Roboter mit „Fingerspitzengefühl“

Bild: DLR
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Der erste Weltraum-Roboter, den das DLR vor rund 20 Jahren entwickelt hatte, konnte mit seinen zwei „Fingern“ wie eine Zange Objekte einfangen, die in der Schwerelosigkeit herumschwebten. Das sah vielleicht nicht besonders elegant aus, doch als es erstmals gelang, war das eine Weltpremiere: Denn der Roboter-Arm namens ROTEX wurde aus der Ferne gesteuert – nämlich von der Erde aus, genauer gesagt vom DLR in Oberpfaffenhofen. Inzwischen ist dort ein Roboter der neuesten Generation entwickelt worden: Er heißt JUSTIN, kann gesprochene Befehle ausführen und verfügt über mehr als zwei „Finger“ – und auch über jede Menge „Fingerspitzengefühl“.

JUSTIN – ein Roboter mit „Fingerspitzengefühl“.Bild: DLR
JUSTIN – ein Roboter mit „Fingerspitzengefühl“.Bild: DLR

ROTEX war schon ein recht netter Kerl: Er hatte zwei „Finger“ und zwei „Augen“, wobei die Augen aus einer Stereokamera bestanden. Diese Kamera übertrug dreidimensionale Fernsehbilder aus dem Weltraum ins Kontrollzentrum. So sahen die Ingenieure – mit Stereobrillen ausgerüstet – auf ihren Bildschirmen gewissermaßen mit den „Augen” des Roboters: zum Beispiel einen schwebenden Gegenstand oder was sonst noch ins „Blickfeld“ des Roboters geriet.

Die Zeit „überlisten“

Doch ein solches Objekt im Weltraum einzufangen, ist aus der Ferne ziemlich trickreich. Denn die Signalübertragung braucht ihre Zeit: Bis man das Bild aus der Umlaufbahn empfangen hat und dann das Kommando zum Zugreifen dort oben wieder angekommen ist, können ein paar Sekundenbruchteile vergehen: genug, um den Roboter ins Leere greifen zu lassen, eben weil sich das schwebende Objekt inzwischen weiterbewegt hat. Um das zu vermeiden, „überlisteten“ die Erfinder von ROTEX sogar die Zeit: Sie hatten eine Software entwickelt, die vorausberechnen konnte, wo der schwebende Gegenstand in den nächsten Sekunden sein würde. So packte der kleine Roboter an der richtigen Stelle zu – und zwar nicht zu fest: Denn er besaß das, was man „lokale Intelligenz“ nennt. Seine Sensoren merkten, wenn der Druck zum Greifen und Festhalten groß genug war.

Eis-Tee gefällig?

Mit all diesem Wissen hat das Oberpfaffenhofener DLR-Institut für Robotik und Mechatronik inzwischen viele Roboter verbessert, die auch auf der Erde im Einsatz sind. Zum Beispiel in der Medizintechnik oder im Automobilbau. Und man hat nun einen humanoiden Roboter entwickelt – so nennt man Roboter, die Menschen ähnlich sehen. JUSTIN hat einen Kopf mit Kameras und vielen anderen Sensoren, zwei Arme und Hände. Er reagiert feinfühlig auf Berührungen und führt natürlich auch viele Kommandos aus. Kurz: JUSTIN ist ein richtig guter Kumpel.

Seine 43 Gelenke verschaffen JUSTIN eine ziemlich große Bewegungsfreiheit, und seine Aufgaben erledigt er – anders als ein Mensch – ohne jede Ermüdungserscheinungen. Er kann mit mehreren Gegenständen gleichzeitig hantieren – fast wie ein chinesischer Teller-Jongleur im Zirkus. Und er ist so „sensibel“ programmiert, dass er sogar als Bar-Mixer arbeiten könnte. Dabei muss man sich in Erinnerung rufen: JUSTIN wird nicht ferngesteuert! Vielmehr wurde er so programmiert, dass er ein Kommando selbstständig verstehen und ausführen kann! Da sitzt also niemand im Nebenraum, der den Roboter steuert. Er kann das alles allein!

Viele Einsatzmöglichkeiten

Dieser kleine Roboter läuft auf sechs Beinen. Er ist die Vorstufe für künftige Laufroboter zur Erforschung anderer Planeten. Bild: DLR
Dieser kleine Roboter läuft auf sechs Beinen. Er ist die Vorstufe für künftige Laufroboter zur Erforschung anderer Planeten. Bild: DLR

Intelligente Roboter will man künftig natürlich nicht im Zirkus oder in einer Bar einsetzen – wenn ihr mal später irgendwann abends in einer einsamen Hotel-Bar sitzt, werdet ihr dafür dankbar sein, wenn ein ganz und gar menschlicher Bar-Mixer euch nicht nur ein Getränk serviert, sondern auch ein wenig mit euch plaudert. Aber das nur am Rande bemerkt. Was die Anwendung von Robotern wie JUSTIN betrifft, so gibt es da jedenfalls viele andere Möglichkeiten: Sie könnten eines Tages als Hilfe im Haushalt tätig sein – etwa bei älteren oder bettlägerigen Menschen. Oder zur Unterstützung von Menschen mit körperlichen Behinderungen dienen. Andere Roboter können beschwerliche Arbeiten erledigen – etwa Kanäle reinigen. Oder in der Archäologie oder unter Wasser eingesetzt werden: zum Beispiel um die letzten geheimen Gänge einer Pyramide zu erforschen oder nach dem Wrack eines Schiffes oder eines im Meer abgestürzten Flugzeugs zu suchen. Oder um Bomben zu entschärfen. Und natürlich auch in der Industrie. Ihr seht: Für JUSTIN und Co. gibt es viel zu tun …