Der deutsch-französische Kleinsatellit MERLIN (Methane Remote Sensing LIDAR Mission) ist eine Klimamission, die das Treibhausgas Methan in der Erdatmosphäre beobachten soll. Mit Hilfe eines LIDAR-Instruments (Light Detecting and Ranging) wird MERLIN ab dem Jahr 2024 aus einer Höhe von rund 500 Kilometern das Treibhausgas in der Erdatmosphäre aufspüren und überwachen. Ziel der dreijährigen Mission ist unter anderem die Erstellung einer globalen Weltkarte der Methankonzentrationen. Außerdem soll die Mission Aufschluss darüber geben, in welchen Regionen der Erde Methan in die Atmosphäre eingebracht wird (Methanquellen) und in welchen Gebieten es ihr wieder entzogen wird (Methansenken).
Warum Methan-Messungen?
Methan (CH4) ist nach Kohlendioxid (CO2) der zweitgrößte Beitrag zur anthropogenen, also von Menschen verursachten, Klimaerwärmung. Das von den Vereinten Nationen eingesetzte Wissenschaftlergremium Intergovernmental Panel for Climate Change (IPCC) bescheinigte Methan ein 25-fach höheres Potenzial zur globalen Erwärmung als CO2. Der weltweite Methangehalt stieg seit Beginn der Industrialisierung aufgrund anthropogener Emissionen auf die doppelte atmosphärische Konzentration an - der Gehalt von Kohlendioxid "lediglich" um 30 Prozent.
Besonders die Daten aus der jüngsten Vergangenheit sind beunruhigend: 2007 und 2008 stieg die atmosphärische Methankonzentration wieder deutlich an, nachdem sie mehr als zehn Jahre in etwa konstant war. Zwar gibt es verschiedene Theorien, was diesen Anstieg verursachen könnte, aber die tatsächlichen Ursachen für dieses Phänomen sind noch unbekannt. Hier soll die Mission Licht ins Dunkel bringen.
Methan
Das Treibhausgas Methan entsteht in der Regel bei Fäulnisprozessen, also der Zersetzung von biologischem Material durch Mikroorganismen in einer Sauerstoff-freien Umgebung. Dies geschieht zum Beispiel im Bodenschlamm von Gewässern. Die wichtigsten natürlichen Quellen sind Feuchtgebiete, vor allem in den Tropen und den nördlichen Breiten. Die wesentlichen anthropogenen, also vom Menschen verursachten Methan-Quellen sind Reisanbau, Viehhaltung, Erdöl- sowie Erdgas-Förderung, Bergbau und Mülldeponien.
In Zukunft könnte die Methangaskonzentration sogar stark ansteigen: Sollten im Zuge der Erderwärmung die Dauerfrostböden Russlands und Kanadas auftauen, entstehen Schmelztümpel, in denen durch Fäulnisprozesse Methan gebildet wird, das in die Atmosphäre entweicht und die Klimasituation weiter verschlimmert. Erwärmen sich durch den Klimawandel die Ozeane, so werden auch dort enorme Mengen an Methan freigesetzt, die bislang in gefrorenem Zustand als so genannte Gas-Hydrate in den Sedimentschichten der Weltmeere ruhen. Diese beiden Prozesse stellen eine große Unsicherheit in den Modellen für die zukünftige Entwicklung des Weltklimas dar.
Um Klimaveränderungen zuverlässig vorhersagen und effektiven Klimaschutz betreiben zu können ist es dringend notwendig, den Methanzyklus besser zu verstehen. Die hochpräzise globale Vermessung und Kartierung des Methangehaltes in der Erdatmosphäre kann nur vom Weltraum aus erfolgen, da hierfür die Erde kontinuierlich und großräumig beobachtet werden muss. Besonders die Schlüsselregionen wie tropische Feuchtgebiete, Regenwälder und Permafrost-Regionen sind ohne Satelliten nur schwer zugänglich.
LIDAR funktioniert bei Tag und Nacht
Bisher wurde die Methankonzentration vom europäischen Umweltsatelliten ENVISAT (durch das Instrument SCIAMACHY) und dem japanischen Satelliten GOSAT beobachtet. Beide arbeiten mit so genannten "passiven" Instrumenten. Das heißt, sie nutzen das vom Erdboden zurückgestreute Sonnenlicht, um den Spurengasgehalt (beispielsweise CH4) in der Atmosphäre zu messen. Sie sind somit auf Tageslicht angewiesen und liefern nur bei klarem Himmel optimale Messwerte.
Auf MERLIN kommt hingegen ein "aktives" LIDAR-Instrument zum Einsatz. Es verfügt über eine eigene "Beleuchtung" (den Laser) und kann somit auch bei Nacht oder selbst durch dünne Zirruswolken hindurch messen. Zur Messung der Konzentration eines bestimmten Spurengases werden Lichtpulse in zwei nah beieinander liegenden Wellenlängen ausgesandt. Die eine Wellenlänge wird von dem gesuchten Spurengas absorbiert (Lambda-on), die andere nicht (Lambda-off). Aus der Differenz der beiden vom Erdboden zurück gestreuten Signale kann die Methankonzentration sehr genau bestimmt werden.
Die Messwerte, die der Satellit aufzeichnet, können von Wissenschaftlern mit Hilfe von Daten über Windgeschwindigkeiten und -richtungen in globale Methanflusskarten umgerechnet werden. Diese Methode der so genannten inversen Modellierung führt zu Darstellungen, aus denen die tatsächlichen regionalen Methanflüsse abgeleitet werden können.
Technologie-Entwicklung aus Deutschland
Die Technologien für das LIDAR-Instrument, das auf MERLIN installiert wird, liefern deutsche Industrieunternehmen und Forschungsinstitute. In verschiedenen vom DLR Raumfahrtmanagement und von der ESA geförderten Projekten wurde unter anderem von den Firmen Astrium (Ottobrunn), Kayser-Threde (München), Cassidian Optronics (Oberkochem) und Jena Optronik (Jena), sowie dem Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (Aachen) Technologien für zukünftige LIDAR-Instrumente entwickelt und getestet.
Auf deutscher Seite liegt die wissenschaftliche Verantwortung für das Instrument bei der LIDAR-Abteilung des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre (IPA) in Oberpfaffenhofen. Sie entwickelt und betreibt bereits flugzeuggestützte LIDAR-Systeme, mit denen beispielsweise Windstärke, Wasserdampf-, Methan- oder Kohlenstoffdioxidgehalt der Atmosphäre gemessen werden. Das vom IPA entwickelte, und auf dem gleichen Messprinzip wie MERLIN basierende, Methan- und Kohlendioxid-LIDAR CHARM-F wird auf dem DLR-Forschungsflugzeug HALO eingesetzt so dass diese Messmethode für die MERLIN-Mission vorab erprobt werden kann.
Zudem spürt bereits seit mehreren Jahren ein vom DLR entwickeltes LIDAR-Messinstrument, CHARM (CH4 Airborne Remote Monitoring), von einem Hubschrauber aus Methanlecks an Erdgaspipelines auf. Um Methan weltweit auf die Spur zu kommen, soll die Messgenauigkeit dieses LIDARs verbessert werden und auf MERLIN zum Einsatz kommen.
MERLIN: ein deutsch-französischer Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels
Die Mission ist das erste gemeinsame Projekt von Deutschland und Frankreich im Bereich Erdbeobachtung seit dem Jahr 1994. Sie wurde von beiden Nationen im Rahmen der deutsch-französischen Ministerratskonferenz im Februar 2010 beschlossen. Mit diesem Schritt haben sich die beiden größten Raumfahrtnationen Europas entschieden, durch ihre Raumfahrtagenturen CNES und DLR einen sichtbaren Beitrag zum besseren Verständnis der Ursachen des Klimawandels zu leisten.
Frankreich wird mit dem Gesamtsystem und dem Satellitenbus - einer sogenannten MYRIADE Evolutions-Plattform - sowie dem Betrieb des Satelliten und mit der Startrakete betraut. Deutschland soll das Methan-LIDAR-Instrument an Bord des Satelliten entwickeln. Beide Nationen kümmern sich gemeinsam um das Nutzlastbodensegment und die wissenschaftliche Auswertung der Methandaten.
In den Jahren 2010 bis 2015 wurde gemeinsam von CNES und DLR Raumfahrtmanagement eine wissenschaftliche Konzept- und eine technische Machbarkeitsstudie erstellt sowie das vorläufige technische Design für das Satellitensystem erarbeitet. Die finale Design-und Bauphase hat begonnen. 2024 soll der Satellit in den Weltraum starten.