Am Institut für Flugführung in der Abteilung Lotsenassistenz wird im Rahmen einer Promotion ein neues Forschungsfeld aufgebaut, die Sonifikation in der Flugsicherung. Sonifikation beschreibt das grundsätzliche Vorgehen, verschiedenste Formen von Daten durch unterschiedliche musikalische Parameter, wie z.B. Tonhöhe, Lautstärke, Klangfarbe, oder andere musikalische Mittel darzustellen. Eine wichtige Fragestellung innerhalb der Sonifikation ist, wie und in welcher Form, Daten in auditive Informationen umgewandelt werden können, damit durch diesen Transfer- und Transformationsprozess ein Mehrwert an Informationen für den Hörenden entstehen kann.
Gerade wenn es um die klangliche Beschreibung von Bewegung im Raum geht, ist der akustische Kanal umfangreicher ausgestattet als unser visueller Kanal. So ermöglicht uns unser Ohr zu jeder Zeit und unabhängig davon, in welche Richtung wir schauen, Klänge aus verschiedenen Richtungen zu orten. Dabei werden Tonhöhen, Lautstärken und verschiedenste Klangqualitäten Bedeutungszuordnungen zugeschrieben, die uns dabei helfen, auf unsere Umwelt in einer jeweiligen Situation sinngerecht zu reagieren. Ein brüllender Löwe, ein plötzlicher, sehr lauter Donnerschlag, das leise Rasseln einer Klapperschlange werden uns sekundenschnell alarmbereit machen, während das leise Rauschen der Blätter oder das Blubbern eines Flusses beruhigend und entschleunigend wirken.
Newman Scoring Stage, 21th Century Fox in Los Angeles
Wir können also wichtige Informationen aus unserer Lautsphäre (engl. Soundscape) gewinnen, die uns helfen, uns in dieser Welt zurechtzufinden oder auch direkt auf Gefahren zu reagieren. Der Begriff Lautsphäre wurde vor allem durch den kanadischen Komponisten und Klangforscher Murray Schafer bekannt. Angelehnt an die „Landschaft“ soll die Lautsphäre eine akustische Perspektive sein, nicht nur unter ästhetischen, sondern auch mit historischen, geographischen und kulturellen Aspekten (aus Schafers Buch "The Tuning of the World"). Jede Lautsphäre hat ihre eigene klangökologische Zusammensetzung, d.h. sie beschreibt, welche Klänge in ihr existieren und wie diese Klänge miteinander in Beziehung treten können. So können wir in der Lautsphäre einer ländlichen Gegend andere Klänge wahrnehmen, als wir dies in einer lauten Großstadt können.
Musikalische Untermalung zur Steigerung des Situationsbewusstseins bei Monitoring-Aufgaben
Innerhalb der Flugsicherung gewinnen diese Bereiche ebenfalls mehr und mehr an Bedeutung. Betrachtet man die derzeitige Situation der Fluglotsen, wäre eine zusätzliche Einbindung des akustischen Kanals vermutlich nicht sinnvoll, da dieser bereits durch den Sprechfunk zwischen dem Piloten und Lotsen voll ausgelastet ist. Die Sonifikation ist für ein Szenario in der Zukunft angedacht, bei dem sich die Rahmenbindungen verändern werden. In diesem Zukunftsszenario soll ein Datenlink (CPDLC) zwischen Luft- und Bodensegmenten als primäre und die Sprache nur als sekundäre Kommunikationsart verwendet werden. Zudem konnte in verschiedenen Untersuchungen festgestellt werden, dass die Vigilanz (Wachheit) bei Monitoring-Aufgaben mit der Zeit sinkt. Hierbei könnte die Entwicklung einer Lautsphäre eine mögliche Maßnahme sein, um den Fluglotsen in dieser zukünftigen Umgebung bei Monitoring-Aufgaben zu unterstützen.
Die Sonifikation der Luftverkehrssituationen soll in diesem Zusammenhang in eine quasi filmmusikalische Repräsentation und eine Lautsphäre übertragen werden, die es einem Centerlotsen ermöglichen soll, seine Aufmerksamkeit auf spezifischen Problemfelder zu richten. Eine mögliche, bedrohliche Situation wäre in diesem Zusammenhang zwei sich kritisch annähernde Flugzeuge. Um hierzu ein akustisches Äquivalent zu finden, könnten wir uns zum Beispiel das berühmte 2-tönige Motiv aus der Filmmusik zum Weißen Hai von John Williams vorstellen, dass uns mit seiner dissonanten Klanglichkeit nichts Gutes verheißen lässt. Während die Badegäste noch ihrem Wasserspaß nachgehen, nähert sich der Hai, Note für Note, und wir als Zuschauer werden uns der Gefahr bewusster, in dem das Tempo langsam, aber stetig schneller und schneller wird. Das visuelle Geschehen, vor allem in diesem Fall das, was wir nicht sehen können, da es unter dem Wasser spielt, wird hier musikalisch in voller Intensität dargestellt. Man könnte sogar sagen, dass erst durch die bedrohliche Musik man sich der Gefahr bewusst wird. Es können aber auch Situationen verklanglicht werden, die weitaus weniger bedrohlich sind, deren Kenntnis aber dennoch hilfreich sein könnte. So könnten beispielsweise der Einflug in einen Sektor oder auch Steig- und Sinkbewegungen dargestellt werden, um dem Operateur zusätzlich akustische Hinweise (Cues) über die Luftverkehrssituationen zu geben. Die Verklanglichung der Daten soll hier also einerseits der Steigerung des Situationsbewusstseins bei Monitoring-Aufgaben dienen und damit mögliche Hinweise zu Handlungsempfehlungen geben sowie andererseits auf bestimmte Problemfelder auf dem Display hinweisen und dadurch die Arbeit in der Flugsicherung effizienter und sicherer machen.