Montag, 28. Januar 2008
Es ist kalt. Die Landschaft liegt unter einer dichten Schneedecke und der eisige Wind treibt winzige Eiskristalle wie feinen Sand vor sich her. Zehn Grad unter Null zeigt das Thermometer auf ESRANGE, dem Raketenstartplatz beim schwedischen Städtchen Kiruna. Doch hier am Nordpolarkreis sind das geradezu frühlingshaft milde Temperaturen.
Minus 30 Grad Celsius sind um diese Jahreszeit keine Seltenheit. Die Sonne lässt sich erst um 9 Uhr blicken und erhebt sich nur geringfügig über den Horizont. Schon gegen 15 Uhr verschwindet sie gänzlich und eine lange Nacht beginnt. Recht unwirtliche Bedingungen, sollte man meinen. Und doch zieht es Forscher aus aller Welt hierher.
Denn seit über 30 Jahren starten von ESRANGE die Forschungsraketen des TEXUS-Programms. TEXUS, das steht für "Technologische Experimente unter Schwerelosigkeit". Die Forscher führen darin Versuche zu biologischen, physikalischen und materialwissenschaftlichen Fragen durch. In wenigen Tagen startet die Mission TEXUS 44 mit drei Experimenten aus Deutschland und Italien an Bord.
Auf dem Gelände laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren. Die Wissenschaftsteams bereiten seit Tagen ihre Versuchsanlagen vor. In den Fertigungsräumen und Laboren wird geschraubt, montiert und kalibriert. Die Biologen kümmern sich um ihre Pflanzenkeimlinge, während die Materialwissenschaftler die Leitungen ihrer Geräte überprüfen.
Dies tun sie mit Hilfe einer Helium-Pistole. Ein Wissenschaftler "schießt" damit das leichte Gas auf die Leitungen. Die Helium-Moleküle sind so klein, dass sie durch die kleinsten Ritzen und Risse hindurchschlüpfen. Wenn die Leitung nicht absolut dicht ist, lässt sich also am Ende der Leitung Helium nachweisen. Doch "die Luft ist rein" und die Forscher sind dementsprechend zufrieden.
In der Skylark-Halle herrscht höchste Sicherheitsstufe
Auch die Raketen-Hardware wird jetzt startklar gemacht. Eine TEXUS-Rakete besteht aus zwei Motoren (Boostern), dem Experiment-Modul und der Raketenspitze, die den Bergungsmechanismus mit einem Fallschirm beinhaltet. Neben der Integrationshalle, wo die Wissenschaftler mit der Nutzlast beschäftigt sind, befindet sich die Skylark-Halle.
Hier ist das Reich der Techniker. Seit 2005 montieren sie dort jedoch keine Skylark-Motoren mehr, sondern brasilianische VSB 30-Booster. Ein S-31-Motor treibt die erste Raketenstufe an, ein S-30-Booster die zweite. Beide Stufen enthalten giftigen und leicht entzündlichen festen Treibstoff. Daher ist die Arbeit der Techniker sehr gefährlich und die Sicherheitsbestimmungen in der Halle sind dementsprechend hoch. Kein Job für Menschen mit schwachen Nerven oder militante Raucher.
Heute besteht die Aufgabe darin, die zweite Raketenstufe fertig zu montieren und in die Führungsschiene zu setzen, mit welcher der Booster zur Startrampe gebracht und aufgerichtet wird. Dabei gehen die Techniker trotz all ihrer Routine sehr bedächtig zu Werke.
Zentimeterweise hebt ein Kran die Stufe in die Höhe und transportiert sie vorsichtig auf das riesige Metallgerüst. Größte Konzentration herrscht beim Ablassen des Raketenteils. Doch nach etwa 20 Minuten ist es geschafft. Der Booster ist sicher auf der Führungsschiene montiert und fertig für den morgigen Transport zum Startsilo.