Das Forschungsteam mit Prof. Dr. Herpers, Dr. Bury (Hochschule Bonn-Rhein-Sieg), Dr. Laura de Boni, Timo Frett, Guido Petrat, Alexandra Noppe (DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin) und Prof. Dr. Harris (York University). © DLR: Alle Rechte vorbehalten.
15. September 2022
Wie orientiert man sich bei unterschiedlichen Gravitationsbedingungen und gibt es dabei Unterschiede zwischen den Geschlechtern? Diese Fragen werden derzeit im DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in einer Studie auf der Kurzarm-Humanzentrifuge in der Forschungseinrichtung :envihab untersucht.
Unter normalen Bedingungen auf der Erde ist die Orientierung von uns im Raum selbstverständlich, wir wissen automatisch, wo „oben“ und „unten“ ist. Unsere Orientierung im Raum ist aber ein komplexer Prozess, der durch verschiedene Umgebungsbedingungen wie Schwerkraft und Beschleunigungen beeinflusst wird. Das merken schon TaucherInnen unter Wasser. Bei PilotInnen oder AstronautInnen (zB auf der Mondoberfläche) kann die Orientierung unter Umständen stark verfälscht sein, was im schlimmsten Fall zu Unfällen führen kann.
DLR-Kipptisch: Probandin auf dem Kipptisch während einer Testmessung. © DLR: Alle Rechte vorbehalten.
Ergebnisse aus Vorgängerstudien weisen auf Geschlechterunterschiede bei der Sinnesverarbeitung und Interpretation von Gravitationsreizen hin. Primäres Ziel der aktuellen Studie ist es, diese unterschiedliche Wahrnehmung mit einer statistisch ausreichend großen Zahl an Probandinnen und Probanden (je 22 Männer/Frauen) zu untersuchen. Bei der Studie werden alle Teilnehmenden unter medizinischer Aufsicht sowohl auf der :envihab-Kurzarm-Humanzentrifuge bei Beschleunigungsstufen zwischen 0-1 g rotiert als auch auf einem Kipptisch mit einer beweglichen Liege in Winkeln zwischen 0° und 45° gekippt. Die Position ist dabei sowohl kopfein- und kopfauswärts auf der Zentrifuge sowie mit dem Kopf oben als auch unten auf dem Kipptisch. Den Teilnehmenden werden dabei die Augen verbunden. Ein seitlich angebrachter Joystick muss von den ProbandenInnen dann so ausgerichtet werden, wie ein Ball in ihrer Wahrnehmung nach „unten“ fallen würde.
Die Untersuchungen werden dabei von einem Wissenschaftlerteam um Prof. Dr. Rainer Herpers (Hochschule Bonn-Rhein-Sieg) und Prof. Dr. Laurence Harris (York University, Kanada) durchgeführt. Parallel führt Timo Frett, wissenschaftlicher Leiter an der DLR-Humanzentrifuge, Messungen der kardiovaskulären Belastung und Flüssigkeitsverschiebung im Körper auf Zentrifuge und Kipptisch durch. Die Studiendurchführung am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin im DLR wurde von der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) und der York University anteilig gefördert.
Kontrollraum DLR-Kurzarm-Humanzentrifuge: Medizinische und wissenschaftliche Überwachung der Zentrifugenfahrten aus dem Kontrollraum der Humanzentrifuge. © DLR: Alle Rechte vorbehalten.