Die Kartoffelbrei-Sonne

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Als wir neulich auf Twitter erwähnt hatten, dass sich die Sonne um sich selbst dreht, war das für viele Follower neu. „Wie schnell rotiert die Sonne denn?“, wurde gefragt. Die Antwort sorgte für noch mehr Verwunderung: Denn die Sonne braucht am Äquator etwa 25 Erden-Tage für eine Umdrehung, in der Nähe der Pole aber über 30 Tage. Daraufhin hagelte es noch mehr Nachfragen, wie das denn möglich wäre. „Hä?“, fragte jemand. „Wie kann sich ein Himmelskörper verschieden schnell drehen?“ Und warum dreht sich die Sonne überhaupt? Hier eine Erklärung – wie immer leicht verständlich …

Vorweg schon mal der sehr wichtige Hinweis: Schaut nie direkt in die Sonne! Auch nicht mit Sonnenbrille oder so! Das kann zu schweren Augenverletzungen bis zur Erblindung führen! Stattdessen lässt sich die Sonne viel besser und völlig ungefährlich im Internet betrachten. Hier schon mal dazu ein paar Link-Tipps …

Woran erkennt man die Sonnenrotation?

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Hier sieht man anhand der Sonnenflecken, wie sich die Sonne dreht. Dieses Video besteht aus einzelnen Bildern des Satelliten SDO, die über sechs Tage aufgenommen wurden. Der kleine schwarze Punkt unten zeigt zum Vergleich die Größe der Erde. Quelle: NASA

Dass sich die Sonne um sich selbst dreht, also rotiert, erkennt man am besten an den Sonnenflecken. Sie scheinen allmählich über die Sonne zu wandern – von uns aus gesehen von links nach rechts. Tatsächlich aber bewegen sich nicht diese dunklen Flecken über die Sonnenoberfläche hinweg, sondern es ist eben die ganze Sonne, die sich samt ihrer Flecken dreht. Auch auf den Bildern von Satelliten, die die Sonne rund um die Uhr beobachten, erkennt man die Rotation. Diese Satellitenbilder werden im Abstand von einigen Minuten aufgenommen – meist in Falschfarben, die immer nur ein Spektrum des Sonnenlichts zeigen. Reiht man die einzelnen Bilder aneinander, sieht man im Zeitraffer-Video , wie die Sonne rotiert.

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Sechs Jahre im Zeitraffer: Der Satellit SDO nimmt Bilder der Sonne in verschiedenen Wellenlängen auf, aus denen das Sonnenlicht besteht (sie sieht dann mal blau oder grün oder wie hier gelb aus). Reiht man die einzelnen Aufnahmen wie hier aneinander, erhält man ein Zeitraffer-Video. Quelle: NASA

Warum dreht sich alles?

Links: Diese künstlerische Darstellung zeigt, wie man sich die Entstehung des Sonnensystems vorstellen kann: Eine Wolke aus Gas- und Staubteilchen verdichtet sich, die Teilchen „klumpen“ zusammen und bilden die einzelnen Himmelskörper. Bild: NASA/JPL-Caltech. Rechts: Diese Aufnahme des Weltraum-Teleskops Hubble zeigt einen Stern, umgeben von einer Wolke aus Gas- und Staubteilchen. Bild: NASA, ESA, Hubble
Links: Diese künstlerische Darstellung zeigt, wie man sich die Entstehung des Sonnensystems vorstellen kann: Eine Wolke aus Gas- und Staubteilchen verdichtet sich, die Teilchen „klumpen“ zusammen und bilden die einzelnen Himmelskörper. Bild: NASA/JPL-Caltech. Rechts: Diese Aufnahme des Weltraum-Teleskops Hubble zeigt einen Stern, umgeben von einer Wolke aus Gas- und Staubteilchen. Bild: NASA, ESA, Hubble

Die Sonne rotiert also – wie dies auch die Erde und alle anderen Planeten unseres Sonnensystems tun. Auf der Erde dauert eine Umdrehung bekanntlich 24 Stunden, andere Himmelskörper drehen sich langsamer oder schneller um die eigene Achse. Aber warum dreht sich eigentlich alles? Um das zu verstehen, fangen wir am besten am Anfang an und reisen in Gedanken 4,6 Milliarden Jahre in die Vergangenheit: Damals – die Älteren unter euch erinnern sich vielleicht noch – war es hier ziemlich staubig. Spaß beiseite: Wir reden nicht von normalem Staub, sondern von kleinen kosmischen Gas- und Staubteilchen. Sie waren die Überreste von Sternen, die es noch viel früher gegeben hat und die dann am Ende ihrer Lebenszeit – peng! – explodiert sind. Diese „Staubwolke“ verdichtete sich allmählich. Denn die kleinen Teilchen zogen sich gegenseitig an und irgendwann klebten sie aneinander. Jeder „Teilchenklumpen“ zog jetzt noch mehr Teilchen an, die „Klumpen“ wuchsen und wuchsen. Der große Klumpen in der Mitte: das ist unsere heutige Sonne, drumherum die Planeten und der ganze Rest (Monde, Asteroiden und so weiter).

Sehen wir uns nochmal ganz genau an, was da zu Beginn mit den einzelnen Staubteilchen passiert ist – wie mit einem riesigen Vergrößerungsglas: Wenn zwei dieser Mini-Teilchen zusammenstießen, war das meist kein „Frontalzusammenstoß“. Denn das wäre schon ein seltener Zufall gewesen bei so winzig kleinen Teilchen. Stattdessen flogen sie mehr oder weniger knapp aneinander vorbei, zogen sich leicht an und umkreisten sich dadurch gegenseitig auf immer engeren Bahnen, zogen sich immer mehr an – und „schwupp“ kam es zur Drehbewegung. Je enger eine solche Umdrehung wurde, desto schneller. Das kannst du sehen, wenn Eiskunstläufer eine Pirouette machen, sich also auf der Stelle um sich selbst drehen: Hält der Eisläufer die Arme weit von sich weg, dreht er sich langsam, zieht er die Arme eng an den Körper, dreht er sich plötzlich schneller. Daher heißt das auch Pirouetten-Effekt.

Die seltsame Sonnendrehung

Die Sonne – gesehen vom Satelliten SDO, jedes Bild in anderer Wellenlänge. Bilder: NASA, SDO
Die Sonne – gesehen vom Satelliten SDO, jedes Bild in anderer Wellenlänge. Bilder: NASA, SDO

Jetzt aber zu der seltsamen Art, wie die Sonne in der Mitte (also an ihrem Äquator) und weiter oben und unten (in der Nähe der Pole) unterschiedlich schnell rotiert. Wie kann sich ein Himmelskörper unterschiedlich schnell drehen? Um das zu verstehen, darf man sich die Sonne nicht wie eine feste Kugel vorstellen. Eigentlich ist sie ja sogar ein gigantisch großer „Gas-Ball“: Denn sie besteht aus Wasserstoff und Helium. Allerdings herrscht im Inneren der Sonne ein gewaltiger Druck, sodass die Gase da nicht so dünn wie Luft sind, sondern viel dichter und dicker. Denken wir uns daher die Sonne zunächst mal ganz stark vereinfacht als eine Kugel aus zähem Brei – sagen wir mal als eine Kartoffelbrei-Kugel. Für alle, die jetzt Appetit auf Kartoffelbrei bekommen: Vorsicht! heiß, sehr heiß! Gut pusten! Übrigens reden wir hier nicht von Kartoffelbrei aus der Packung, sondern aus echten Kartoffeln, die man vorher kocht und zerstampft. Dazu ein paar Zwiebelringe mit etwas Butter in der Pfanne leicht bräunlich anbraten – lecker! Aber wir kommen vom Thema ab …

Als nächstes müssen wir einen kleinen Ausflug in die Technik machen: Weißt du, was ein Differenzialgetriebe ist? Nein? Macht nichts. Hier die kurze Erklärung: Es sorgt bei Autos dafür, dass die Räder auf einer Fahrt durch die Kurve unterschiedlich schnell sind. Denn das Rad auf der Außenbahn muss ja in der Kurve eine längere Strecke als das Rad auf der Innenbahn zurücklegen und daher schneller sein. Beim Differenzialgetriebe wird das durch kleine Zahnräder an der Achse bewerkstelligt. Die beiden Räder werden also in ihrer Geschwindigkeit voneinander „entkoppelt“: Eines ist schneller, eines langsamer unterwegs – genau wie die verschiedenen Bereiche unserer Kartoffelbrei-Sonne. Nur dass bei der Sonne keine Zahnräder nötig sind, weil sie eben nicht fest ist.

Die Kugel im „Sonnenbrei“

Bis hierhin alles verstanden? Gut! Denn jetzt kommt der kompliziertere Teil. Was ist der Grund dafür, dass sich die Sonne am Äquator schneller dreht als an den Polen? Das ist – wie die Abläufe auf und in der Sonne insgesamt – ziemlich schwierig zu verstehen. Es kommt nämlich noch eine Sache hinzu: Könntest du mit einer riesigen Gabel in die Kartoffelbrei-Sonne hineinstechen, würdest du merken, dass da etwas drin steckt. Hat sich da jemand einen Scherz erlaubt und eine rohe Kartoffel reingesteckt! Des Rätsels Lösung: Im Inneren der Sonne wird der „Brei“ durch den gewaltigen Druck immer dichter zusammengepresst. Die feste „Kugel“, die sich dadurch tief drinnen gebildet hat, dreht sich ebenfalls um sich selbst. Und dabei zieht sie die äußeren Brei-Schichten mit sich – und zwar am Äquator schneller als an den Polen. Übrigens ist das auch bei den großen Gasplaneten Jupiter und Saturn so – nur dass die nicht so heiß wie die Sonne sind. Statt einer glühenden Kartoffelbrei-Sonne kannst du sie dir vielleicht wie kühle Apfelmus-Kugeln vorstellen. Mahlzeit ;-)

Wenn du auch eine Frage hast: Schick sie uns über next@dlr.de. Wir schreiben auf jeden Fall zurück – und besonders interessante Fragen beantworten wir hier auch öffentlich.