Neue europäische Perspektive für Russlands erprobtestes Trägersystem
Mit Sojus startet seit Oktober 2011 auch eine aus russischer Entwicklung stammende Trägerrakete vom europäischen Weltraumzentrum Kourou in Französisch Guyana. Für ihren dortigen Einsatz wurde die Grande Dame der russischen Raumfahrt zunächst einem "Lifting" unterzogen: Die tropentaugliche Sojus ST ist die modernste und leistungsfähigste Version der Sojus-2-Rakete. Bis zu sechs Nutzlasten trägt die rund 46 Meter hohe und über 300 Tonnen schwere Rakete pro Start in den Orbit.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten für Sojus ST
Sojus ST besteht aus drei mit Flüssigtreibstoff betriebenen Stufen sowie einer Fregat-Oberstufe, die bis zu sechsmal gezündet werden kann. Hierdurch ist Sojus-ST in der Lage, auch komplexe Missionen mit unterschiedlichen Zielorbits durchzuführen.
Zum Beispiel kann die Rakete rund fünf Tonnen in den erdnahen, drei Tonnen in einen Geostationären Transferorbit oder 1,5 Tonnen in einen Geostationären Orbit transportieren. Damit nimmt Sojus ST eine Mittelposition zwischen der Schwerlastrakete Ariane 5 (rund zehn Tonnen) und der Kleinrakete VEGA (bis 2,5 Tonnen) ein. Für den Start von Satellitenkonstellationen ist die Trägerrakete ebenso geeignet wie für den Transport von Navigations- oder Erdbeobachtungssatelliten.
Wie Sojus nach Kourou kam
Das russische Trägersystem Sojus gilt als extrem zuverlässig. Es ist seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts im Einsatz und die am häufigsten verwendete Trägerrakete der Welt. Bereits seit Mitte der 90er Jahre war Sojus im Rahmen eines russisch-europäischen Joint Venture, "Starsem", für westliche Kunden verfügbar. Allerdings konnten nur Starts vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan angeboten werden.
Dies brachte einige Einschränkungen, sowohl technischer als auch politischer Art, bei der Vermarktung mit sich. Schon frühzeitig wurde deshalb darüber nachgedacht, Sojus von Kourou aus zu nutzen. Auch die geographische Lage von Kourou in Äquatornähe ist für Raketenstarts günstiger als das weiter nördlich gelegene Baikonur: Die Trägersysteme profitieren von der höheren Erdrotations-Geschwindigkeit. Sie benötigen hierdurch weniger Treibstoff oder können bei gleicher Treibstoffmenge schwerere Lasten tragen.
Im Juni 2002 verständigten sich die ESA-Mitgliedstaaten in einer Resolution zur verstärkten Zusammenarbeit mit Russland im Bereich der Trägersysteme. Ein Element dieser Vereinbarung war die Öffnung der europäischen Startanlagen in Kourou für russische Sojus-ST-Trägerraketen und eine Vermarktung dieses Systems durch Arianespace. Auf der ESA-Ministerratskonferenz im Mai 2003 wurde das Programm "Sojus in Kourou" durch die europäischen Forschungsminister beschlossen und am 4. Februar 2004 formal gezeichnet. Deutschland beteiligt sich neben Frankreich, Italien, Spanien, Belgien und der Schweiz an dem Programm. Die offizielle Grundsteinlegung des Startplatzes fand am 26. Februar 2007 statt. Die Arbeiten zum Bau und Qualifikation der Startanlagen auf dem Startgelände in Kourou wurden im Sommer 2011 abgeschlossen.
Der erste Start eines Sojus-ST-Trägers vom europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana erfolgte am 21. Oktober 2011. An Bord waren die beiden ersten voll funktionsfähigen Satelliten des zukünftigen europäischen Satellitennavigationssystems Galileo.
Parameter der Sojus ST
Stufen
Quelle: Arianespace, Soyus User's Manual, Issue 2 Revision 0, März 2012
** Angaben pro Booster * Glossar GTO - Geostationärer Transferorbit GEO - Geostationärer Orbit SSO - Sonnensynchroner Orbit LEO - Niedriger Erdorbit MEO - Mittlerer Erdorbit LOX - Flüssiger Sauerstoff N2O4 - Distickstofftetroxid UDMH - Unsymmetrisches Dimethylhydrazin