Credit: DLR
2. November 2022
Anton W. hat bei der Studie „Fructoxia“ von Titiaan Post aus der Abteilung Schlaf und Humanfaktoren teilgenommen und berichtet hier über seine Erfahrungen als Proband. In der Studie werden die Auswirkungen von Fruktose auf reduzierte körperliche Aktivität und kognitive Leistung in sauerstoffreduzierter Umgebungsluft untersucht.
„Das DLR in Köln sucht immer wieder Proband*innen für die verschiedenen Studien, die dort durchgeführt werden, um die Wissenschaft rund um Raumfahrt- und Luftfahrtmedizin voranzubringen. Ich habe im Juli an der Studie „Fructoxia“ teilgenommen und konnte so einmal erleben, was es bedeutet, im DLR getestet zu werden.
In der Studie musste ich in einem Raum körperliche wie kognitive Tests absolvieren, in dem der Sauerstoffgehalt auf 13 Prozent abgesenkt wurde. In normaler Luft liegt der Gehalt bei ca 21 Prozent, bei der Studie waren es also acht Prozent weniger Sauerstoff, was einer Höhe von ca. 3800 Metern entspricht. Zu Beginn war ich ziemlich aufgeregt, schließlich war alles unbekannt: der Studienablauf, wie mein Körper auf den gesenkten Sauerstoffgehalt reagiert und wie gut ich in den Tests abschneiden würde. Aber nach der ärztlichen Voruntersuchung - inklusive Aufklärungsgespräch mit dem ärztlichen Leiter der Studie und den beiden Trainingstagen - war ich dann gut vorbereitet und es konnte endlich losgehen. Bei der körperlichen Testung bin ich tatsächlich an meine Grenzen gekommen und musste kämpfen, aber das ist bei der simulierten Höhe auch zu erwarten. Zum einen gab es einen Stufentest auf dem Fahrrad-Ergometer, hier musste ich bei vorgegebenen Leistungsstufen jeweils acht Minuten treten, bevor der Widerstand erhöht wurde. Die kognitiven Tests dagegen klappten zumindest subjektiv gesehen um einiges besser. Hier musste ich einmal farblich markierte Plastikdeckel sortieren und am Computer einen Balken in der Mitte halten. Ich freue mich schon auf die Veröffentlichung der Ergebnisse und die Einordnung meiner Leistungen in die Untersuchung. Auch in Zukunft werde ich mich gerne wieder für Studien beim DLR bewerben, da es mir sehr viel Spaß gemacht hat und man eine Umgebung und Situationen kennenlernt, die man sonst nicht unbedingt erleben würde.“
Warum führen wir diese Studie durch? Der Projektleiter Titiaan Post berichtet: „Der Nacktmull inspirierte uns zu dieser Studie. Afrikanische Nacktmulle sind einzigartige Lebewesen, die Schmerzen, schwere Krebserkrankungen und sogar 18 Minuten ohne Sauerstoff überstehen können. Vor kurzem haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Stoffwechselmechanismus entschlüsselt, der erklärt, wie diese Säugetiere in ihrem Lebensraum tief unter der Erdoberfläche mit sehr geringem Sauerstoff- und hohem Kohlendioxidspiegel überleben. In einem Experiment, das ihren Lebensraum simuliert, fanden sie heraus, dass Nacktmulle Energie aus Fruktose (Fruchtzucker) erzeugen und dabei den üblichen Glukose-Weg umgehen, der nämlich Sauerstoff benötigt. Bei Glukose handelt es sich um Traubenzucker. Bei Bedingungen ohne Sauerstoff wechseln diese Tiere zu einem mit Fruktose betriebenen anaeroben Stoffwechsel. Dieser auf Fruktose basierende Stoffwechsel vermeidet die üblichen, tödlichen Auswirkungen von Sauerstoffmangel. Dieser Mechanismus könnte bei Menschen genutzt werden, um Schäden, die durch Sauerstoffmangel entstehen können wie zum Beispiel Schlaganfälle und Herzinfarkte, zu minimieren. In unserer Studie am Menschen wird untersucht, ob die orale Fruktose-Einnahme zu einer verbesserten kognitiven Leistungsfähigkeit und Belastung unter Hypoxie führt.“
Wie war der Ablauf der Studie? Um zu testen, ob dieser Fruktose-Mechanismus auch beim Menschen einen positiven Effekt hat, suchten wir 20 sportliche, gesunde Frauen und Männer im Alter von 18 bis 45 Jahren. Für das Experiment war es wichtig, dass die Probandinnen und Probanden Fruktose gut vertragen, weshalb wir auch die Fruktosemalabsorption mit einem Atemtest untersucht haben. Um zu prüfen, ob Menschen unter Sauerstoffmangel von Fruktose profitieren, haben wir Tests gewählt, bei denen Menschen unter sauerstoffarmen Bedingungen in der Regel schlechtere Leistungen erbringen. Das erste Organ, das dabei negativ beeinflusst wird, ist das Gehirn. Häufig werden insbesondere das Farbsehen und die Hand-Augen-Koordination beeinträchtigt. Aber auch beim Fahrradfahren schneidet man mit zu wenig Sauerstoff in der Luft viel schlechter ab.
Das eigentliche Experiment dauerte zwei Stunden und fand in unserer Unterdruckkammer in Köln statt, wo wir den Sauerstoffgehalt gesenkt und damit eine Höhe von 3800 Metern simuliert haben. Alle Testpersonen bekamen bei ihrer Ankunft an drei verschiedenen Tagen Fruktose, Glukose oder Placebo zu trinken. Um einen guten Vergleich zu ermöglichen, haben wir die Reihenfolge der Getränke randomisiert und die Probanden erfuhren nicht, welches der drei Getränke sie an welchem Tag erhielten. Eine halbe Stunde nach der Gabe dieses Getränks mussten die Probandinnen und Probanden zunächst kognitive Tests und dann das Fahrradfahren absolvieren, dabei wurden die Herzfrequenz und die Sauerstoffsättigung gemessen sowie Blut zur Messung der Übersäuerung entnommen.
Die Ergebnisse dieser Tests sollen zeigen, ob auch der Mensch von Fruktose profitiert und ob sie als mögliche Behandlung für Patientinnen und Patienten mit Sauerstoffmangel eingesetzt werden kann. Sicher ist, dass wir von der einzigartigen Physiologie der Nacktmulle in den kommenden Jahren viel lernen werden.