Granulare Materialien bestehen aus Teilchen, die einen Größenbereich überspannen von etwa einem Tausendstel Millimeter bis über Zentimeter hinaus. Charakteristisch für ihr Verhalten ist der Energieverlust, der auftritt, wenn zwei Granulatteilchen zusammenstoßen. Daraus folgt, dass eine Ansammlung solcher Teilchen ohne Energiezufuhr unter dem Einfluss der Schwerkraft sich meist in Ruhe und damit fern vom thermischen Gleichgewicht befindet. Die Untersuchung solcher Zustände erfordert daher Methoden, die über bekannte Festkörper oder Flüssigkeiten hinausgeht. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Übergang von einer mechanisch stabilen Packung zu einer losen Ansammlung von Teilchen, die keine Kräfte mehr übertragen kann. Dieser Übergang kann kontrolliert nur im Zustand der Schwerelosigkeit untersucht werden. Denn nur hier ist es möglich, Zustände sehr nahe am Übergang überhaupt für genügend lange Zeit zu beobachten.
Um Granulate zu charakterisieren, bieten sich mehrere experimentelle Methoden an. Eine sehr etablierte Methode für die Untersuchung dichter Packungen ist die Messung des Schalltransportes. Bekannt ist etwa, dass für höheren Druck auf die Granulatpackung die Schallgeschwindigkeit zunimmt. Damit verhalten sich bei hohem Druck Granulate ähnlich wie Flüssigkeiten: Die Schallgeschwindigkeit ändert sich mit dem Druck, nicht aber mit der Lautstärke. Für sehr niedrigen Druck allerdings befindet man sich nahe am Übergang, wo die mechanische Stabilität verloren geht, und die einzelnen Teilchen beginnen ihre Kontakte zueinander zu verlieren. Gleichzeitig können in diesem Bereich zusätzlich durch Schallwellen auch neue Kontakte gebildet werden. In diesem Parameterbereich hängt deshalb die Schallgeschwindigkeit auch von der Lautstärke des Schalls ab, also der Auslenkung der Teilchen. Man spricht bei diesem ungewöhnlichen Verhalten von Schockwellen.
Die Messung von Schall und insbesondere von Schockwellen in Granulaten ist Ziel des Experimentes im Parabelflug. Dabei spielt der Schweredruck eine entscheidende Rolle: Gerade wenn die Packung beginnt, ihre mechanische Stabilität zu verlieren und sich Schockwellen ausbilden, beeinflusst gleichzeitig die Schwerkraft das Verhalten der Teilchen überaus stark durch die Ausbildung von Druckunterschieden in der Packung. Denn unter Schwerkraft erfahren die Granulatteilchen im unteren Bereich der Packung einen erheblich größeren Druck als die Teilchen oben. Und dieser Druckunterschied verfälscht die Schallmessung so deutlich, dass eine zuverlässige Messung nur in Schwerelosigkeit möglich ist.
Die im Parabelflug gewonnenen Daten und Erkenntnisse dienen zunächst einem fundamentalen Verständnis des Schalltransportes nahe am erwähnten Übergang zwischen losen und stabilen Granulaten. Siehelfen damit, diesen Übergang besser zu verstehen, der in vielen Anwendungen am Boden von Bedeutung ist. Denn die Festigkeit von Granulaten spielt eine große Rolle für viele Prozesse in der Technik. Außerdem sind Schallmessungen eine wichtige Methode, um den Boden auf Mond, Mars, oder Asterioden zu charakterisieren, auf denen eine geringere Schwerkraft als auf der Erde herrscht. Die Experimente im Parabelflug können hier direkt aufzeigen, welche Veränderungen im Schalltransport in diesen Umgebungen zu erwarten sind.