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EOC schließt Kooperation mit dem European Southern Observatory (ESO)

25.10.2017

Generaldirektor des ESO, Xavier Barcons, und Direktor des DFD, Stefan Dech, bei der Unterzeichnung des Kooperationsvertrags
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ESO-Observatorium in der chilenischen Atacamawüste vom Flugzeug aus
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Michael Bittner, Abteilungsleiter am EOC, erläutert die Grips-Technik (v.r.n.l: A. Kaufer, X. Barcons (ESO), S. Dech, M. Bittner (EOC))
 
Chilenisches Tsunami Frühwarnzentrum in Valparaíso, DLR Prototyp für die räumliche Differenzierung der Warnung

Wissenschaftler des EOC errichten in der Atacamawüste, einer der trockensten Regionen der Erde, Messgeräte. Ziel der Forscher ist, Klimasignale und Indikatoren für eine verbesserte Tsunamifrühwarnung zu finden. Das European Southern Observatory (ESO) betreibt dort auf dem Paranal, im Norden Chiles, das Very Large Telescope array (VLT) dessen Infrastruktur das EOC für sein Vorhaben nutzen kann. Am 24.10.2017 wurde bei ESO in Garching ein entsprechender Kooperationsvertrag unterzeichnet.

Die Kooperation mit dem ESO erlaubt die Geräte an einem idealen Standort zu betreiben. Auf über 2600 Meter Höhe bietet das trockene Wüstenklima der Atacamawüste zum einen eine sehr klare Sicht auf den Nachthimmel, zum anderen können die Instrumente den Himmel über dem nur zwölf Kilometer entfernten Pazifik erfassen. Dieser Standortvorteil könnte neben den Klimasignalen einen erheblichen Geschwindigkeitsvorteil bei der Tsunamifrühwarnung bringen. Auch für das ESO ist die Kooperation von Vorteil. DLR-Wissenschaftler Prof. Bittner erläutert: "Wir erwarten, dass wir mit unseren Daten auch die Vorhersagen für das Astronomiewetter verbessern können. Eine entscheidende Informationsbasis für Astronomen, die wissen müssen, mit welchen Störungen sie bei ihren Beobachtungen zu rechnen haben". Prof. Stefan Dech, Direktor am EOC zeigt sich begeistert von den sich hier bietenden Chancen für die Erdbeobachtung: "Wenn es uns gelingt, die Instrumente auch in ein Tsunami-Frühwarnsystem für Chile zu integrieren, so kann diese Kooperation der Beginn einer ganz neuen Technologielinie werden, die eines Tages dann so auch auf Satelliten zum Einsatz kommen könnte".

Bei den Messgeräten handelt es sich um ein Spektrometer (GRIPS) und eine Infrarotkamera (FAIM). Sie messen das nachts von der Atmosphäre ausgehende Leuchten im Nahen Infrarot. Die für den Menschen nicht sichtbare Strahlung im Bereich von ca. 1,0 bis 1,5 Mikrometer stammt ganz überwiegend aus einer Höhe von etwa 90 Kilometer. Eine filigrane, nur wenige Kilometer dünne Schicht aus Hydroxyl (OH) umgibt hier den Planeten. Das Hydroxyl entsteht durch photochemische Reaktionen, an denen vorwiegend Ozon, atomarer Wasserstoff und atomarer Sauerstoff beteiligt sind. Das Besondere: die Bildungsvorgänge bewirken, dass das zweiatomige Hydroxyl-Molekül dabei in komplexe Rotations- und Schwingungsmoden versetzt wird. Diese innermolekulare Bewegung führt dazu, dass die OH-Schicht leuchtet. Das "Luftleuchten" oder "Airglow" ist im genannten Spektralbereich ganz besonders intensiv und daher vergleichsweise gut messbar. Die Messgeräte GRIPS und FAIM erfassen die Strahlung mit hoher zeitlicher und horizontaler Auflösung. Aus den so registrierten Emissionsspektren kann die Umgebungstemperatur in 90 km abgeleitet werden, da die angeregten Hydroxyl-Moleküle mit der restlichen Atmosphäre lokal ins thermodynamische Gleichgewicht kommen.

Klimaforschung

Die kontinuierliche Temperaturmessung an der Mesopause, fernab vom turbulenten Wettergeschehen in Stratosphäre erlaubt auch Aussagen über Temperaturveränderungen in Erdnähe. So führt mehr atmosphärisches Kohlendioxid in den unteren Stockwerken der Atmosphäre zu einer Erwärmung. In großer Höhe jedoch – dort, wo die EOC-Instrumente messen – führt das Kohlendioxid zu einer Abkühlung. Der Grund dafür liegt, vereinfacht dargestellt, darin, dass jedes Kohlendioxidmolekül bei einem Zusammenstoß mit anderen Molekülen der Atmosphäre einen Teil deren Bewegungsenergie aufnimmt und in Form von Wärmestrahlung abgibt. In den oberen Stockwerken der Atmosphäre kommt es dadurch zum „cooling-to-space“-Effekt. Die Atmosphäre kühlt hier aus, da die Wärmestrahlung durch die geringe Luftdichte (in 100 Kilometer Höhe etwa einhunderttausendmal geringer als am Erdboden) unmittelbar in den Weltraum entkommen kann.

Spannend daran ist der Umstand, dass diese Abkühlung um etwa eine Größenordnung stärker ausfällt als die Erwärmung am Erdboden. So können bereits geringe Veränderungen im Temperaturgefüge der Atmosphäre frühzeitig durch die Beobachtung der Temperaturentwicklung an der Mesopause in 90 Kilometer Höhe erkannt werden. Die Temperaturänderungen sind global uneinheitlich und folgen keinem einfachen linearen Trend. Es handelt sich um Temperaturvariationen auf verschiedenen Zeitskalen und mit unterschiedlichen Ursachen. Darunter zweijährige Variationen, die auf dynamische Prozesse im Erdsystem zurückgehen, bis hin zu Zyklen von mehreren Jahrzehnten, die eher auf extraterrestrische Vorgänge zurückzuführen sind. Zudem ändern sich die Temperaturen von Zyklus zu Zyklus. Auch scheint die geografische Breite eine Rolle zu spielen. Die Messungen auf dem Paranal werden helfen, die Zusammenhänge besser zu verstehen und diese "Klimasignale" zu entschlüsseln. Die Messungen werden Teil des internationalen Network for the Detection of Mesospheric Change, NDMC.

Atmosphärendynamik

Die hauchdünne Hydroxylschicht, die den Planeten umspannt, liefert nicht nur Hinweise auf globale Temperaturveränderungen, sondern reagiert auch auf Druckveränderungen in der Atmosphäre darunter. Trifft etwa eine horizontale Luftströmung an der Erdoberfläche auf ein Hindernis wie die Anden, wird sie zum Aufsteigen gezwungen. Die aufsteigenden Luftmassen kühlen dadurch allmählich ab, werden schwerer als ihre Umgebung, sinken darauf wieder ab, erwärmen sich dabei, werden wieder leichter als die Umgebungsluft und steigen infolgedessen wieder auf usw. Auf diese Weise entsteht eine in der Höhe schwingende Luftströmung, eine Schwerewelle. Durch die geringe Luftdichte in den oberen Stockwerken der Atmosphäre, wird die vertikale Auslenkung der Wellenberge und –täler mit zunehmender Höhe immer grösser und kann dort sehr deutlich gemessen werden.

Diese Wellen sind vergleichbar mit denen in unseren Meeren. Sie transportieren Energie und Impuls über große Strecken. Wenn sie brechen, so geben sie ihre Energie an die umgebende Atmosphäre ab. Diese Vorgänge sind jedoch in keinem aktuellen numerischen Modell der Atmosphäre explizit enthalten. Ihr Einfluss muss geschätzt werden (sog. "Parametrisierung"). Das macht die derzeit Modelle angreifbar. 

Der Paranal liegt quasi unmittelbar an einem Geburtsort von Schwerewellen. Durch die Messungen vor Ort können die Schwerewellen, ihre Wechselwirkungen untereinander und  entstehende Turbulenzen analysiert werden.

Tsunamieerkennung

Zu einer Druckveränderung in der Atmosphäre kommt es auch durch einen Tsunami. Die vertikale Anhebung des Meeresbodens und des Wasserkörpers staucht die Luftmassen über dem Ozean zusammen. Dieser Druckimpuls breitet sich dann als Infraschall-Welle aus und erreicht in nur sechs bis acht Minuten auch die luftleuchtende Schicht. Die Druckschwankung führt dort zu einem "Flackern" der Intensität, das durch die Messgeräte detektiert werden kann. Bei einem Seebeben mit horizontaler Auslenkung bleibt diese Druckschwankung aus. Dadurch liefern die Messungen binnen weniger Minuten nach einem Seebeben einen Hinweis, ob ein Tsunami ausgelöst wurde. So könnten künftig Fehlalarme vermieden werden und die Vorwarnzeit erheblich verkürzt werden. In Chile benötigt ein Tsunami weniger als eine halbe Stunde, bis er die Küste erreicht.

Literatur:
(siehe rechte Spalte unter Links)

1) Bittner, M., K. Höppner, C. Pilger, and C. Schmidt: Mesopause temperature perturbations caused by infrasonic waves as an early indicator for the detection of tsunamis and other geo-hazards, Nat. Hazards Earth Syst. Sci., 10, 1431-1442, 2010, doi:10.5194/nhess-10-1431-2010

2) Hannawald, P., C. Schmidt, S. Wüst, and M. Bittner: A fast SWIR imager for observations of transient features in OH airglow, Atmos. Meas. Tech., 9, 1461-1472, 2016, doi:10.5194/amt-9-1461-2016

3) Sedlak, R., Hannawald, P., Schmidt, C., Wüst, S., and Bittner, M.: High-resolution observations of small-scale gravity waves and turbulence features in the OH airglow layer, Atmos. Meas. Tech., 9, 5955-5963, 2016, doi:10.5194/amt-9-5955-2016

4) Schmidt, C., K. Höppner, and M. Bittner: A ground-based spectrometer equipped with an InGaAs array for routine observations of OH (3,1) rotational temperatures in the mesopause region, Germany, J. Sol. Terr. Atm. Phys., 102, 125-139, 2013, doi:10.1016/j.jastp.2013.05.001

5) Wüst, S., V. Wendt, C. Schmidt, S. Lichtenstern, M. Bittner, Jeng-Hwa Yee, M. G. Mlynczak, J. M. Russell III: Derivation of gravity wave potential energy density from NDMC measurements, Journal of Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics 138-139 (2016) 32-46, doi:10.1016/j.jastp.2015.12.003


Kontakt
Prof. Dr. Stefan Dech
Direktor DFD

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)

EarthObservationCenter(EOC)
DeutschesFernerkundungsdatenzentrum
, Leitung DFD
Weßling

Tel.: +49 8153 28-2885

Prof. Dr.rer.nat. Michael Bittner
Abteilungsleitung

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)

Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum
, Atmosphäre
Weßling

Tel.: +49 8153 28-1379

Links
NDMC - Network for the Detection of Mesospheric Change
1) Mesopause temperature perturbations caused by infrasonic waves as a potential indicator for the detection of tsunamis and other geo-hazards
2) A fast SWIR imager for observations of transient features in OH airglow
3) High-resolution observations of small-scale gravity waves and turbulence features in the OH airglow layer
4) A ground-based spectrometer equipped with an InGaAs array for routine observations of OH (3,1) rotational temperatures in the mesopause region
5) Derivation of gravity wave potential energy density from NDMC measurements
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