Auf den ersten Blick erscheint die Atmosphäre der vollständig von Wolken verhüllten Venus in den Wellenlängen des sichtbaren Lichts ziemlich monoton und arm an unterscheidbaren Strukturen. Wenn man jedoch den von der Wolkendecke reflektierten ultravioletten Anteil der elektromagnetischen Strahlung in Bildern festhält, offenbart sich die tatsächliche Dynamik der Atmosphäre viel besser. Dann sind den Planeten umspannende und ineinander übergehende dunkle und helle Streifen zu erkennen, die deutlich machen, wo die ultraviolette Sonnenstrahlung absorbiert oder reflektiert wird. Im Juli 2007 nahm die VMC eine Serie von Bildern auf, die zeigen, wie sich ein helles Dunstgebiet vom Südpol über große Teile der Südhalbkugel ausbreitet. Die VMC-Bilder werden nach ihrem Empfang durch das Europäische Weltraum-Kontrollzentrum in Darmstadt zunächst am IDA und dann am DLR-Institut für Planetenforschung für die wissenschaftliche Auswertung vorbereitet und dem VMC-Team zur Verfügung gestellt.
Innerhalb von wenigen Tagen wurde der auf den Bildern sichtbare Dunstschleier in großer Höhe kontinuierlich heller, dehnte sich zum Äquator hin aus, ging wieder in Richtung des Südpols zurück und wurde wieder dunkler. "Dieser helle Dunstschleier besteht aus Wolken von Schwefelsäuretröpfchen", erklärt Dr. Dmitri Titov vom MPS, Wissenschaftskoordinator von Venus Express und Co-Investigator der VMC. Dieser "chemische Fingerabdruck" lässt das VMC-Team auf einen ganz bestimmten Entstehungsprozess schließen. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden Ende 2007 in einem Aufsatz im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht.
Wasserdampf und Schwefelsäure steigen aus tieferen Schichten auf
"Solche globalen Wetterlagen lassen auf schnelle, sehr dynamische chemische und mikrophysikalische Prozesse schließen, die sich in der Venusatmosphäre abspielen", sagt MPS-Wissenschaftler Titov. "Während dieser Episoden der Wetteränderung nahm die Helligkeit der Dunstschichten in den südlichen polaren Breiten um mehr als ein Drittel zu, und schwächte sich auch genau so schnell wieder ab, nachdem sich die Schwefelsäureteilchen zusammengeballt haben."
In einer Höhe von etwa 70 Kilometern und direkt darunter enthält die Kohlendioxid-Atmosphäre der Venus geringe Mengen an Wasserdampf und gasförmiger Schwefelsäure. Gewöhnlich sind der Wasserdampf und die Schwefelsäure unter dichten Wolken verborgen und in den sichtbaren Wellenlängen des Lichts nicht zu erkennen. Durch atmosphärische Prozesse können die Moleküle jedoch über die oberste Wolkendecke aufsteigen, wo sie massiv der UV-Strahlung ausgesetzt sind. Dadurch werden die molekularen Bindungen zwischen den Atomen aufgebrochen, die Moleküle ionisiert und stark reaktiv. Die einzelnen Fragmente finden wieder zueinander, gehen wieder atomare Bindungen ein und bilden erneut Schwefelsäure; dieser Prozess verrät sich durch die Aufhellung der Dunstschichten der oberen Atmosphäre und kann von der VMC beobachtet werden.
Ähnlichkeit mit Prozessen im Smog der irdischen Großstädte
"Das Phänomen kann mit Vorgängen in städtischen Dunstglocken, dem vom Menschen gemachten Smog, verglichen werden", erklärt Titov. Nach mehr als 600 Umrundungen der Venus plant das VMC-Team jetzt Beobachtungen, die zeigen sollen, ob sich die Zunahme und der Rückgang der hellen Schwefelsäure-Dunstschleier in einem bestimmten Muster wiederholen. Die wichtigste Frage ist, welcher Prozess dafür sorgt, dass Wasserdampf und Schwefelsäure aus tieferen Schichten aufsteigen. Titov vermutet, dass wohl ein dynamischer Vorgang tiefer in der Venusatmosphäre dafür verantwortlich ist. Auch könnte die schwankende Aktivität der gerade etwas mehr als einhundert Millionen Kilometer entfernten Sonne eine Rolle spielen.
Während das VMC-Team nach den Ursachen für die Entstehung und der auffälligen Dynamik der hellen Dunstschleier suchte, blieb eine weitere Frage unbeantwortet: Die Natur der dunklen Partien auf den Wolkenbildern der Venus ist noch rätselhaft. Die dunklen Wolkenbänder werden durch eine chemische Verbindung hervorgerufen, die das UV-Licht der Sonne stark absorbiert. Doch die Zusammensetzung dieser Substanz konnten die Atmosphärenforscher noch nicht identifizieren. Mit den VMC-Bildern kann die Verbreitung und Dynamik dieser dunklen Stellen nun viel besser erfasst werden.
Mit Hilfe eines anderen Instruments auf Venus Express, dem Spektrometer VIRTIS (Visible and InfraRed Thermal Imaging Spectrometer), könnte es möglich sein, die Natur und chemische Zusammensetzung dieses ominösen "UV-Absorbers” zu entschlüsseln. Auch im VIRTIS-Team sind DLR-Wissenschaftler den Geheimnissen der Venus auf der Spur. Die Mission Venus Express wurde von der ESA bis ins Frühjahr 2009 verlängert und umrundet den inneren Nachbarplaneten der Erde seit dem 11. April 2006 auf einer elliptischen Umlaufbahn einmal in 24 Stunden.