22. bis 24. Juli 1969: Zurück zur Erde

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Noch umrundet die Crew den Mond – jetzt wieder mit allen drei Astronauten an Bord. Houston meldet sich per Funk: „Hier ist euer freundliches weißes Team“, so nennt sich diese Schicht im Kontrollzentrum immer mit einem Augenzwinkern. Dazu muss man wissen: In Houston wird während der ganzen Mission in Schichten gearbeitet. Es gibt ein schwarzes und ein grünes Team, auch ein Team „lila“ und ein Team „braun“ – und eben das „freundliche weiße Team“. Das ist jetzt mit CapCom Charlie Duke wieder dran. „Wir würden euch jetzt gerne die Coming-Home-Information geben.“ Dabei geht es um die Daten für den Einschuss in die „Trans-Earth-Bahn“.

Die Zündung der Triebwerke ist exakt geplant – und muss auf die Sekunde genau erfolgen: 2 Minuten und 31 Sekunden lang. Nur etwas kürzer oder länger und man fliegt 3 Tage später weit an der Erde vorbei. Collins kommentiert es im Funkverkehr etwas lockerer: „Hauptsache vorwärts!“ Hinweis: Das Foto des Apollo-Raumschiffs wurde zuvor von der Mondfähre aus aufgenommen. Links erkennt man die Triebwerkdüse, die jetzt gezündet werden muss.

Dann dieser entscheidende Moment: Jetzt zündet das Triebwerk des Raumschiffs – und zwar auf der erdabgewandten Seite des Mondes. Dadurch beschleunigt die Columbia und verlässt so die Umlaufbahn um den Mond ... Wenig später die Bestätigung: Die Zündung hat geklappt. Armstrong: „Beautiful burn!“ Nachdem die Crew den Einschuss in eine Bahn zurück zur Erde hinter sich gebracht hat, nimmt sie Fotos auf – darunter Aufnahmen wie dieses Bild unseres Heimatplaneten über dem Mond-Horizont.

Houston meldet sich wieder und fragt nach dem genauen Ort, an dem das Seismometer aufgestellt wurde (Bild). Es diente der Messung von Mondbeben, was Aufschluss über das Innere des Mondes gab. Das Instrument war so empfindlich, dass es sogar die Schritte der Astronauten aufzeichnete. Bei Apollo 11 arbeitete es zwar nur 3 Wochen. Spätere Seismometer funktionierten aber bis zu 8 Jahre lang und zeichneten insgesamt über 12.000 Ereignisse auf – oftmals tiefe Beben, die durch die Gezeitenwirkung der Erdanziehung ausgelöst wurden, die das Mond-Innere verformt. Ein anderes Instrument ist der Reflektor – im Prinzip ein Spiegel für Laserstrahlen, die von der Erde aus auf den Mond gerichtet werden. An der Signallaufzeit (mit Lichtgeschwindigkeit hin und zurück) kann man seitdem die exakte Entfernung des Mondes ermitteln. Dabei ist zu bedenken, dass die Distanz leicht variiert: Von etwa 360.000 bis 405.000 Kilometer. Denn die Mondbahn ist nicht kreisrund und auch die Anziehungskraft anderer Himmelskörper (vor allem der Sonne) sowie die ungleiche Masseverteilung im Erdinneren spielen eine Rolle. Und man kann damit auch ein anderes Phänomen exakt messen: Der Mond entfernt sich jedes Jahr um etwas mehr als 3 Zentimeter von der Erde. Im Gegenzug verlangsamt sich allmählich die Erdrotation, was dazu führt, dass immer wieder sogenannte Schaltsekunden eingelegt werden müssen. Hinter all dem steckt ein komplizierter Zusammenhang – das Stichwort lautet Drehimpulserhaltung. Vereinfacht in einem Vergleich erklärt: Wenn ein Eiskunstläufer die Arme dicht an den Körper legt, rotiert er schneller, als wenn er die Arme seitlich weit von sich ausstreckt. Also: Je weiter die Masse entfernt ist, desto langsamer die Rotation. Die Arme oder Hände stehen in diesem Bild für den Mond, der Eiskunstläufer für die Erde.

 

Nachdem die Crew noch länger mit Houston gesprochen und auch Fotos aufgenommen hat, schlafen jetzt alle drei Astronauten. Das erkennt der Missionsarzt anhand der Vitaldaten, die er per Telemedizin aus der Ferne verfolgt. Das Raumschiff ist jetzt etwa 1,5 Kilometer pro Sekunde schnell. Zum Vergleich: Die ISS umkreist die Erde mit 7,6 Kilometer pro Sekunde.

 

Noch 2 Tage bis zur Landung im Pazifik. Nach den gefährlichen Flugphasen – dem Start mit der riesigen Rakete, der riskanten Mondlandung und dem erstmaligen Rückstart vom Mond – schien der Rest Routine. Aber eine Mission ist erst vorbei, wenn sie vorbei ist. Und tatsächlich sollte es noch einen kritischen „Beinahe-Zwischenfall“ geben …

 

Apollo 11 jetzt ca. 40.000 Kilometer vom Mond entfernt. Bald kommt das Raumschiff an den Punkt, an dem sich die Anziehungskräfte von Mond und Erde aufheben. Danach überwiegt die irdische Anziehungskraft, sodass die „Columbia“ dann immer schneller wird.

In Houston ist jetzt Bruce McCandless der Verbindungssprecher (CapCom) zur Apollo-11-Crew. 1984 wird er als erster Mensch einen Weltraum-Ausstieg ohne Sicherheitsleine unternehmen: Nur mit einem „Düsenrucksack“ – Manned Maneuvering Unit (MMU) genannt – ausgestattet. Dabei entfernt er sich 100 Meter vom Space Shuttle und schwebt quasi als sein eigener Satellit durchs All. 100 Meter! Nerven wie Drahtseile! Und die braucht man auch im Kontrollzentrum. Die Crew ist bei einer Raumfahrt-Mission zu etwas wie die Spitze des Eisbergs. Genauso wichtig für Erfolg oder Misserfolg ist die Professionalität der Bodenteams.

 

Die Crew ist jetzt wieder wach und gibt die Schlafdauer durch: 8 Stunden, 8 Stunden und 8,5 Stunden. Der „Langschläfer“ war übrigens Aldrin – der vorher immer den wenigsten Schlaf benötigt hatte. In den nächsten Stunden passiert nicht allzu viel. Houston befragt Armstrong und Aldrin erneut zum Landeplatz, den man immer noch nicht lokalisieren konnte. Man erhofft schließlich Aufschlüsse vom 16-mm-Film der Bordkamera während des Anflugs, den man nach der Rückkehr zur Erde daraufhin auswerten will.

 

23. Juli: Apollo 11 hat eine kleine Kurskorrektur vollzogen und ist im „Korridor“ – dem richtigen Anflugpfad. Alles sieht gut aus ... Bis auf Claudia. Das ist der Name einer Schlechtwetterfront über dem Pazifik. Das wird bei der Landung im Wasser – damals wurde im Deutschen das Wort „Wasserung“ geprägt – noch eine Rolle spielen. Aber noch ist es nicht so weit ...

Die Crew gibt per TV-Liveübertragung eine Pressekonferenz. Aldrin und Collins machen dabei unter anderem vor, wie man in Schwerelosigkeit isst und trinkt.

 

Die Crew konnte sich Musik mit auf die Reise zum Mond nehmen. Auf dem brandneuen Kassettenrekorder waren Kracher wie „Angel Of The Morning“ von Bettye Swann, „Spinning Wheel“ von Blood Sweat & Tears und „Three o'clock in the Morning“ von Lou Rawls. Armstrong entschied sich mit seinem etwas außergewöhnlichen Geschmack für zwei alte Musikalben namens „Mist of the Moon” und „Moon Moods”. Das war Salonmusik aus dem Jahr 1947. Houston hörte über Funk zu, als Armstrong das abspielte – und dankte ihm anschließend fürs Ausschalten. ;-)

 

Houston verabschiedet die Crew zur Nachtruhe. Noch etwas mehr als 30 Stunden bis zur Landung. Noch 150.000 Kilometer bis zur Erde. 1,5 Kilometer pro Sekunde, durch die Erdanziehung immer schneller werdend. Das Apollo-Raumschiff rotiert dabei übrigens andauernd ganz langsam um die eigene Achse. Dadurch wird vermieden, dass die der Sonne zugewandte Seite zu viel Hitze abbekommt. Diese „passive Thermalkontrolle“ wird „barbecue mode“ genannt. Woran man alles denken muss ...

Kleine Anekdote am Rande: Es gibt Tracking-Stationen rund um die Erde. Auch eine auf Guam. Nur ist etwas am Lager der Antenne kaputt. Ein zehnjähriger Junge hilft: Sein Arm ist dünn genug und er kann die klemmende Antennensteuerung wieder in Gang setzen.

 

Houston liest der Crew wieder mal Nachrichten vor. Ein Elternpaar hat seine frischgeborene Tochter „Module“ genannt – in Anspielung auf das Lunar Module. Man erkundigt sich auch, wie es der Crew geht. Collins lobt auf Nachfrage das heutige Frühstück einmal mehr als „magnificent“. Muss wirklich lecker geschmeckt haben. Auch wenn Thomas Reiter mal gesagt hat, dass Astronauten nicht wegen, sondern trotz des Essens ins All fliegen.

 

24. Juli: Heute soll die Apollo-11-Crew zur Erde zurückkehren. In den letzten Stunden ist das Kontrollzentrum mit den drei Astronauten die „Landing Checklist“ durchgegangen. Das Wetter im Landegebiet im Pazifik bereitet den Missionsplanern Sorge. Da ist ein neues Sturmtief aufgezogen. Der Landeort – es handelt sich ja streng genommen um eine Wasserlandung – wird daher um 400 Kilometer verlegt. Ausnahmsweise bespricht das nicht CapCom Charlie Duke mit der Crew, sondern ein Kollege. Der fügt entschuldigend hinzu, dass Charlie Duke kurz aus dem Kontrollraum rausgegangen sei, um den neusten Wetterbericht zu holen. Die Crew erwidert: „Wir wissen, dass er rausgeht, um sich einen Kaffee zu besorgen ...“.

Nochmal kurz zu der wetterbedingten Änderung des Landegebiets: Wie kann eine Kapsel, die auf die Erde zurast, überhaupt ihren Zielort ändern? Das ist etwas kompliziert. Zunächst einmal trennt sich ja das Raumschiff in zwei Teile. Der hintere zylinderförmige Teil mit Triebwerk und der Technik (in dieser Grafik unten) wird vom vorderen Teil mit dem Cockpit (hier oben) abgesprengt. Und dieser Crew-Teil ist so konzipiert, dass er beim Flug durch die Atmosphäre je nach Winkel einen steileren oder flacheren Kurs nimmt. Durch diesen Anstellwinkel kann die Crew ihren Flugpfad und damit den Landeort beeinflussen.

 

Der Weg durch die nach unten immer dichter werdenden Luftschichten wird heiß. Dagegen schützt ein Hitzeschild. Die hohen Temperaturen – mehrere tausend Grad – entstehen weniger durch die Reibung der Außenhaut an den Luftteilchen. Vor allem liegt es daran, dass die Kapsel die Luft vor sich komprimiert, also zusammenquetscht. Und komprimierte Luft wird heiß. Nehmt mal eine Luftpumpe und presst den Daumen aufs Ventil, während ihr pumpt. Nach kurzer Zeit spürt man, wie der Daumen warm wird. Das ist derselbe physikalische Effekt.

Noch eine Darstellung des Apollo-Raumschiffs. Vor Wiedereintritt in die Erdatmosphäre werden Command- und Service-Modul getrennt. Damit das Service-Modul der Kapsel mit der Crew danach nicht in den Weg kommt, zünden Triebwerke. Und das wird nachher noch eine Rolle spielen ...

 

Noch 5 Stunden bis Wiedereintritt: Jetzt hat die Crew noch einmal eine kurze Ruhephase. Für Apollo 11 beginnt die letzte „Nacht“ im All ... Das Raumschiff ist inzwischen weniger als 100.000 Kilometer von der Erde entfernt. 2,4 Kilometer pro Sekunde schnell, immer schneller werdend.

 

Die Crew bekommt eine Extra-Stunde Schlaf, weil eine ursprünglich geplante Kurskorrektur nicht erforderlich ist. Weniger als 60.000 Kilometer zur Erde, inzwischen 3 Kilometer pro Sekunde schnell.

 

Die Crew ist wieder wach. Zum Frühstück hat Houston die Nachrichten des Tages vorgelesen. Als das Kontrollzentrum bei Collins einige Borddaten anfragt, bittet er um etwas Geduld: „I am in the middle of my orange juice.“

 

Houston geht jetzt mit der Crew nochmal alle Phasen des Landeanflugs durch – einschließlich des „Blackouts“. Das ist eine Unterbrechung des Funkkontakts, die während des Wiedereintritts durch die Atmosphäre entsteht. In diesen Minuten weiß man schlicht gar nichts über den Zustand der Crew.

 

Apollo 11 kommt der Erde immer näher. In weniger als 1 Stunde werden Service-Modul und der Cockpit-Teil getrennt. Gerade war der Sprechfunk außerplanmäßig unterbrochen und in Houston wurden einige Gesichter blass vor Schreck. Um es vorweg zu nehmen: Auch beim Eintritt in die Erdatmosphäre kommt es zu einer Schrecksekunde. Das abgetrennte Service-Modul soll durch Triebwerkzündungen auf eine Bahn gelenkt werden, die sich von der Kapsel mit der Crew entfernt – um eine Kollision zu verhindern. Anfangs gelingt das auch. Aber dann tritt ein seltsamer Bumerang-Effekt auf und das abgetrennte Service-Modul nähert sich wieder der Crew-Kapsel an. Erst viel später wird man die Ursache verstehen, die mit den Bewegungen des restlichen Treibstoffs im Tank zusammenhängt, der da hin und her schwappt und für die kritische Richtungsänderung sorgt.

 

Apollo 11 jetzt nur noch 17.000 Kilometer von der Erde entfernt, 5 Kilometer pro Sekunde schnell.

 

Jetzt ein entscheidender Moment: Kommando- und Service-Modul werden getrennt. Alles klappt wie geplant. Houston sagt der Crew, dass alle Daten „mighty fine from here“ aussehen. „Ihr habt Landeerlaubnis!“ „Okay. Fahrwerk ausgefahren“, witzelt Collins im Fliegerjargon zurück. Solche Jokes machen die während der ganzen Mission.

Die Apollo-Kapsel ist beim Eintritt in die Erdatmosphäre weit über 30.000 km/h schnell. Die Crew muss durch die Abbremsung durch die Luft bis zu 6 g aushalten. An der Außenseite der Kapsel entstehen dabei Temperaturen von mehreren tausend Grad. Ein Hitzeschild schützt die Crew während dieses wilden „Ritt“ durchs Feuer. Hier ein Bild der automatischen Bordkamera.

Die Crew sieht das Service-Modul vorbeifliegen. Und es scheint sich plötzlich wieder zu nähern! Das ist der oben erwähnte Bumerang-Effekt, der noch einmal zu einer kritischen Situation führt. Aber glücklicherweise kommt es nicht zur Kollision … Jetzt geht es Schlag auf Schlag: Der Wiedereintritt in die Atmosphäre beginnt. Wenig später: der Blackout. Der Funk bricht vorübergehend ab. Dann Erleichterung: Die Fallschirme gehen auf. Und dann: Splash down! Apollo 11 ist zurück auf der Erde.

Ein Hubschrauber „fischt“ die Astronauten auf und bringt die Crew zum in der Nähe postierten Flugzeugträger. Dort kommt sie sofort in einen Quarantäne-Container – eine Vorsorgemaßnahme für den unwahrscheinlichen Fall, dass Mikroorganismen vom Mond zur Erde eingeschleppt wurden. So sah es übrigens während der Quarantäne der Crew nach der Rückkehr zur Erde aus.