Jubiläen unterbrechen den Strom unserer schnelllebigen Zeit kurz und geben einen Blick sowohl zurück als auch in die Zukunft frei. Nach dem letztjährigen Großereignis – 40 Jahre DFD – steht zumindest für Neustrelitz das 25-jährige Jubiläum des Roboter-Archivs an. Vielleicht lohnt sich ein kurzer Blick zurück in diese spannende Zeit, die u.a. dadurch gekennzeichnet war, dass die Integration der Bodenstation Neustrelitz ins DFD weit vorangeschritten, aber keinesfalls beendet war. So eine Integration zweier, bis dahin autonom agierender Einheiten, bestehend aus materiellen Dingen, wie Informationsleitungen einerseits und Änderungen in der Verwaltung (Kostenträger) andererseits, muss aber parallel auch in den Köpfen aller Beteiligten stattfinden.
Zu dieser Zeit stand in der Raumfahrt ein Architektur-Übergang von missionsspezifischen Datenmanagement-Anlagen incl. Archiven zu Multimissions-Systemen an. Die Zeit des bloßen Nachweises „Wir können das“ war für künftige Missionen endgültig zu Ende. Die Faktoren Kosten und Nachhaltigkeit würden in Zukunft immer dominanter werden. Diese Entwicklung ging einher mit der technischen Entwicklung von nur manuell bedienbaren Speichern (z.B. HDDT=High Density Digital Tape) zu durch Tape-Library- (Roboter-) handhabbaren Speichermedien (Band-Kassetten) – Diese Technologien durchliefen gerade eine beeindruckende Wachstumsphase.
So eine Wachstumsphase ist wie eine kambrische Explosion. Man ist konfrontiert mit einem Wildwuchs an proprietären Lösungsansätzen in Bezug auf Speichermedien und -formate, Aufzeichnungsverfahren, Tape Libraries und spezielle Software, welche die genannten Hardware-Komponenten für eine effiziente Archivanwendung erst nutzbar machen konnte. Welche Kombination man auch gewählt hätte, Neuland war es in jedem Fall. Jede Entscheidung für bestimmte Lösungen konnte sich in wenigen Jahren als eine Sackgasse herausstellen. Zwar hatten die Kollegen in Oberpfaffenhofen aufgrund laufender (z.B. ERS-1) und anstehender Missionen (u.a. ENVISAT) einen Erfahrungsvorlauf, waren aber zu diesem Zeitpunkt auf eine Reihe von Problemen, hervorgerufen durch Kinderkrankheiten der neu eingesetzten Technik und deren Kombination, gestoßen. Nun musste in Neustrelitz das Missionsarchiv für die PRIRODA-MOMS-2P-Mission in kurzer Zeit in Betrieb genommen werden. Bei der Umsetzung der bestehenden Anforderungen begannen die Teams an beiden Standorten zusammenzuwachsen. 1995 etablierte man einen gemeinsamen Lenkungsausschuss, einigte sich auf Archive am jeweiligen Standort und auf eine initiale Arbeitsteilung beider Archive (Kurz- und Mittelfristarchiv am jeweiligen Standort einer Mission), Langfristarchiv in Oberpfaffenhofen. Bis auf Unterschiede in der Speicherkapazität sollten die Archive technisch gleich aufgebaut sein, um Synergie-Effekte weitestgehend ausnutzen zu können, wie
Federführend wurden diese und nachfolgende Arbeiten von Teams um Willi Wildegger und Hans-Jürgen Wolf (die „zwei Ws“) an beiden Standorten in Angriff genommen. Als Lehre aus den in Oberpfaffenhofen aufgetretenen Software-Problemen wurde die gemeinsam favorisierte HSM-Software (SAM-FS) eingehenden, gemeinsamen Tests unterworfen, bevor die Beschaffung ausgelöst wurde. Ohne diese Tests wäre das DFD nicht nur der „Entdecker“ von SAM-FS für den europäischen Markt gewesen, sondern auch deren erster operationeller Anwender (erster Nutzer in Berlin: TU Berlin, 10/95) gewesen.
So ging das Archiv in Neustrelitz im Mai 1996 in den operationellen Betrieb (Abnahme des Roboters 5.3.1996) und das DLR war zweiter Nutzer in Europa.
Die technischen Parameter des Archives in NZ in seiner ersten Ausbaustufe (76 GB RAID-System, 5,6 TB Gesamtkapazität ) können heute sicher nur ein Schmunzeln hervorrufen, da aktuell Band-Kassetten mit einer nativen Kapazität von 18 TB angeboten werden. Zum Vergleich beträgt die heutige Kapazität in Neustrelitz ca. 30 PB (Oberpfaffenhofen 50 PB). Auch haben die genannten Technologien vor allem im Band und Tape Library-Bereich einen rigorosen Konsolidierungsprozess durchlaufen, den nur noch wenige Anbieter überstanden haben.
Doch architektonisch unterschied sich das Archiv kaum von den heute im Einsatz befindlichen Systemen. Einige „Nebenprodukte“, vor allem die Speicherkonferenzen und die enge Zusammenarbeit der erwähnten Abteilungen des DFD, haben bis heute Bestand.
Abbildung 2: Die die „zwei Ws“ auf der Storagetechnology 2016+
Was zeigt uns der Blick in die Zukunft? Sicher wird das Know-how zum Archivierungsprozess großer Datenmengen und seine Anwendung für hoheitliche Fernerkundungsdaten Bestand haben. Doch vielleicht wird in naher Zukunft die flapsig formulierte Prognose von dem Cloud-basierten „Archiv aus der Steckdose“ Realität. Und vielleicht bedarf es wieder zweier „Ws“, die diesen Schritt für das DFD erfolgreich beschreiten werden.