Der Kosmonaut Michail Kornienko und der amerikanische Astronaut Scott Kelly haben nun zum ersten Mal ein erweitertes Neurolab-Experiment zur Leistungsfähigkeit bei psychischem Stress an Bord der ISS durchgeführt. Neurolab, schon mehrfach auf der MIR und der ISS im Einsatz, wurde nun in seiner dritten Generation auf die ISS gebracht und dient im Rahmen eines Andock-Manöver-Tests zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit der Astronauten.
Neu ist ein Fingersensor, entwickelt in einem DLR-geförderten Projekt, der das Arbeiten an der Docking-Station ohne Einschränkung ermöglicht. Er misst die physiologischen Parameter Hautleitwert, die Fingertemperatur sowie die Pulswellenlaufzeit. Über letztere kann man den Blutdruck und seine Veränderungen schätzen, so dass man in Verbindung mit den Klassikern Herzrate und Herzratenvariabilität eine komplexe Auskunft über das Herzkreislauf-System und das vegetative Nervensystem bekommt. Da bei jedem Menschen die individuellen autonomen Reaktionsmuster auf psychischen Stress sehr unterschiedlich sind, muss eine solche kombinierte Messung vorgenommen werden.
Auch die Stimme wird bei dem Test berücksichtigt, da man durch sie das Befinden der Testperson bestimmen kann und hierüber auch Aussagen über die persönlichen Grenzen der Belastung gemacht werden können.
Der Versuch „6df“ (sechs Freiheitsgrade) simuliert das Andocken an ein Raumschiff. Während des Manövers müssen die Operatoren sechs Freiheitsgrade beherrschen und das Andocken unter unterschiedlichen Stress-Belastungen bewältigen. Bei dem Test schneidet derjenige gut ab, der trotz einer solchen Belastung unaufgeregt und professionell seine Aufgaben erledigt. Er dient allerdings nicht primär zu Trainingszwecken, sondern als wissenschaftliches Experiment zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Operatoren. Bisher war das Docking-Training nur von den russischen Kosmonauten genutzt worden, Scott Kelly ist nun der erste amerikanische Astronaut, der das System benutzt.
Eine Erweiterung des Systems um EEG-Messungen ist für nächstes Jahr geplant.
Kontakt: Bernd Johannes Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin Weltraumphysiologie Email: Bernd Johannes