Was ist ein Tragschrauber?
Ein Tragschrauber, auch Gyrokopter genannt, ist ein Drehflügler, bei dem der Rotor nicht wie bei einem Helikopter durch das Triebwerk, sondern durch die anströmende Luft in Drehung versetzt wird. Dieser Zustand wird Autorotation genannt. Erste erfolgreich fliegende Tragschrauber wurden bereits 1923 von dem Spanier Juan de la Cierva entwickelt, jedoch bald durch den Helikopter verdrängt. In den letzten Jahren haben Tragschrauber vor allem als Sportgerät erneut an großer Beliebtheit gewonnen. So waren Anfang 2014 in Deutschland über 500 Tragschrauber bis 560 kg Start- bzw. Landegewicht zugelassen.
Durch seine besonderen Eigenschaften birgt der Tragschrauber großes Potenzial zur professionellen Nutzung, beispielsweise im Einsatz für die Polizei, den Grenz- oder Küstenschutz, in Katastrophengebieten oder in der Landwirtschaft.
Abbildung 1: Vorwärtsflug eines Tragschraubers und eines Helikopters im Vergleich
Ein Luftfahrzeug mit außergewöhnlichen Eigenschaften
Abbildung 2: Der zweisitzige MTOsport
Als Verwandter des Helikopters weist der Tragschrauber sehr vielfältige Flugeigenschaften auf. So zeichnet er sich durch seine extreme Langsamflugfähigkeit und hohe Wendigkeit aus. Dabei kann es im Flug nicht, wie bei einem Flächenflugzeug, zu einem folgenschweren Strömungsabriss kommen.
Kurze Start- und noch kürzere Landestrecken (10-50 m) ermöglichen es dem Tragschrauber beinahe senkrecht zu starten und bei steilen Anflügen zu landen.
Da bei einem Ausfall des schuberzeugenden Propellers der Rotor in Autorotation verbleibt und so ein sicheres und langsames Landen ermöglicht, gilt der Tragschrauber als eines der sichersten Fluggeräte.
Auch bei starkem Wind oder Turbulenzen verhält sich der Tragschrauber ruhig und ist so sicher fliegbar.
Abgesehen von den guten Flugeigenschaften, sind Betrieb und Wartung des Tragschraubers aufgrund der einfachen Mechanik und dem geringen Kraftstoffverbrauch sehr viel kostengünstiger als bei einem vergleichbaren Helikopter. Durch seine Kompaktheit und die Möglichkeit der Demontage der Rotorblätter, hat der Tragschrauber einen sehr geringen Platzbedarf und ist auf einem Autoanhänger leicht transportierbar.
Forschung am DLR
Die andauernde Verbreitung und das interessante Eigenschaftsprofil des Tragschraubers führten auch am Institut für Flugsystemtechnik zu einem verstärkten Interesse an der Erforschung seiner Flugdynamik. Durch den Einsatz von Simulationsmodellen und aus Flugexperimenten gewonnenen Daten konnten im Laufe der letzten Jahre erhebliche Fortschritte gemacht werden, die Flugeigenschaften des Tragschraubers umfassend zu erforschen und gleichzeitig einzigartige Forschungsanlagen zu errichten. Dabei wurden und werden folgende ingenieurwissenschaftliche Zielsetzungen verfolgt:
Flugexperimente
Der Cavalon GTD (Gyroplane Technology Demonstrator) ist seit 2013 im Flugbetrieb des DLR und wird in Zusammenarbeit mit dem Technischen Hilfswerk im Rahmen des Projekts „Einsatz von Tragschraubern für Katastrophenschutz und Rettungseinsatz“ verwendet. Ziel des Projekts ist ein Bericht zur Einsetzbarkeit des Tragschraubers im täglichen Gebrauch, welcher nichtpolizeilichen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben zur Verfügung gestellt wird.
Der MTOsport wird durch die Fluggruppe des DLR (http://www.dlr-fg.de) betrieben und wurde für Flugmessprogramme zur Validierung der entwickelten Simulationsmodelle und zur Modellierung der Flugdynamik des Tragschraubers 2010 und 2012 eingesetzt.
Von besonderem Interesse waren hierbei die Schlagbewegung des Rotorsystems mit zentralem Schlaggelenk in allen Flugsituationen, sowie das sogenannte Bladeflapping am Boden.
Zur Ausrüstung des Tragschraubers mit der entsprechenden Messtechnik wurde der hintere Passagiersitz ausgebaut und durch eine Inertialplattform ersetzt, die Messdaten für Lagewinkel, Drehgeschwindigkeiten und Beschleunigungen des Flugzeugrumpfes liefert. Gleichzeitig wurden noch andere wichtige Flugdaten aufgenommen.
Eine Besonderheit war die Messung der Stellung der Rotorblätter in der Drehebene und der Schlagwinkel der Rotorblätter, welche über zwei Lasersensoren am Mast des Rotors abgegriffen wurden.
Zusätzlich wurde ein ca. zwei Meter langer Nasenmast am Rumpf installiert, um von Rumpf- und Rotoreinflüssen möglichst ungestörte Messungen für Anstell- und Schiebewinkel des Tragschraubers zu erhalten.
Folgende Manöver wurden geflogen:
Flugmessprogramm 2010
Flugmessprogramm 2012
Rotorhandling am Boden
Horizontalflug von 40-180 km/h
Start, Landung
Steig- und Sinkflug
Senkrechte Autorotation
Sinkflug mit abgestelltem Triebwerk
Dynamische Steuereingaben in Roll-, Nick- und Gierachse
Lastwechsel (Beschleunigen/Verzögern)
Schiebeflug
Flug in 10.000 ft
Seitengleitflug bei unterschiedlichen Fluggeschwindigkeiten (bis Vollausschlag des Seitenruders);
Seitengleitflug mit abgestelltem Triebwerk
Bladeflapping am Boden
Steilspiralen zur Bestimmung des maximal erreichbaren Lastvielfachen (2.000 und 8.000 ft)
Trainingssimulator
In dem vom Innovationsfonds Niedersachsen geförderten Projekt „GyroTrain“ (2009 bis 2012) wurde die Trainingseffektivität von Flugsimulatoren für Tragschrauber untersucht. Neben verschiedenen Simulationsmodellen, die für Entwicklungszwecke, zur Offline-Simulation, zur Linearisierung und Parameterschätzung mit der Software Simulink programmiert wurden, wurde auch ein Modell zur Echtzeitsimulation eines Tragschraubers vom Typ MTOsport im Trainingssimulator entwickelt und mit dem Flugmessdaten aus den Flugversuchen validiert.
Der Simulator wird nicht nur zum Pilotentraining eingesetzt, sondern auch dazu verwendet, verschiedene, teils in der Realität lebensgefährliche, Flugmanöver zu untersuchen und die Reaktion des Tragschraubers darauf zu erfassen. Zudem bietet er die Möglichkeit die Flugeigenschaften des Tragschraubers in neuen Konfigurationen, wie zum Beispiel mit zusätzlich angebrachten Auftriebsflächen, zu erforschen.
Ausblick
Eine umfassende Kenntnis der Flugdynamik von Tragschraubern zu erlangen ist eine bedeutsame Aufgabe, welche noch immer einen großen Forschungsbedarf zeigt. Aus diesem Grund wird am Institut für Flugsystemtechnik stetig geforscht, optimiert und entwickelt, um das Potenzial des Tragschraubers zu nutzen.
So wird in diesem Jahr die Zusammenarbeit mit dem THW fortgesetzt, um die Einsetzbarkeit des Tragschraubers in Katastrophengebieten unter Beweis zu stellen.
Die entwickelten Simulationsmodelle werden genutzt, um die Auslegung eines neuen Tragschraubers zu unterstützen, wie etwa bei der aktuellen Konzeptstudie eines zweimotorigen Tragschraubers. Die vorhandenen Simulationsmodelle werden beispielsweise mit zusätzlichen Auftriebsflächen, einem zweiten Motor oder einem höheren Gewicht ausgestattet und verschiedene Manöver, wie ein verändertes Startverfahren, in Simulationen untersucht. Die so gewonnen Daten ermöglichen auch eine optimale Vorbereitung der anschließenden Flugversuche.
Abbildung 8: Die Konzeptstudie eines zweimotorigen Tragschraubers
Partner
Simtec Systems GmbH
AutoGyro GmbH
Technisches Hilfswerk
Universität der Bundeswehr München