Unter Schwerelosigkeit leiden Menschen oft an Bewegungskrankeiten. Diese so genannten Kinetosen ähneln der Seekrankheit. Die Gründe für Kinetosen liegen in der Art, wie der Körper Schwerkraft wahrnimmt. Dies geschieht bei Menschen und Wirbeltieren durch kleine Schweresteinchen, die Otolithen. Sie befinden sich im Innenohr und bestehen im Wesentlichen aus Kalk. Die Mineralisation der Otolithen wird vom Gehirn gesteuert und ist individuell unterschiedlich effektiv. Dadurch kann es passieren, dass diese Innenohrstrukturen asymmetrisch aufgebaut werden. An Fischen - als Modellsystem für Wirbeltiere - konnte das Wissenschafts-Team im Rahmen früherer Experimente herausfinden, dass die Anfälligkeit für Kinetosen von der individuell unterschiedlichen Mineralisierung von Schweresteinen im Innenohr abhängt.
Da es unterschiedlich lange dauert, bis sich die Fische an die Schwerelosigkeit angepasst haben, wollen die Wissenschaftler im Rahmen dieses Experiments klären, ob Verhaltensänderungen erfassbar sind und ob diese eine Anpassung darstellen. Außerdem möchten die Forscher herausfinden, inwieweit die individuell unterschiedlich verlaufende Regulation der Otolithen-Mineralsierung hierauf einen Einfluss haben könnte.
Buntbarsche im Larvenstadium (Oreochromis mossambicus) werden an Bord einer TEXUS- Rakete sowohl unter Schwerelosigkeit als auch unter reduzierter Schwerkraft (0,04g) in einer sich langsam drehenden Zentrifuge gehalten. Während des Fluges werden von den Tieren Videoaufnahmen gemacht. Um die Fische individuell hinsichtlich ihrer Otolithen-Mineralisation in Abhängigkeit zum zeitlichen Ablauf der Verhaltensanpassung untersuchen zu können, werden sie einzeln in kleinen Kammern gehalten. Die beiden Schwerkraft-Stufen werden genutzt, um herauszufinden, ob die verbleibende Restschwerkraft einen Einfluss auf die Geschwindigkeit der Verhaltensanpassung hat.
Nach dem TEXUS-Flug analysieren die Wissenschaftler die Videoaufnahmen und ermitteln mögliche Verhaltensänderungen und Anpassungen an die Schwerelosigkeit (Habituationen). Parallel vermessen sie die Otolithen der Fische hinsichtlich ihrer Größe und bestimmen zusätzlich deren Kalziumverteilung. Danach wollen die Forscher die Frage beantworten, ob solche Fische, die für eine Anpassung an verminderte Schwerkraft besonders lange gebraucht haben, eine besonders hohe Otolithen-Asymmetrie aufweisen (Unterschiede in der Größe der linken gegenüber den rechten Steinen) und ob in den Steinen dieser Tiere das Kalzium besonders irregulär eingelagert wurde. Schließlich sollen die Daten der unter den beiden Schwerkraft-Stufen durchgeführten Teil-Experimente miteinander verglichen werden.
Die Untersuchungen werden wichtige Einblicke in die Ursachen von Kinetosen geben und die übergeordnete Frage beantworten, weshalb die Anpassung an Schwerelosigkeit individuell unterschiedlich rasch erfolgt. Da die Innenohren von Fischen denen anderer Wirbeltiere und des Menschen weitestgehend ähnlich sind, werden die Basisbefunde dieser Studie auf die Verhältnisse beim Menschen übertragbar sein.