Im Materials Science Laboratory können in verschiedenen Öfen Proben aus Metallen, Halbleitern oder Gläsern bei bis zu 1400 Grad Celsius unter genau kontrollierten Bedingungen aufgeschmolzen und erstarrt werden. Ziel der Forschung ist - vor allem später im industriellen Maßstab - Werkstoffe mit verbesserten Eigenschaften oder zu geringeren Kosten herstellen zu können. Die Besatzung der ISS ist neben der Wartung auch für das Einsetzen beziehungsweise das Austauschen von Kartuschen, in denen die Experimente enthalten sind, und die Anschlüsse an die Messelektronik zuständig.
CETSOL: Der Übergang von gerichteter zu ungerichteter Erstarrung in Aluminium-Legierungen
Hintergrund und wissenschaftliche Ziele:
Untersuchungsreihen an Legierungen in Laboren auf der Erde werden durch die Schwerkraft häufig verfälscht. Konvektion und Ablagerung – die sogenannte Sedimentation – führen bei der Erstarrung zur ungleichmäßigen Verteilung der Legierungsbestandteile im Werkstück. Die Wissenschaftler weichen deshalb in den Weltraum aus, wo sie ohne störende Schwerkraft ihre Proben schmelzen und erstarren lassen können. Das CETSOL-Experiment untersucht diese Abkühlungsvorgänge genauer. Zum Beispiel wachsen tannenbaumartige Strukturen – die sogenannten Dendriten – in der Schmelze gerichtet oder ungerichtet heran und bilden die sogenannte Kornstruktur. Die Wissenschaftler interessieren sich dabei vor allem für die kritischen Vorgänge beim Übergang von gerichteter zu ungerichteter Erstarrung – dem sogenannten CET – in Aluminium- Silizium-Legierungen. Forschung unter Schwerelosigkeit bietet dabei die Chance, das freie Dendriten-Wachstum ohne Sedimentation und Strömungseffekte zu studieren. Durch die Raumstations-Experimente wollen die Forscher verstehen, wie der CET-Effekt entsteht. Damit sollen bestehende 3D-Computersimulationen überprüft und verbessert werden, um künftig die Struktur von Gussteilen in der industriellen Fertigung – zum Beispiel bei der Herstellung von Turbinenschaufeln – gezielter zu beeinflussen und so die Materialeigenschaften entscheidend zu verbessern.
Experimentbeschreibung:
Im Rahmen von CETSOL werden Aluminium-Silizium-Legierungen in den Öfen Low Gradient Furnace (LGF) beziehungsweise Solidification and Quenching Furnace (SQF) des Materials Science Laboratory (MSL) aufgeschmolzen und anschließend erstarrt. Dabei werden wichtige Eigenschaften des Erstarrungsprozesses wie der Temperaturgradient in der Schmelze oder die Erstarrungsgeschwindigkeit verändert. Die Einstellungen sind so gewählt, dass daraus kritische Parameter für den Übergang von gerichtetem zu ungerichtetem Wachstum abgeleitet werden können.
MICAST: Das Erstarrungsverhalten von Aluminium-Gusslegierungen
Wird flüssiges Metall in eine Form gegossen, so kühlt es ab und erstarrt. Dabei bilden sich in der Schmelze Kristalle in Form von tannenbaumartigen Kristallstrukturen – die sogenannten Dendriten. Unter dem Mikroskop lässt sich nach dem vollständigen Abkühlen des Gussstücks ein dichtes Netz solcher Dendriten erkennen. Je feiner und dichter es ist, desto fester und stabiler ist der Werkstoff. Wie wirken Strömungen in der Schmelze auf die Entstehung dieses Dendriten-Netzwerks? Fände man eine Antwort auf diese Frage, so hätte man eines der größten ungelösten Probleme bei der Erstarrung von metallischen Legierungen entschlüsselt und gleichzeitig einen Weg gefunden, die Festigkeit von Legierungen gezielt zu erhöhen.
Im Rahmen des MICAST-Projektes wird die Ausbildung des dendritischen Netzwerkes in Aluminium-Gusslegierungen unter Schwerelosigkeit untersucht. Diese idealen Bedingungen sorgen dafür, dass es keine schwerkraft-getriebenen Strömungen gibt. So lässt sich in den ISS-Experimenten gezielt der Einfluss von unterschiedlich starken Schmelzströmungen untersuchen. Dabei wird während des Erstarrens ein rotierendes Magnetfeld zugeschaltet und so eine kontrollierte Strömung erzeugt. Untersucht man deren Wirkung auf das Dendriten-Netzwerk im Vergleich zu den absolut strömungsfrei erstarrten Bereichen in einer Probe, so können mathematische Modelle entwickelt werden, die Gießprozesse auf der Erde deutlich verbessern sollen.
Im Rahmen von MICAST werden Aluminium-Silizium- beziehungsweise Aluminium-Silizium-Eisen- Legierungen unterschiedlicher Zusammensetzung in den Öfen Low Gradient Furnace (LGF) beziehungsweise Solidification and Quenching Furnace (SQF) des Materials Science Laboratory (MSL) aufgeschmolzen und anschließend erstarrt. Dabei werden wichtige Eigenschaften des Erstarrungsprozesses wie der Temperaturgradient in der Schmelze und die Erstarrungsgeschwindigkeit variiert. Ein Teil der Proben wird jeweils unter strömungsfreien Verhältnissen erstarrt, während im anderen Teil eine kontrollierte Strömung durch Einschalten eines externen Magnetfeldes erzeugt wird.
SETA: Das Erstarrungsverhalten von mehrkomponentigen Legierungen
Sogenannte eutektische Legierungen haben im Gegensatz zu vielen anderen Legierungen, die einen Schmelzbereich aufweisen, einen eindeutig bestimmbaren Schmelzpunkt. Da alle Bestandteile gleichzeitig erstarren und dies stets bei einer viel niedrigeren Temperatur geschieht, als es bei den reinen Bestandteilen der Schmelze der Fall wäre, entsteht ein feines und gleichmäßiges Werkstoffgefüge mit einer Lamellen- Struktur. Bisher wurden bei diesen Erstarrungsvorgängen vornehmlich Legierungen untersucht, die nur aus zwei Bestandteilen bestehen. Im Gegensatz zu diesen sogenannten binären Eutektika ist das Erstarren von dreikomponentigen (ternären) eutektischen Legierungen bisher kaum erforscht. Das soll das SETA-Experiment nun ändern und die Dynamik der Lamellen-Struktur bei der Erstarrung von komplexen Legierungen aufklären. Die Experimente erfolgen an metallischen Legierungen aus Aluminium-Mangan- Silizium und aus Aluminium-Kupfer-Silizium. Darüber hinaus wird die organische Modelllegierung SCN-DC-NPG (Succinonitril-(D)Campher-Neopentylglykol) benutzt. SETA soll die bestehenden eutektischen Wachstumsmodelle überprüfen und erweitern. Langfristiges Ziel ist dabei die Entwicklung neuer eutektischer Verbundwerkstoffe für terrestrische Anwendungen auf der Basis verbesserter Wachstumsmodelle.
Die SETA-Experimente mit metallischen Legierungen werden im Solidification and Quenching Furnace (SQF) des Materials Science Laboratory (MSL) durchgeführt. Die Proben werden zunächst zu zwei Dritteln aufgeschmolzen und anschließend über 50 Millimeter kontrolliert erstarrt und abgeschreckt. Darüber hinaus werden insgesamt fünf Flugproben mit transparenten organischen Legierungen für die künftige ESAAnlage TRANSPARENT-1 in der Microgravity Science Glovebox (MSG) gefertigt. Diese Experimente erlauben im Gegensatz zu den metallischen Proben, die Bildung der Lamellen-Struktur während der Erstarrung direkt zu beobachten.