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Steht eine Stratosphärenerwärmung bevor?

18. Januar 2021

Seit einigen Tagen kündigt sich über dem Nordpol eine sogenannte „Stratosphärenerwärmung“ an. Das Phänomen wurde 1952 in Berlin entdeckt. Deshalb ist es auch als „Berliner Phänomen“ bekannt, obwohl der gesamte Polbereich beeinflusst wird. Es handelt sich dabei um eine spontane, starke Erwärmung der Stratosphäre im Winter. Die Stratosphäre schließt in etwa 12 Kilometer Höhe an unsere „Wetterschicht“, die Troposphäre, an und reicht bis in ca. 50 Kilometer Höhe, wo sie in die Mesosphäre übergeht. Binnen weniger Tage ändern sich die Temperaturn hier von sonst -70°C auf bis zu -20°C. Oftmals geht dieser Erwärmung eine Abkühlung der Mesosphäre voraus. Die Stratosphärenerwärmung wird durch eine Abschwächung oder sogar Umkehr der im Winter dominierenden Westwinde in der Stratosphäre (s.a. EOC News vom 2.3.2018) begleitet. Diese Westwinde umströmen den Polbereich gewöhnlich mehr oder weniger kreisförmig gegen den Uhrzeigersinn und bilden damit ein großes Tiefdruckgebiet. Die Stratosphärenerwärmung kann dazu führen, dass der Polarwirbel aufbricht. Dann wird der polare Wirbel in zwei Tiefdruckgebiete geteilt, die nach Süden driften und arktische Kälte mitbringen. Es kann dabei zu der paradoxen Situation kommen, dass es am Boden in arktischen Regionen wärmer ist als in den eigentlich gemäßigten Breiten.

Jüngst sind einige Zeitungsartikel zum aktuellen Zustand der Stratosphäre erschienen. Es wird spekuliert, ob der Wintereinbruch in Spanien auf die Vorgänge in der Stratosphäre zurückzuführen ist. So wurde beispielsweise Ende Dezember eine Teilung des Polarwirbels bereits zum Beginn des Jahres prognostiziert. Bislang kam es jedoch nur zu einer starken Verschiebung des Wirbels nach Süden über den europäischen Kontinent (siehe Abbildung 1, links). Der Wirbel ist tatsächlich auch deutlich geschwächt, aber eine Trennung in zwei Teile ist noch nicht endgültig vollzogen.

Abb. 1: Windgeschwindigkeit am 17. Januar (links) und am 4. Januar (rechts) 2021 im 10 hPa Druckniveau (ca. 30 km Höhe). Die Strömungslinien zeigen eindrucksvoll eine quasi-bi-modale-Struktur der großräumigen Zirkulation auf der Nordhemisphäre. © https://earth.nullschool.net/

Der Grund für derartige Störungen des Polarwirbels sind sog. planetare Wellen, die für die regelmäßige Abfolge von Hoch- und Tiefdruckgebieten in den mittleren Breiten verantwortlich sind. Die planetare Wellenaktivität in der Stratosphäre (10 hPa, etwa 30 km Höhe) war Ende Dezember sehr stark und hat erst im Januar deutlich abgenommen (siehe Abbildung 2).

Abb. 2: Planetare Wellenaktivität (PWA) von Juli 2020 bis zum 7.1.2021 auf der Nordhalbkugel im Vergleich mit klimatologischem Mittelwert (weiß) und zweifacher Standardabweichung (rot) an jedem Tag des Jahres über den Zeitraum vom 1.1.1979 bis 31.12.2020. Die verschiedenen Zahlen 1 bis 3 repräsentieren die Wellenzahlen (Anzahl der Wellenmaxima entlang einer Breite). Jedes einzelne Jahr ist als hellgraue Linie im Hintergrund dargestellt. Datenbasis: Temperatur der globalen ERA5-Reanalysen.

Die erhöhte Aktivität der planetaren Wellen kann den Polarwirbel stark schwächen. Er beginnt zu mäandrieren und sich zu verschieben, bis er – wenn die Schwächung anhält– aufbricht und aufspaltet: Eine Stratosphärenerwärmung entsteht. Am 4. Januar dieses Jahres war es dann schon fast so weit. Eine quasi-bi-modale-Struktur war zu erkennen (siehe Abbildung 1, rechts). Doch kam es noch nicht zur finalen Aufteilung des Wirbels.

Gleichzeitig beobachten wir momentan ein starkes La-Niña-Ereignis, ein globales Wetterphänomen, das zuletzt 2015/2016 aufgetreten ist. Das sollte eigentlich dazu führen, dass die planetaren Wellen besonders schwach sind, der Wirbel also polsymmetrisch und ungestört bleibt (siehe EOC-News „Ozonloch 2020“ vom 10.12.2020) während die Mesopausenregion durch überdurchschnittlich hohe Temperaturen geprägt ist. Bis Mitte Dezember können wir dies in unseren Daten auch gut beobachten (s. Abbildung 3).

Abb. 3: Die Mesopausentemperatur gemessen an vier Stationen in Europa (grau: Zugspitze (47°N, 11°O), Haute-Provence (44°N, 6°O), Wuppertal (51°N, 7°O) und Abastumani (42°N, 43°E) sowie deren Mittelwert (schwarz/rot). An allen Stationen war der Dezember deutlich wärmer als im Jahr 2019 (rot). Zusätzlich zeigen alle Stationen dieses Jahr im Januar das gleiche Verhalten: insgesamt hat sich die Mesopause seit Mitte Dezember um etwa 20 K abgekühlt, während die Temperaturen seitdem an allen Stationen synchron variieren.

In den vergangenen drei Wochen sind sie nun sehr schnell um ca. 20°C gefallen. Der Temperaturrückgang wurde gleich von vier europäischen Messstationen registriert; ein eindeutiger Hinweis darauf, dass planetare Wellen mit diesem Rückgang in Zusammenhang stehen. Es muss sich also um eine große überregionale Luftmassenverschiebung in der Mesosphäre handeln, die tatsächlich ein Anzeichen für eine bevorstehende Stratosphärenerwärmung sein könnte.

Das DLR betreibt als Teil des internationalen globalen Netzwerkes NDMC (Network for the Detection of Mesospheric Change) an mehreren Standorten Infrarot-Spektrometer, wie z.B. an der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus auf der Zugspitze, um die Temperaturen in der Mesopausenregion zu beobachten.

 


Kontakt
Dr. Lisa Küchelbacher
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)

Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum
, Atmosphäre
Weßling

Tel.: +49 8153 28-1909

Dr. Carsten Schmidt
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)

Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum
, Atmosphäre
Weßling

Tel.: +49 8153 28-1335

Links
NDMC - Network for the Detection of Mesospheric Change
Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS) auf der Zugspitze
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