Fliegende Gärten – oder: die Sonne im Magen

Diese künstlerische Darstellung zeigt, wie man sich ein Treibhaus auf dem Mond irgendwann einmal vorgestellt hat. Bild: NASA
Diese künstlerische Darstellung zeigt, wie man sich ein Treibhaus auf dem Mond irgendwann einmal vorgestellt hat. Bild: NASA
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Die Internationale Raumstation umkreist die Erde in rund 400 Kilometer Höhe. Monatelang halten sich die Astronautinnen und Astronauten auf der ISS auf, bis sie abgelöst werden. Bei so langer Abwesenheit von der Erde stellen die Crew-Mitglieder durchaus Ansprüche an den Speiseplan. Konnte man die ersten Raumfahrer noch für ein paar Tage mit energiereicher, aber ziemlich geschmacksloser Tubennahrung zufrieden stellen, muss nun Abwechslung her. (Wie wichtig ausgewogene und gesunde Ernährung ist, kannst du hier lesen.)

Pizza-Taxi ins All

Die ISS kann man von der Erde aus mit Weltraum-Nahrung versorgen, die zusammen mit anderem Nachschub in unbemannten Raumschiffen zur Station transportiert wird. Und wenn eine neue Besatzung zur ISS fliegt, nimmt sie auch schon mal Obst mit – für die Crew an Bord eine willkommene Abwechslung. Was sollen aber eines Tages die Astronautinnen und Astronauten auf längeren Flügen – wie etwa der fast ein Jahr dauernden Reise zum Mars – essen? Und was isst man dann dort viele Millionen Kilometer von der Erde entfernt, bevor es Monate später wieder nach Hause geht? Und dann auch auf der Heimreise selbst? Schnell wird klar: So viele Lebensmittel kann man kaum mitnehmen! Man muss die Nahrung vielmehr an Bord züchten – und wahrscheinlich als erstes ein Treibhaus auf dem Mars bauen und da für frisches Gemüse sorgen.

Der Garten muss mitfliegen!

Letztlich kommt alle Energie in unserer Nahrung von der Sonne. Klingt komisch, ist aber so: Denn Pflanzen tun nichts anderes, als Sonnenenergie in Nährstoffe umzuwandeln. Dabei entsteht als „Abfallprodukt“ auch der für uns lebensnotwendige Sauerstoff. Wo wir gerade davon sprechen: Der Sauerstoff in der Erdatmosphäre ist vor 600 Millionen Jahren erst durch die chemische Arbeit der Pflanzen entstanden. Und ein wenig lebendiges Grün in der Umgebung, das man auf langweiligen Reisen pflegen muss, tut sicher auch der Psyche der Mars-Reisenden gut. Für den Flug zum Mars ist also klar: Der Garten muss mit!

Bitte nicht nur Algen-Brei!

Ein Kosmonaut prüft den Wachstum eines Kopfsalates. Bild: NASA
Ein Kosmonaut prüft den Wachstum eines Kopfsalates. Bild: NASA

Photosynthese – die Umwandlung von Kohlenstoffdioxid und Wasser mit Hilfe der Lichtenergie zu energiereicher Nahrung – beherrschen schon anspruchslose Grünalgen. Aber jeden Tag „Algen-Brei“ zum Frühstück? Lieber nicht! Doch bei anderen, höher entwickelten Pflanzen gibt es möglicherweise ein Problem: Die Wurzeln können in Schwerelosigkeit nicht mehr geordnet wachsen – sie „wissen“ ja nicht mehr, wo oben und unten ist (lies mehr dazu hier). Nun kann man natürlich probieren, die Pflanzen zu überlisten: Künstliches Licht spielt ihnen dann eine Sonne vor – und so „glauben“ die Pflanzen, dass da, wo die Lichtquelle ist, wohl oben sein muss. Solche Versuche, Weizen oder Salat in automatisch beleuchteten Schränken zu züchten, werden schon seit Jahren auf der ISS unternommen. Aber trotzdem: In der Schwerelosigkeit wachsen die Pflanzen schlechter. So ist die Bildung von Samen – zum Beispiel auch von Weizenkörnern – deutlich verringert. Ob die im Vergleich zur Erde geringere Schwerkraft auf dem Mars ausreicht, um Pflanzen zur Reife zu bringen, ist noch völlig unklar. Das gilt erst recht für unseren Mond, der ja noch kleiner ist als der Mars und der auch Ziel einer künftigen Weltraum-Mission sein könnte – inklusive Mondkolonie.

Kann man Pflanzen täuschen?

Man kann Pflanzen nicht nur mit Licht, sondern auch auf andere Art täuschen. Die fehlende Schwerkraft der Erde kann man durch einige „Tricks“ ersetzen. Zum Beispiel mit einer Zentrifuge, in der sich alles im Kreis dreht und dadurch – wie auf einem schnell drehenden Kettenkarussell – Fliehkräfte entstehen. Das ist, als ob man einen Eimer voll Wasser schnell im Kreis dreht: Das Wasser bleibt dann im Eimer – auch wenn er dabei mal auf dem Kopf steht. Raumschiffe mit Zentrifugen könnten also eine Lösung des Problems sein, indem so künstliche Schwerkraft erzeugt wird.

Zutritt nur für Vegetarier?

Das Experiment Biosphäre 2 in Arizona. Bild: Public Domain
Das Experiment Biosphäre 2 in Arizona. Bild: Public Domain

Wahrscheinlich müssen sich Astronautinnen und Astronauten bei langen Reisen durch All überwiegend vegetarisch ernähren – von ein paar Konserven à la Chili con Carne mal abgesehen. Natürlich könnte man theoretisch auch Fische mitnehmen. Ein Aquarium an Bord – denkbar, aber kompliziert. Denn auch für die Fische würde man dann natürlich wiederum Futter benötigen. Vielleicht also besser selbst essen, was man da an Pflanzen züchtet, als eine umständliche Nahrungskette aufbauen! Denn es wäre eine komplizierte Mischung aus Mikro- und Kleinstorganismen erforderlich, um das Mini-Ökosystem im Aquarium zu stabilisieren.

Das „System Erde“ verstehen

Versuche, vollständig geschlossene Systeme zu bauen, die auch Menschen über lange Zeit Nahrung bieten können, waren bisher nicht sonderlich erfolgreich. So gab es in den USA vor vielen Jahren ein großes Experiment namens Biosphere 2: Da wurde in Arizona ein Komplex aus riesigen Treibhäusern gebaut, in denen Teams von „Bionautinnen und Bionauten“ lange Zeit ohne jeden Kontakt zur Außenwelt leben sollten. Der Sauerstoff sollte von den vielen Pflanzen erzeugt werden – aber irgendwie funktionierte die Sache nicht richtig. Wahrscheinlich müssen wir das große, komplexe Ökosystem, in dem wir alle leben, nämlich unser „System Erde“, erst noch besser verstehen, bevor uns Nachbauten gelingen können – auch auf anderen Planeten.