Aufatmen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen. Kurz nach neun Uhr am heutigen Mittwoch, den 16.11.2011 öffnet sich eine der Eingangsluken der ISS und eine neue dreiköpfige Kosmonautengruppe wird von den drei bisherigen ISS-Bewohnern auf der Internationalen Raumstation willkommen geheißen. Nach einem problemlosen Sojusflug haben ein Amerikaner und zwei Russen die ISS erreicht.
Damit kann endlich auch ein Notfallplan ad acta gelegt werden, der in den vergangenen Wochen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen mit Hockdruck zusammengestellt wurde. Denn es bestand die Möglichkeit, dass die ISS das erste Mal in ihrer 13jährigen Geschichte komplett geräumt werden würde. Der Grund für solche Überlegungen war der Absturz einer russischen unbemannten Progress-Versorgungsmission Mitte August dieses Jahres. Nachdem ein baugleicher Raketentyp auch für die bemannten Sojus-Flüge zur ISS im Einsatz ist – derzeit das einzige Raumschiff, das Astronauten auf die Raumstation bringen kann- , wollte die russische Weltraumbehörde zunächst die Ursache für den Absturz analysieren und in zwei unbemannten Flügen der Rakete deren Zuverlässigkeit unter Beweis stellen, bevor wieder Menschen damit transportiert werden. Wären nun bis Mitte November die Trägerraketen noch nicht wieder freigegeben worden, so hätte die gegenwärtige dreiköpfige Besatzung der ISS zur Erde zurückkehren müssen, bevor die Ablösung auf der Raumstation eingetroffen wäre. Denn auch Sojuskapseln haben ein Ablaufdatum – und ihre Landekapsel darf nur noch bis Mitte November unter den harten Weltraumbedingungen an der ISS angedockt bleiben, damit ein sicherer Wiedereintritt in die Erdatmosphäre gewährleistet ist.
Auch wenn die Möglichkeit einer unbemannten ISS nicht sehr wahrscheinlich war - Raumflugbetrieb bedeutet immer, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein und auch die „what, if…“-Szenarien in die Überlegungen mit einzubeziehen. Deshalb wurde in den letzten Wochen mit hoher Priorität am Columbus Control Center unter der Leitung von Flugdirektor Cesare Capararo und in enger Zusammenarbeit mit der NASA eine Fallstudie durchgeführt, wie die ISS und insbesondere das europäische Forschungslabor Columbus ohne Astronauten betrieben werden kann. „Wir mussten alle Eventualitäten berücksichtigen. Wäre es wirklich zu einem ‚decrewing’ der ISS gekommen, so hätten wir bereits eine Liste in der Tasche gehabt mit allen Dingen, die die Astronauten vor dem Verlassen der Raumstation noch erledigen hätten müssen. Besonders für eine eventuell längere unbemannte Phase sollten wir tunlichst in Gedanken bereits alle Probleme durchgespielt haben, für die wir im Normalfall auf die Astronauten zurückgreifen würden“, so Capararo.
Seit dem Einzug der ersten Besatzung Ende 2000 war die ISS bisher ununterbrochen von Astronauten bewohnt. Während der Ausbauphase gehörten drei Personen zur Stammbesatzung. Zwischenzeitlich musste die Crew nach der Columbiatragödie 2003 auf zwei Mann reduziert werden. 2006 war es dann der Deutsche Thomas Reiter, der die Besatzung wieder auf eine Ist-Größe von drei Personen aufstockte. Mit dem Ende des Ausbaus wurde dann 2009 auf sechs Astronauten erweitert, was bis auf kurze Phasen während des Besatzungsaustauschs nun die normale Konfiguration darstellt.
Der erfolgreiche Sojusflug stellt nun sicher, dass der Außenposten der Menschen im All weiterhin permanent bemannt bleibt. Im Columbus-Kontrollzentrum kann man sich nun wieder mit voller Konzentration den anderen wichtigen Vorbereitungsarbeiten widmen: Im Dezember wird mit André Kuipers wieder ein europäischer Astronaut und zudem ein guter Bekannter des Oberpfaffenhofener Teams für ein halbes Jahr auf der ISS einziehen – ihn will man natürlich auf jede erdenkliche Weise bei seiner Mission unterstützen.