Im Projekt NICo (Next Generation Intelligent Cockpit) werden das Konzept und die Architektur eines zukünftigen, hochautomatisierten Cockpits entwickelt und in mehreren Simulatorstudien im Cockpitsimulator GECO (Generic Experimental Cockpit) und im Full Motion Simulator AVES (Air Vehicle Simulator) untersucht. Ausgewählte NICo-Systeme werden durch Flugversuche im DLR-Forschungsflugzeug ISTAR (In-flight Systems and Technology Airborne Research) demonstriert.
Im Projekt NICo werden zukünftige Single Pilot Operations, also Flüge mit nur einem Piloten im Flugzeug, untersucht und ein neuer, in Teilen auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierender Virtual Co-Pilot entwickelt. NICo betrachtet auch die neuen Möglichkeiten, die aus der stark zunehmenden Vernetzung des Flugzeugs mit anderen Verkehrsteilnehmern sowie mit der Flugsicherung (Air Traffic Control) und dem Airline Operation Center entstehen. Die Möglichkeit eines Remote Co-Pilot, der den Flugverlauf vom Boden aus begleitet und ggf. die Kontrolle über das Flugzeug übernimmt, wird ebenfalls untersucht. Die Forschungsergebnisse sollen kurzfristig auch zur Arbeitserleichterung und zur Steigerung der Sicherheit im heutigen Zweipilotenbetrieb (Multi Pilot Operations) beitragen.
Die zukünftigen Systeme und Verfahren werden großen Einfluss auf die aktuelle Arbeitsweise im Cockpit und am Boden haben. Deshalb wird sich NICo auch mit den daraus resultierenden Auswirkungen beschäftigen, die die Piloten und Remote Co-Piloten betreffen. Ebenfalls untersucht wird das daraus entstehende veränderte Anforderungsprofil für zukünftige Piloten.
Cockpitsimulator GECO (links) und Full Motion Simulator AVES (rechts)
Herausforderungen durch Single Pilot Operations
Single Pilot Operations sind seit einiger Zeit besonders in der kommerziellen und militärischen Luftfahrt ein Begriff. Single Pilot Operations stellen besondere Anforderungen an die Piloten. Erhöhte Arbeitslast, höhere Verkehrsdichten, die Integration von anderen Verkehrsteilnehmern in den Luftraum oder auch eine zunehmende Gefährdung durch Wetterphänomene erfordern eine weitergehende Unterstützung der Piloten und eine stärkere Vernetzung des Flugzeugs mit seinem Umfeld. Durch Konzepte wie die eines intelligenten Virtual Co-Pilot und eines Remote Co-Pilot kann diese notwendige weitergehende Unterstützung realisiert werden. Weitere, aufeinander abgestimmte Assistenzfunktionen können die Belastung der Piloten reduzieren und so ihre Leistungsfähigkeit und damit auch die Sicherheit des Fluges im Zusammenspiel mit der Automatisierung deutlich steigern. Eine zusätzliche Herausforderung ist das Fehlermanagement, das aktuell im Zweimann-Cockpit (Multi Pilot Operations) höchste Anforderungen an die Besatzung stellt. In zukünftigen Single Pilot Operations muss sichergestellt sein, dass Systemfehler weiterhin sowohl zügig als auch sicher bearbeitet und die bestmöglichen Entscheidungen getroffen werden, sodass die Flugsicherheit zu keiner Zeit gefährdet ist.
Zusätzlich zu den internen Faktoren, etwa möglichen Systemfehlern im Flugzeug, müssen die Piloten auch die externen Gefahrenfaktoren für den geplanten Flug bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen. Dies beginnt beim aktuellen und zukünftigen Wetter (Gewitter, Wirbelschleppen, Vereisung) und geht über schwieriges Gelände, hohe Verkehrsdichte in der Luft bis hin zu anspruchsvollen Start- und Landebedingungen.
Unterstützung durch einen Virtual Co-Pilot
Zur Unterstützung und Entlastung der Piloten wird in NICo ein virtueller Co-Pilot auf Basis Künstlicher Intelligenz entwickelt. Die Interaktion des Piloten mit dem Virtual Co-Pilot muss so einfach wie möglich sein. Zukünftige Funktionen des Virtual Co-Pilot müssen nicht nur intuitiv bedienbar, sondern auch in ihrem Verhalten für den Piloten verständlich und nachvollziehbar sein.
Die NICo-Forschungsarbeiten zu zukünftigen Cockpitfunktionen für einen Virtual Co-Pilot werden sich einerseits auf die Schnittstelle zum Piloten konzentrieren und andererseits auf automatisierte Funktionen zum Fehlermanagement und zur Mitigation von Notfallsituationen.
Die Fehleranalyse- und Diagnosefähigkeiten des Virtual Co-Pilot liefern auch die Grundlage für eine bessere Mensch-Maschine-Interaktion bei Fehlerfällen in aktuellen Multi Pilot Operations. Es ist von besonderem Interesse, bessere Lösungen für komplexe Fehlerfälle zu finden, insbesondere bei Fehlern, die viele Folgefehler nach sich ziehen. Aktuell würden die Piloten in einem solchem Fall mit einer extrem großen Anzahl an Fehlermeldungen überflutet. Deshalb soll ein System entwickelt werden, das eine fusionierte Systemfehlerdiagnose durchführt und den Fokus bei der Darstellung der Fehler auf die verbleibenden Fähigkeiten des Flugzeugs legt. Auf Basis dieser verbleibenden Fähigkeiten soll der Virtual Co-Pilot dann dem oder den Piloten unter Berücksichtigung äußerer Randbedingungen, wie z. B. Wetter- und Verkehrslage, bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Um zukünftige automatische Funktionen robust gegen Systemfehler (insbesondere Sensorfehler) zu machen, soll es zudem in der Lage sein, bei Ausfall einzelner Sensoren Ersatzwerte aus den noch vorhandenen Sensoren zur Verfügung zu stellen (analytische Redundanz). Gerade die Überwachung der Luftdatensysteme spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Die Luftdatenmessungen sind aufgrund äußerer Umweltbedingungen (Vereisung, Verstopfung) anfälliger und haben in der Vergangenheit zu schweren Vorfällen in der Luftfahrt geführt.
Unterstützung durch einen Remote Co-Pilot
Eine weitere Möglichkeit zur Unterstützung der Piloten ist das Remote Co-Pilot Konzept. Im Projekt NICo wird diese besondere Art der Unterstützung vom Boden parallel zum Virtual Co-Pilot erforscht.
Ausgewählte Funktionen, die als besonders wichtig und hilfreich für Remote Pilot Operations identifiziert wurden, werden prototypisch umgesetzt. Die hilfreichen Funktionen werden nicht nur langfristig für die Single Pilot Operations entwickelt, sondern sollen auch schon in aktuellen Zweimann-Cockpits die Arbeitslast verringern. Der Einsatz eines Remote Co-Pilot erfordert ein Umdenken bei den klassischen Cockpit-Layouts im Flugzeug sowie eine Betrachtung der notwendigen Kontrollstation für den Operator am Boden. Die Erforschung zukünftiger Mensch-Maschine-Schnittstellen und die Entwicklung optimierter Verfahren stehen im Fokus.
Ein Remote Co-Pilot wird gleichzeitig für mehrere Single-Pilot-Flugzeuge zuständig sein. Das Remote Pilot Center wird die Bodenunterstützung für mehrere Flugzeuge übernehmen. Fragen zur optimalen Gestaltung des Centers, Übergaben von Flugzeugen zwischen den Piloten und Verfahren im Notfall werden in NICo bearbeitet. Bedingt durch die räumliche Trennung zwischen den Piloten im Flugzeug und am Boden kommt der sicheren Datenlink-Kommunikation eine zentrale Bedeutung zu. Entsprechende Systemanforderungen und Sicherheitsbetrachtungen werden durchgeführt. Da die Informationsgewinnung und der Informationsaustausch über Datenlinks zwischen Bord und Boden und auch zwischen mehreren Flugzeugen Kernbestandteil der Konzepte in NICo sind, werden zusätzlich Aspekte der Datensicherheit betrachtet.
Das Gesamtsystem Pilot-Maschine und die Anforderungen an Piloten
Durch NICo soll die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems Pilot-Maschine gesteigert werden. Dazu werden die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit, der sogenannten „Human Performance Envelope“ adressiert, die Akzeptanz eines Virtual Co-Pilot bzw. der Interaktion von Piloten und Künstlicher Intelligenz im Cockpit berücksichtigt und durch geeignete Interaktionsmechanismen gesteigert („Erklärbare KI“).
Die für NICo nach jetzigem Wissensstand prognostizierten Konzepte wirken sich unmittelbar auf den Karriereverlauf eines Piloten aus. Die „Kapitän und First-Officer-Beziehung“ wird aufgelöst und die Piloten erhalten als Single-Pilot sofort die volle Verantwortung. Damit ändern sich die Anforderungen für die Auswahl geeigneter Kandidaten. Auf Basis von Umfragen und Simulatorstudien wird das veränderte Anforderungsprofil zukünftiger Piloten, die mit dem Virtual Co-Pilot oder dem Remote Co-Pilot zusammenarbeiten werden, definiert.
Im Laufe von NICo sind zusammen mit Berufspiloten mehrere Simulationskampagnen mit steigender Komplexität vorgesehen. Ausgewählte Systeme sollen dann im Flugtest mit dem ISTAR demonstriert werden.
DLR ISTAR
Institut für Flugführung (FL) Institut für Flugsystemtechnik (FT) Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin (ME) Institut für Kommunikation und Navigation (KN) Institut für Physik der Atmosphäre (PA) Einrichtung Flugexperimente (FX)