Das Leben unter extremen Bedingungen ist begleitet von einer Vielzahl an Stressoren. Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen physiologischen Stressoren (zum Beispiel Schwerelosigkeit, fehlendes Sonnenlicht) und psychischen Stressoren (zum Beispiel Isolation). Eine Vielzahl von Studien der vergangenen Jahre haben die Wirkung von Sport und Bewegung als Stresskiller beschrieben. Ein individuelles Sport und Bewegungsprogramm kann sich positiv auf die mentale Gesundheit und die kognitive Leistungsfähigkeit, beides Faktoren die für den Erfolg und die Sicherheit einer möglichen Langzeitmission, auswirken. Jedoch bleiben die zugrundeliegenden Mechanismen der Auswirkungen eines regelmäßigen Trainingsprogramms auf die neurokognitive Leistungsfähigkeit bislang weitestgehend unbeantwortet. Dies ist primär auf die Schwierigkeit der Nutzung bildgebender Verfahren unter solch extremen Bedingungen zurückzuführen. Darüberhinaus muss die Reliabilität und Validität bisheriger Testverfahren zur Erfassung (neuro-)kognitiver Prozesse im Zuge von Langzeitmissionen neu überdacht werden. Insbesondere dort, wo über Testverfahren eine künstliche Situation geschaffen wird, ist zu hinterfragen, ob eine Redundanz in der Durchführung nicht die Ergebnisse verfälscht. Gegenwärtig tendiert man zur Entwicklung sogenannter eingebundener (embedded) Testverfahren, also Testverfahren, die in den Rahmen operationaler Anwendungen des Tagesgeschäfts integriert werden und damit vor allem die Motivation und die Akzeptanz innerhalb der Crew erhöhen.
Die Teilnahme an der 26. DLR Parabelflugkampagne (CoPF mit ESA und CNES) ermöglicht die Umsetzung von Experimenten, die sich im Rahmen der experimentellen Möglichkeiten auf der ISS an den o.g. Vorgaben orientieren. Das gegenwärtig von der russischen Besatzung auf der ISS durchgeführte‚ Soyuz Docking Manöver Training’, welches die Kosmonauten in einem virtuellen Szenario auf das manuelle Andocken der Soyuz Raumkapseln vorbereitet, eignet sich hervorragend für ein solches, eingebettetes Testverfahren bei dem operationale Aspekte im Vordergrund stehen. Es soll in drei Studien untersucht werden, ob (1) mit Hilfe von bildgebenden Verfahren (EEG in Kombination mit quellenbasierter Elektrotomographie) neurokognitive Marker (P300) beim Docking Manöver Training abzubilden sind und diese mit der Qualität des Docking korrelieren, (2) diese Marker und die Qualität des Dockings durch Stress beeinflusst werden und (3) ein adäquates Sport- und Bewegungsprogramm etwaigen negativen, stressbedingten Effekten entgegenwirken kann und – wie allgemein angenommen – sich positiv auf die Konzentrations- und Aufmerksamkeitsfähigkeit auswirkt. Zu diesem Zweck sollen im Rahmen der 26. DLR Parabelflugkampagne die entwickelten Messapparaturen auf Funktionalität und Kompatibilität in Anwendung unter Schwerelosigkeit validiert werden.
Die Einbindung dieses Experiments in die Forschungsaktivitäten des Instituts für Bewegungs- und Neurowissenschaften der Deutschen Sporthochschule Köln, ermöglicht ein tieferes Verständnis des Zusammenhangs zwischen einem aktiven Lebensstil und physischer wie psychischer Gesundheit. Dieses Experiment bereichert das Portfolio des Instituts, welches von der Auswirkung eines regelmäßigen Sport- und Bewegungsprogramms in der Schule, bis hin zur Bedeutung eines aktiven Lebensstiles zur Prävention von Demenzerkrankungen reicht. Frei nach dem Motto: Aus dem All für den Alltag.