Kolleg*innen bei seinem Ausstand Anfang 2020
Epilog: Am 21. Oktober 2020 fand die 20. Führungskreisklausur im EOC statt. Diesmal in ungewöhnlicher Skype-Online-Konferenz, der Corona-Pandemie geschuldet. In dieser Klausur konnten wir den Blick nach vorne richten auf die nächsten Schritte unserer Entwicklung, faszinierende Verfahren und Technologien der satellitengestützten Erdbeobachtung für die wichtigen Fragen des Globalen Wandels zu nutzen. Ungebrochen begeistert und mit großem Optimismus schauen wir gemeinsam auf die nächsten Jahre.
Ich danke allen meinen Kolleginnen und Kollegen im DLR mit denen ich fast dreieinhalb Dekaden zusammenarbeiten durfte. Ich freue mich auf die Fortsetzung unserer gemeinsamen Geschichte!
Der EOC-Führungskreis am 21. Oktober 2020 anlässlich der 20. Klausur des EOC.