Die Aufgabe eines Höhensimulationsprüfstandes besteht darin, Bedingungen zu schaffen, wie sie in Höhen von circa 120 Kilometern vorliegen. In dieser Höhe wird das Triebwerk der Oberstufe gezündet. In dieser Entfernung vom Erdboden herrschen Umgebungsdrücke von wenigen Millibar. Ingenieure sprechen bei solchen Druckwerten von einem „Vakuum“. Um feststellen zu können, ob bei diesen Randbedingungen ein Oberstufentriebwerk zuverlässig zündet und das Triebwerk im Vakuum problemlos funktioniert, muss es vor einer Mission unter den im Weltraum vorliegenden Bedingungen getestet werden. Dabei wird insbesondere das Zündverhalten des Triebwerks untersucht, die thermische Belastung der Strukturen analysiert und der Vakuumschub gemessen.
Der Prüfstand P4 wurde bereits zwischen 1963 und 1966 errichtet und seitdem mehrfach umgebaut und erweitert. Er ist mit den beiden Testpositionen P4.1 und P4.2 sowohl für Tests unter Boden- wie auch Höhenbedingungen geeignet.
Der für den Betrieb der Vakuumanlage notwendige Dampf wird von insgesamt fünf am DLR-Standort Lampoldshausen entwickelten Raketendampferzeuger bereitgestellt, die mit Alkohol und Flüssigsauerstoff (LOX) betrieben werden. Der Dampf verlässt die Dampferzeuger mit einem Druck von 22 bar und einer Temperatur von 210 Grad Celsius. Anschließend wird der Dampf in den Ejektoren der Vakuumanlage auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt und saugt dadurch die Verbrennungsgase des Triebwerks aus der Vakuumkammer. Alle fünf Dampferzeuger zusammen entwickeln eine thermische Leistung von 650 Megawatt. Die Tankkapazitäten sind für eine Betriebsdauer von 1.000 Sekunden ausgelegt.
P4.1 – Testzelle für das Vinci-Triebwerk
Der Prüfstand P4.1 wird nach seinem letzten Umbau im Jahre 2000 für die Entwicklung des Triebwerks Vinci® genutzt. Das Triebwerk erzeugt bei einem Durchsatz von circa 33 kg/s flüssigem Sauerstoff und 6 kg/s flüssigem Wasserstoff einen Schub von circa 180 Kilonewton. Zunächst sollte das Triebwerk in der Ariane 5 Midlife Evolution (ME) zum Einsatz kommen. Im Rahmen der ESA-Ministerratskonferenz im Dezember 2014 beschlossen die Mitgliedsstaaten die Entwicklung einer neuen Trägerrakete: Ariane 6. Für die Ariane 6 wird bei vielen Bauteilen auf die Erfahrungen und die Technologien von Ariane 5 zurückgegriffen. So auch auf das Vinci-Triebwerk, das die Transportkapazität der Ariane 6 auf circa 12 Tonnen in den geostationären Transferorbit steigern soll. Durch die Wiederzündbarkeit des Vinci-Triebwerks können von einer zukünftigen Ariane-6-Oberstufe mehrere Nutzlasten auf unterschiedliche Umlaufbahnen ausgesetzt werden.
P4.2 – Testzelle für das Aestus-Triebwerk
Am P4.2 wurde das Oberstufentriebwerk Aestus getestet. Das Triebwerk liefert einen Schub von circa 27,5 Kilonewton und wird mit Distickstofftetroxid (N2O4) als Oxidator und Mono-Methyl Hydrazin (MMH) als Brennstoff betrieben. 2008 startete zum ersten Mal eine Ariane-5-ES-Rakete mit einem in Lampoldshausen getesteten Aestus-Triebwerk in Richtung ISS. An Board der unbemannte Raumfrachter Automated Transfer Vehicle (ATV). Dieser europäische Raumtransporter brachte rund 20 Tonnen auf die Waage: ein echtes Schwergewicht.
Die letzte Mission für das Aestus-Triebwerk beinhaltete vier Galileo-Satelliten, die jeweils 700 Kilogramm wiegen. Damit das Aussetzen der Satelliten reibungslos funktioniert, wurde das Aestus-Triebwerk rund drei Jahre vor dem Start mit insgesamt acht Zündtests sowie mit einem Langzeitversuch, gefolgt von einer Wiederzündung, für den Flug abgenommen. Da für die Galileo-Mission das Triebwerk neu produziert wurde, sicherte eine sogenannte „Ariane Research and Technology Accompaniment" (ARTA)-Kampagne diese Flugabnahme ab. Dafür durchlief ein baugleiches Triebwerk insgesamt 115 Zündtests sowie ein Testprofil mit einem langen Heißlauf und – nach einer simulierten antriebslosen Freiflugphase – einer kurzen Wiederzündung. Zum Schluss folgten noch vier weitere Langzeitversuche mit jeweils vier Wiederzündungen.