9. Dezember 2021
Forschende aus den DLR-Instituten für Future Fuels und Solarforschung haben im Forschungsprojekt PEGASUS zusammen mit europäischen Forschungspartnern einen Kreisprozess weiterentwickelt, mit dem sich Sonnenenergie in Schwefel speichern lässt. Sie haben außerdem untersucht, welche Anpassungen erforderlich sind, damit Gasturbinen Schwefel anstelle von fossilen Brennstoffen nutzen können, um CO2-frei Strom zu erzeugen.
Elementarer Schwefel (S) ist ein Ausgangsstoff von Schwefelsäure (H2SO4), eine der weltweit wichtigsten und meistproduzierten Grundchemikalien. Die chemische Industrie baut Schwefel entweder aus geologischen Lagerstätten ab, gewinnt ihn aus schwefelhaltigen Verbindungen der fossilen Energieträger Erdöl, Erdgas und Kohle oder aus sulfidischen Erzen. Aufgrund der begrenzten geologischen Vorkommen und wegen der sinkendenden Fördermengen von fossilen Brennstoffen wird es zukünftig immer bedeutsamer, den Schwefel nachhaltig in Kreislaufprozessen zu führen. In solchen Prozessen wird der Schwefel nicht verbraucht, sondern nach der Nutzung wieder zurückgewonnen.
Schwefel kann Sonnenenergie langfristig und mit geringen Energieverlusten speichern
Schwefel könnte zukünftig in Gas- und Dampfturbinenkraftwerken als Brennstoff eine Rolle spielen, um CO2-frei Strom zu erzeugen. Wirklich nachhaltig wird das Verbrennen des Schwefels aber erst dann, wenn die Emissionen in einen Schwefelkreisprozess eingehen, der über den Zwischenschritt der Schwefelsäure und mittels konzentrierter Solarenergie wieder frischen Schwefel erzeugt. Schwefel ist aufgrund seiner hohen Energiedichte ein vielversprechendes Speichermedium für solarthermische Kraftwerke. Seine Energiedichte ist 30 Mal höher als die von Salzschmelze, die in heutigen solarthermischen Kraftwerken Sonnenenergie als Hochtemperaturwärme aufnimmt, transportiert und speichert. Ein weiterer Vorteil von Schwefel ist, dass Schiffe, Eisenbahnwagons oder Lastwagen den Schwefel als Pulver oder in flüssiger Form leicht transportieren können. Auch das Lagern von Schwefelsäure und Schwefel ist für die chemische Industrie ein gängiges Verfahren: spezielle Tanks nehmen die Schwefelsäure auf, Schwefel wird einfach auf Halden gelagert. Mit erneuerbarer Energie erzeugter Schwefel scheint daher bestens als Ersatz für fossile Brennstoffe wie Kohle und Gas geeignet, um grundlastfähigen Strom zu erzeugen. Noch zu erforschen ist jedoch das Recyceln der Schwefelsäure mittels konzentrierter Solarstrahlung sowie das Verfahren der Disproportionierung, das die Produkte der Schwefelsäurespaltung in Schwefel umwandelt. Darüber hinaus ist die Weiterentwicklung der konventionellen Schwefelverbrennung für den Einsatz in Gasturbinen ein relevantes Forschungsthema. Die bei der Schwefelsäuregewinnung genutzten Schwefelbrenner verbrennen den Schwefel unter Umgebungsdruck. Sollen die dabei entstehenden Gase eine Turbine antreiben, muss der Brenner jedoch bei ausreichend hohem Druck arbeiten. Bisher sind dafür noch keine geeigneten Brenner verfügbar.
Ein Hybridkraftwerk mit solarthermischem Teil und angeschlossener schwefelbefeuerter Gasturbine könnte 24/7 erneuerbaren Strom produzieren
Im PEGASUS-Projekt haben Forschende von DLR, KIT und europäischen Partnerunternehmen Teile eines chemischen Schwefelkreisprozesses untersucht, um Sonnenenergie in Schwefel zu speichern (siehe Abbildung).
Ist eine solarthermische Anlage in den Schwefelkreislauf eingebunden, kann sie aus konzentrierter Solarstrahlung die hohen Temperaturen bereitstellen, die für das Spalten von Schwefelsäure erforderlich sind. Im Projekt PEGASUS wurde dafür die Partikeltechnologie des DLR eingesetzt, die keramische, sandförmige Partikel mit konzentrierter Solarenergie erhitzt. Sie speichern die Wärme und übertragen sie an einen Schwefelsäurespaltungsreaktor. Die entstehenden Spaltprodukte Schwefeldioxid (SO2) und Wasser (H2O) sind im angeschlossenen Verfahren der Schwefeldioxid-Disproportionierung die Ausgangsprodukte, um frischen Schwefel zu gewinnen. Er kann entweder gelagert oder in einer geeigneten Gasturbine zur Stromerzeugung verbrannt werden. Als Verbrennungsprodukt entsteht hierbei wiederum Schwefeldioxid (SO2), welches konventionellen Schwefelsäureanlagen zugeführt wird. Dort entsteht im sogenannten Kontaktverfahren frische Schwefelsäure und eine große Menge Abwärme, die einen Dampfturbinenprozess antreibt, der zusätzlichen Strom erzeugt. Die frische Schwefelsäure steht erneut der Schwefelsäurespaltung zur Verfügung. Bei vorhandener Solarstrahlung kann das solare Schwefel-Kraftwerk einen Überschuss an Schwefel produzieren. In Zeiten mit besonders hoher Stromnachfrage oder wenn die Sonne nicht scheint, zum Beispiel bei Wolkendurchzug oder während der Nacht, ermöglicht der gelagerte Schwefel einen kontinuierlichen Betrieb des Kraftwerks, das dann einen Überschuss an Schwefelsäure produziert.
Die Stromerzeugung mittels Schwefelverbrennung kann je nach Bedarf kontinuierlich im 24-Stunden-Betrieb erfolgen. Der Kreisprozess ermöglicht es, mit konstanter Produktionsrate erneuerbaren Grundlaststrom zu erzeugen, während Schwefelsäure und Schwefel als Energieträger dienen und praktisch verlustfrei im Kreis geführt werden. Es ist sogar denkbar, die solarthermische Anlage mit Schwefelproduktion an einem Solarstandort in der Wüste zu betreiben und den Schwefel von dort in Regionen ohne ausreichende Sonneneinstrahlung wie Deutschland zu transportieren, um dort Strom und Schwefelsäure zu produzieren.
Pilotbetrieb der Solaranlage in DLR-Hochleistungsstrahler Synlight
Im Projekt PEGASUS ging es den Forschenden vor allem darum, den Teilprozess der solaren Schwefelsäurespaltung und den Einsatz von Schwefel als Brennstoff in Gasturbinenkraftwerken zu testen. Der hohe Innovationsgrads der beiden Teilprozesse stellte hohe Anforderungen an die Forschenden. Nie zuvor wurden beispielsweise solar erhitzte Partikel eingesetzt, um Schwefelsäure zu spalten. Auch die Verbrennung von Schwefel bei erhöhtem Druck für die Nutzung in Gasturbinen wurde bisher noch nicht untersucht.
Um die für die solare Schwefelsäurespaltung günstigen hohen Temperaturen von circa 900 Grad Celsius zu erreichen, kombinierten die Forschenden einen neu entwickelten Schwefelsäurespaltungsreaktor mit einem zuvor im DLR-Institut für Solarforschung entwickelten Solarstrahlungsempfänger mit keramischen Partikeln als Wärmeträger- und Speichermaterial.
Bei einem Partikelreceiver übernehmen kleine Keramikpartikel die Aufnahme und den Transport der eingestrahlten thermischen Leistung, um daraus Strom und industrielle Prozesswärme zu generieren. Die zuvor als Wärmeträgermedium verwendeten Flüssigsalze erreichten nur Temperaturen von ungefähr 550 Grad Celsius. Die heißen Keramikpartikel ermöglichen es Kraftwerksbetreibern, mit deutlich höheren Prozesstemperaturen von über 900 Grad zu arbeiten, was zu höheren Wirkungsgraden und damit geringeren Stromgestehungskosten führt.
Für den Demonstrationsbetrieb installierten DLR-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen für den Prozess entwickelten Prototypen des Partikelreceivers CentRec im DLR-Hochleistungsstrahler Synlight in Jülich. Im gleichen Zeitraum untersuchten sie in einem Labor des DLR die Integration der Schwefelsäurespaltung in den Schwefel-Kreisprozess.
Als zentrales Projektergebnis konnten die Forschenden alle wesentlichen Schritte des Prozesses der solaren Schwefelsäurespaltung unter Einsatz solar erhitzter Partikel demonstrieren:
„Es ist uns gelungen, alle wichtigen Elemente der Prozesskette für die Schwefelsäurespaltung mit Solarpartikeln zu entwickeln und zu demonstrieren, um so den Weg für ein zukünftiges CO2-freies Schwefelsäurerecycling mittel Solarenergie aufzuzeigen“, resümiert Dennis Thomey aus dem DLR-Institut für Future Fuels. „Unsere Projektpartner am KIT entwickelten die Schwefelbrennertechnologie mit Experimenten an einem neuen Prototyp für den Druckbetrieb in Gasturbinen entscheidend weiter.“
Mit dem Disproportionierungsverfahren befassen sich Forschende des DLR-Instituts für Future Fuels im assoziierten NRW-geförderten Projekt BaSiS. Der solare Zentrifugalreceiver mit seinem integrierten thermischen Speicherkonzept soll dann mit einem neu entwickelten Wanderbett-Partikelreaktor für die Schwefelsäurespaltung verbunden werden.
Das Projekt PEGASUS erhielt Fördermittel in Höhe von 4,7 Millionen Euro aus dem Horizon 2020 Programm der europäischen Kommission. Zunächst war das DLR-Institut für Solarforschung Koordinator des Projekts. Mit Gründung des Instituts für Future Fuels aus dem Institut für Solarforschung ging die Projektleitung auf das neue Institut über. (→ zur Projekt-Webseite)
Weitere Projektpartner:
Das griechische Forschungsinstitut APTL/CERTH lieferte die die Katalysatormaterialien für die Schwefelsäurespaltung. Die deutsche Forschungsuniversität KIT entwickelte den Schwefelbrenner für die hohen geforderten Drücke. Die Tests des Schwefelbrenners fanden am KIT in Karlsruhe statt. Das polnische Unternehmen Baltic Ceramics war zunächst für die Herstellung hochentwickelter keramischer Partikel verantwortlich, verließ das Projekt jedoch nach drei Jahren. Die italienische Firma Processi Innovativi, welche inzwischen in NextChem umbenannt wurde, war für die Prozesssimulation und die techno-ökonomische Studie zuständig. Das israelische Unternehmen BrightSource hat das Solarfeld ausgelegt, Beiträge zur Prozesssimulation geliefert und hat die Rolle als zukünftiger Endanwender ausgefüllt.