Eine Kupferprobenplatte wurde von einem der Touch Arrays ausgebaut und mit "Mochii", dem ersten Elektronenmikroskop auf der ISS, analysiert (Gerät im Hintergrund). ©NASA
Fast ein Jahr waren fünf Probenträger mit jeweils neun Berührungsfeldern, sogenannte Touch Arrays, zur Testung optimierter antimikrobieller Oberflächen auf der ISS und wurden von den Astronautinnen und Astronauten regelmäßig angefasst. Nun sind sie im Dragon-Raumschiff der ISS- Versorgungsmission SpaceX CRS-25 zurückgekehrt und die Auswertung hat bereits begonnen. Mit dem Touching Surfaces-Experiment, das auch Matthias Maurer während seiner ISS-Mission auf der Tagesordnung hatte, möchte die Arbeitsgruppe Mikrobiologie des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Universität des Saarlandes feststellen, welche Oberflächen aus hygienischer Sicht am besten für eine häufige Nutzung geeignet sind. Dabei steht die Ausbreitung von Mikroorganismen auf der Raumstation insbesondere bei Oberflächen, die häufig angefasst werden, im Vordergrund: Die mikrobielle Belastung soll damit erfasst und reduziert werden.
In den fünf Touch Arrays sind drei verschiedene Metalle (Kupfer – das antimikrobiell ist und schon in der Antike genutzt wurde –, Messing als Kupferlegierung mit leicht reduzierter antimikrobieller Kapazität, aber hoher Anwendungsrelevanz, und Stahl als Vergleichsmaterial mit jeweils drei verschiedenen Oberflächentopografien, die den Kontakt zwischen Mikroorganismen und Oberfläche erhöhen oder reduzieren, verbaut. Diese Strukturen werden am Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Universität des Saarlandes durch das neuartige Direct Laser Interference Patterning (DLIP)-Verfahren gefertigt und sollen die antimikrobielle Aktivität verstärken. Die Gehäuse, in denen die Oberflächen eingebaut sind, wurden am DLR gefertigt. Neben den Metalloberflächen enthalten die Touch Arrays zusätzlich 3D-gedruckte Oberflächen (NIMFS: 3D-microprinted Nature-Inspired, Multi-Functional Surfaces), die von Malica Schmidt (University College London) entworfen und produziert wurden. Aufgrund ihres Designs absorbieren die Oberflächen passiv sowohl Feuchtigkeit als auch Mikroorganismen. Ende 2021 wurden die Touch Arrays von Thomas Pesquet an fünf verschiedenen Orten auf der ISS installiert und von Matthias Maurer und anderen Astronautinnen und Astronauten während ihrer Missionen auf der ISS regelmäßig berührt. In der nachfolgenden Analyse wird die mikrobielle Belastung auf den verschiedenen Material- und Oberflächenkombinationen erfasst, um die Eignung zur Reduzierung von mikrobieller Belastung an häufig berührten Kontaktoberflächen unter Raumfahrtbedingung zu untersuchen.
Mit der Analyse mussten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Prof. Ralf Möller (DLR) und Prof. Frank Mücklich (Universität des Saarlandes) aber nicht bis zu deren Rückkehr auf die Erde gedulden: Bereits auf der ISS wurde eine Einzelprobe mit „Mochii“, dem ersten Elektronenmikroskop auf der ISS, analysiert. Dieses Gerät ist mittlerweile fester Bestandteil der Ausstattung der Raumstation, wobei die Analyse der Touching Surfaces-Probe zugleich die erste Beteiligung des Elektronenmikroskops in einem wissenschaftlichen Projekt darstellte. Die Live-Analyse erfolgte gemeinsam mit Christopher Own (Voxa), dem Miterfinder von Mochii, James Martinez (NASA), Daniel Müller (Universität des Saarlandes) und den beiden DLR-Wissenschaftlerinnen Katharina Siems und Carolin Krämer. Die experimentelle On-Board Unterstützung erfolgte durch die italienische ESA-Astronautin Samantha Cristoforetti und NASA-Astronaut Kjell Lindgren. Komplementiert wird das Mochii-Experiment durch vergleichende hochaufgelöste Analysen auf der Erde.
Auf dem Hinflug von SpX-25 zur ISS war das zweite ESA BIOFILMS-Flugexperiment, ein weiteres Projekt zu antimikrobiellen Oberflächen der DLR-Arbeitsgruppe Luft- und Raumfahrtmikrobiologie und des Lehrstuhls für Funktionswerkstoffe an der Universität des Saarlandes, mit an Bord und wurde während der mehrwöchigen Dockingphase von SpX-25 durchgeführt. Im Gegensatz zu Touching Surfaces wird im Projekt BIOFILMS die Biofilmbildung von ausgewählten Bakterienstämmen unter kontrollierten Bedingungen auf den verschiedenen Material- und Oberflächenkombinationen untersucht. Insgesamt umfasst BIOFILMS drei Flugexperimente, von denen das zweite nun gemeinsam mit den Touching Surfaces Proben zur Analyse auf die Erde nach Köln zurückgekehrt ist.
Passend zum Motto der Cosmic Kiss-Mission „Space for Life on Earth“ wurden die Probenträger des Touching Surfaces-Projekts nicht nur auf der ISS, sondern auch hier auf der Erde eingesetzt und getestet: In dem parallel stattfindenden Projekt Touching Surfaces @Schools werden identisch zu den ISS-Touch Arrays aufgebaute Probenträger in elf verschiedenen Schulen in ganz Deutschland untersucht. Dabei führen die Schülerinnen und Schüler in ihren Klassenzimmern das gleiche Experiment durch, das Matthias Maurer auf der ISS durchgeführt hat. Die Probenträger der Schulen werden anschließend genauso ausgewertet wie die Probenträger von der ISS.
Wissenschafterlinnen Carolin Krämer und Katharina Siems aus der Arbeitsgruppe für Luft- und Raumfahrtmikrobiologie bei der Probennahme eines Touch Arrays für die mikrobiologische Auswertung des Touching Surfaces Experiments. © DLR: Alle Rechte vorbehalten