Tomatenernte in der Kleingartenanlage Dreieck Nord. Links: Kontrollbeet gedüngt mit Brennesseljauche. Rechts: Beet gedüngt mit dem urinbasierten C.R.O.P.®-Dünger. Bild: KGA Dreieck Nord
11. August 2023
Der menschliche „Abfall“ Urin birgt ein großes Potenzial zur Rückgewinnung von Pflanzennährstoffen wie Stickstoff oder Phosphor. Er macht zwar nur 1 Prozent des gesamten Abwasservolumens aus, ist aber für 70–80 Prozent des Stickstoffs und 45–60 Prozent des Phosphors im Abwasser verantwortlich. Durch ein separates Auffangen des Urins in speziellen Toiletten oder Urinalen und eine zielgerichtete Aufbereitung zu Recyclingdünger kann dieses Potenzial genutzt werden.
In dem Projekt C.R.O.P.® (Combined Regenerative Organic food Production) des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin (DLR - Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin - Bioregeneration) wurde eine Filteranlage entwickelt, die aus Urin einen Mineraldünger mit hohem Stickstoffgehalt machen kann. Mit diesem Produkt der C.R.O.P.®-Filteranlage kann Gemüse in einem Gewächshaus gedüngt werden. Für Langzeitmissionen auf dem Mond oder Mars ist dies von großer Bedeutung, da die Vorräte, die auf einer Mission mitgeführt werden können, begrenzt sind. Werden Abfälle wie Urin recycelt, um Lebensmittel zu produzieren, wird der Nährstoffkreislauf geschlossen und die Missionen können länger sein.
Der C.R.O.P.®-Dünger wird in einem biologischen Prozess aus Urin hergestellt und ist geruchlos. Bild: DLR
Ein wissenschaftliches Experiment am Leibniz-Institut für Garten- und Zierpflanzenbau (IGZ) (IGZ - Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau) hat gezeigt, dass menschliche Abfälle als Düngemittel gut geeignet sind (Evaluating recycling fertilizers for tomato cultivation in hydroponics, and their impact on greenhouse gas emissions). In dem Experiment war der Anbau von Gemüse mit Düngemitteln aus menschlichen Fäkalien und Urin genauso produktiv wie bei einer Anwendung von konventionellem Düngemittel. Es konnte auch kein Risiko für die Übertragung von Krankheiten festgestellt werden. Die Schwermetallbelastung war sogar geringer als bei gängigen Mineraldüngern.
Das ebenfalls vom IGZ koordinierte Citizen Science-Projekt Urban Cycles (Home - Urban Cycles) sollte untersuchen, ob Recyclingdünger aus menschlichem Urin auch unter realen Bedingungen im Hobbygarten funktionieren. Dabei konnten Gärtnernde den C.R.O.P.®-Dünger des DLR in ihren Beeten testen und ihre Beobachtungen in Dialogrunden mit den Forschenden gemeinsam auswerten. Insgesamt haben 14 Gartenteams aus Gemeinschafts-, Klein-, Schul- und Privatgärten in Berlin und Umgebung eine Gartensaison lang ihr Gemüse mit Recyclingdünger aus synthetischem Urin gedüngt. Als Kontrollbeet wurde ein zweiter, gleicher Beetabschnitt wie in einem „normalen“ Jahr gedüngt. Dies wurde individuell gestaltet: Manche düngten mit Brennesseljauche oder Hornspänen, andere mit Kompost oder überhaupt nicht. Im Vergleich zu ungedüngten Kontrollbeeten brachte der Anbau mit dem C.R.O.P.®-Dünger mehr Ertrag. Im Vergleich zu gedüngten Kontrollbeeten war der Ertrag mit dem C.R.O.P.®-Dünger gleich oder höher. Hierbei spielte die gute Dosierbarkeit des Recyclingdüngers wahrscheinlich eine wesentliche Rolle, denn im Gegensatz zum C.R.O.P.®-Dünger sind die Nährstoffgehalte von Brennesseljauche oder Kompost den Gärtnernden nicht bekannt, so dass sie diese nicht zielgenau dosieren können.
Aktuell ist die Anwendung von Recyclingdüngern aus menschlichem Urin weder in Deutschland noch in der EU in der Agrar- und Gartenbau-Praxis möglich. Das ist der Grund, warum die Urban Cycles-Experimente mit einem Dünger aus synthetischem Urin durchgeführt wurden. Die Studien des IGZ belegen, dass Dünger aus Urin in ihrer Wirkung vergleichbar mit anderen Düngern sind und gleichzeitig viel geringere Schwermetallbelastungen aufweisen. Deshalb hatte Urban Cycles auch zum Ziel, den gesellschaftspolitischen Dialog zur Zulassung und Förderung von urinbasierten Recyclingdüngern zu eröffnen, um die Nährstoffe, die in menschlichem Urin enthalten sind, zu nutzen und sie nicht in der Toilette herunterzuspülen.