De-Orbit Sail entfaltet
Seit dem Start des ersten Satelliten in eine Erdumlaufbahn haben Raumfahrtaktivitäten eine Vielzahl von Objekten im Erdorbit hinterlassen. Ihre Anzahl steigt stetig an. Dieser Weltraummüll ist ein unerwünschtes Nebenprodukt der Raumfahrt, weil er diese durch mögliche Kollisionen mit Satelliten und anderen Raumfahrtzeugen gefährdet, aber auch zu Schäden auf dem Erdboden führen kann. Der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt mitentwickelte Kleinsatellit De-Orbit Sail soll helfen, dieses Problem für zukünftige Missionen zu lösen. Am 10. Juli 2015 brachte eine indische PSLV-XL-Rakete den nur fünf Kilo schweren Satelliten vom Satish Dhawan Space Centre aus ins All. Sein Name gibt bereits einen Hinweis auf das Missionsziel: Der Test eines entfaltbaren Segels für das De-Orbiting von ausgedienten oder defekten Satelliten im niedrigen Erdorbit.
De-Orbit Sail gestaut
Raketenstart vom indischen Satish Dhawan Space Centre
Durch das sogenannte De-Orbiting sollen ausgediente oder defekte Satelliten aus dem niedrigen Erdorbit zum Verglühen zurück in die Erdatmosphäre gebracht werden. Ähnlich einem Fallschirm wird dazu ein Segel entfaltet, das den Satelliten kontinuierlich abbremst und dieser somit an Flughöhe verliert. Sobald der Satellit wieder in die Erdatmosphäre eintritt, verglüht er. Bremssegel sind hierbei eine besonders günstige Möglichkeit, da die Herstellungskosten niedrig sind und keine aktive Steuerung des Satelliten während des De-Orbit-Manövers erforderlich ist. Dadurch kann das System auch funktionsuntüchtige Satelliten und Oberstufen aus dem Weltall zurückholen.
„Die dominierende Herausforderung bei der Entwicklung solcher Segel ist, dass sie sehr leicht sein und sich extrem platzsparend zusammenfalten lassen müssen.“, sagt Ingenieur Martin Hillebrandt vom DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik. „Das quadratische Segel von De-Orbit Sail kann bei einer Seitenlänge von vier Metern zu einem kleinen Paket von nur 10 Zentimetern Kantenlänge zusammengelegt werden. Erst durch diese extreme Kompaktierung lässt es sich in dem Minisatelliten überhaupt unterbringen.“ Die Segelfolie ist gerade mal ein Zehntel so dick wie ein handelsübliches Blatt Papier und besteht aus einer mit Aluminium bedampften Kapton-Membran. Aufgespannt wird das Segel von vier ultraleichten Masten. Dank der geringen Materialdicke der Masten von nur 0,1 Millimeter wiegt ein drei Meter langes Exemplar gerade einmal etwas mehr als 50 Gramm. Dennoch lassen sie sich kompakt verstauen, indem sie flachgedrückt auf eine Spule aufgerollt werden. Eine extrem dünne Schicht Kohlenstofffasergewebe macht sie einerseits flexibel genug, um das Aufrollen unbeschädigt zu überstehen, gleichzeitig aber steif genug, um im abgerollten Zustand das Segel zuverlässig aufzuspannen. Entfaltet werden die Masten und somit auch die Segelmembran durch einen Elektromotor, der durch die Bordbatterie und die vier Solarpaneele des Satelliten mit Strom versorgt wird. Die speziellen Masten sowie ihr Entfaltungsmechanismus sind eine Entwicklung des DLR-Instituts für Faserverbundleichtbau und Adaptronik.
Nach dem erfolgreichen Abschluss der letzten Entfaltungstests des Segels im März 2015 befindet sich De-Orbit Sail aktuell in einem 700 Kilometer hohen, sonnensynchronen Orbit. Die vier Solarpaneele sind bereits ausgeklappt. Im nächsten Schritt soll nun das Bremssegel entfaltet werden.
Das De-Orbit Sail ist eine Gemeinschaftsentwicklung des DLR-Instituts für Faserverbundleichtbau und Adaptronik in Braunschweig und des DLR-Instituts für Raumfahrtsysteme in Bremen. Das EU-Projekt wird vom Surrey Space Centre der University of Surrey geleitet. Darüber hinaus sind verschiedene Universitäten, Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen aus England, Frankreich, Griechenland, den Niederlanden, Südafrika und Deutschland Projektpartner.