Bestimmung thermischer Ausdehnungskoeffizienten dimensional hoch-stabiler Materialien von 150 Kelvin bis 350 Kelvin
Einführung
Materialien ändern ihre geometrischen Abmessungen abhängig von Temperaturänderungen. Dies lässt sich mit dem linearen thermischen Ausdehnungskoeffizienten (CTE, engl. coefficient of thermal expansion) CTE_linear = ΔL·1/ΔT·1/ΔL beschreiben. Hierbei ist ΔL die Längenänderung, welche durch die Temperaturänderung ΔT in der Materialprobe mit der Länge L verursacht wird. Hohe dimensionale Stabilität wird für verschiedene terrestrische und weltraumgestützte Anwendungen benötigt. Für Weltraummissionen wie NGO/LISA oder GRACE-FO wird eine Stabilität der optischen Systeme im Pikometer- bzw. Nanometer-Bereich benötigt, um die Missionsanforderungen zu erfüllen. Materialien mit solch geringen CTEs sind selten. Glaskeramiken wie Zerodur oder Clearceram besitzen einerseits eine hohe thermische Stabilität aber andererseits eine hohe Masse. Leichter sind dagegen Materialien wie Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (CFRP, engl. carbon fiber reinforced plastic). Der CTE kann angepasst werden zu Werten unterhalb von 10-7 K-1 einer geometrischen Ausdehnung.
Um CTEs mit einer Genauigkeit von 10 ppb/K messen zu können, wird nicht nur ein hoch sensitives Messsystem benötigt, sondern auch eine thermisch und mechanisch stabile Probenaufnahme für die Materialprobe und dazu passende Spiegelhalterungen. Das entwickelte Messsystem verwendet ein Heterodyn-Interferometer, um die Verschiebung der beiden Spiegel zu messen, welches durch die Expansion der Materialprobe hervorgerufen wird. Die Probenaufnahme besteht aus Zerodur, um eine hohe mechanische Stabilität und eine minimale thermische Abhängigkeit zu gewährleisten. Die Messspiegel werden mit Klammern aus Invar36 in die rohrförmige Materialprobe geklemmt. Die Materialprobe hat eine maximale Länge von 120 mm und einen Innendurchmesser von 20 mm.
Messprinzip
Der Messaufbau zur CTE-Bestimmung ist schematisch im Bild dargestellt. Das Heterodyn-Interferometer, das Thermalsystem und die Materialprobe (DUT, engl. device under test) befinden sich in einer Vakuumkammer. Das Thermalsystem ist um die Materialprobe platziert und durch MLI-Folie (MLI, engl. multi layer insulation) gegenüber dem Interferometer-Aufbau abgeschirmt, um die radiative Wärmeübertragung zu minimieren.
Die Ausdehnung der Materialprobe wird mit den beiden Strahlen des Interferometers gemessen. Ein Laserstrahl wird am Spiegel (RM, engl. reference mirror) am unteren Ende und der andere Laserstrahl am Spiegel (MM, engl. measurement mirror) am oberen Ende der Materialprobe reflektiert. Berechnet wird die Expansion in einem LabVIEW-Programm aus den Phasen der Laserstrahlen, welche durch Quadranten-Photodetektoren (QPD, engl. quadrant photo detector) detektiert werden. Die QPDs ermöglichen eine Winkelmessung der beiden Spiegel unter Verwendung des DWS-Verfahrens (DWS, engl. differential wavefront sensing). Das Thermalsystem ist für den Bereich von 150 Kelvin bis 350 Kelvin ausgelegt und erzeugt Temperaturvariationen durch Wärmestrahlung in der Materialprobe. Die Temperatur der Materialprobe wird mit Pt100-Sensoren gemessen.
Mechanischer Aufbau
Der mechanische Aufbau des Dilatometers ist so ausgelegt, dass eine möglichst hohe Auflösung gewährleistet wird. Aus diesem Grund besteht der gesamte Aufbau aus Zerodur oder Invar. Die Zerodur-Probenaufnahme ist mit den drei Füßen in der Höhe verstellbar, so dass die Invar-Bestandteile minimalen Einfluss auf die thermische Stabilität haben und somit nur über Zerodurteile eine Verbindung zwischen dem Breadboard und der Materialprobe besteht. Die Invar-Spiegelhalter werden in die Materialprobe geklemmt. Das Design dieser Klammern ist so gestaltet, dass bei Messungen der CTE nicht beeinflusst wird. Durch dieses Design können alle Arten von Materialien bestimmt werden, insbesondere CFRPs bei denen die Endflächen eine andere Charakteristik als die Probenmitte besitzen.
Kooperationen
Dieses Projekt wird in Kooperation mit dem Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM, Lehrstuhl Raumfahrttechnologie) der Universität Bremen und Airbus DS in Friedrichshafen durchgeführt.