Der Saturnmond Enceladus ist von einer dicken Eisschicht bedeckt, aus deren Spalten Eisgeysire Fontänen von mehreren hundert Kilometern Höhe ins Weltall speien. In diesen Fontänen wurden organische Verbindungen entdeckt, die von lebenden Kleinstorganismen stammen könnten. In der "EnEx - Enceladus Explorer Initiative" des DLR Raumfahrtmanagements wird die Machbarkeit einer künftigen Raumfahrtmission zu diesem Saturnmond untersucht: Mit Enceladus Explorer wollen Wissenschaftler mit Hilfe einer Einschmelzsonde, dem EnEx-IceMole, einen solchen Eisgeysir in geringer Tiefe anbohren und Proben entnehmen. Erfolgreich kann diese Mission jedoch nur sein, wenn es den Forschern gelingt, die Sonde präzise steuern zu können. Hierfür benötigen sie ein mathematisches Modell, welches das Verhalten der Sonde unter den Umweltbedingungen von Enceladus zuverlässig voraussagen kann.
Im Projekt EnEx-DiMIce (Directional Melting in Ice) werden Simulationsmethoden geschaffen, die Fragen zur Dynamik der Sonde und zur Thermodynamik ihrer unmittelbaren Umgebung beantworten sollen: Wie lange dauert es, das Eis zu schmelzen? Wie hoch ist der Energieverbrauch hierfür? Wie verteilt sich die Wärme im Eis? Wie wirken sich die drei Aggregatzustände Eis, Wasser und Wasserdampf auf das Schmelzverhalten der Sonde aus?
Wie schmilzt Eis im Vakuum?
Dabei gilt es zwei Besonderheiten zu berücksichtigen: Auf Enceladus gibt es keine Atmosphäre. Beginnt der EnEx-IceMole seine Schmelzfahrt, ist er dem Vakuum des Weltalls ausgesetzt. Das bewirkt, dass sich die Sonde beim Einschmelzen anders verhält als auf der Erde, da die Phasenübergänge des Wassers, also die Übergänge vom starren in den flüssigen oder gasförmigen Zustand, bei anderen Temperaturen stattfinden oder sich komplett ändern. Ein alltägliches Beispiel für die Abhängigkeit von Temperatur und Druck ist die Technik eines Schnellkochtopfs: Darin wird der Normaldruck, der auf der Erde herrscht, um ein Bar erhöht. Hierdurch steigt die Siedetemperatur des Wassers von 100 auf 120 Grad Celsius.
Die zweite Besonderheit auf Enceladus ist, dass es sich um einen sehr kleinen Mond handelt und seine Schwerkraft nur einem hundertstel der Schwerkraft auf der Erde entspricht. Im Gegensatz zu Eissonden, die zur Untersuchung von Gletschern auf der Erde eingesetzt werden, besitzt der EnEx-IceMole daher an seiner Spitze eine Eisschraube. Sie bohrt sich ein kleines Stück ins Eis hinein und sorgt so dafür, dass sich der Schmelzkopf kontinuierlich in direktem Kontakt mit dem Material befindet.
Das Simulationsmodell berechnet den Kurvenradius der Eissonde
Im EnEx-IceMole wird die Eisschraube darüber hinaus mit einem ausgeklügelten Heizersystem kombiniert, in welchem verschiedene Bereiche des Schmelzkopfes und die vier Seiten einzeln aufheizbar sind. Wird nur eine Seite erwärmt, so bewegt sich das Gerät in diese Richtung. Er ist somit die erste Eissonde, welche die Fähigkeit besitzt, Kurven durch das Eis zu schmelzen. Dies ermöglicht es, Hindernissen wie Gesteinsbrocken oder Spalten ausweichen zu können und so sicher ans Ziel zu gelangen. Hier sollen die Berechnungen in EnEx-DiMIce zeigen, wie groß der Kurvenradius der Sonde sein wird.
Wenn die Simulation alle diese Aspekte zu einem grundlegenden Modell zusammenfügt, das die Bewegungen der Sonde im Raum präzise voraussagt, sind die Wissenschaftler in der Lage, die Steuerung für den EnEx-IceMole zu programmieren. Mit Hilfe der Simulationsmodelle können die Wissenschaftler außerdem in Zukunft das Schmelzverhalten der Sonde optimieren, indem sie beispielsweise das Design des Bohrkopfs, oder die Zugkraft des Antriebs an die Berechnungen anpassen. Überprüft werden die Ergebnisse von EnEx-DiMIce anhand von Feldversuchen an einem Alpengletscher sowie durch Schmelzversuche in einer Vakuumkammer.
Das Projekt wird am Aachen Institute for Advanced Study in Computational Engineering Science (AICES) der RWTH Aachen durchgeführt. Gefördert wird EnEx-DiMIce von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR. Diese koordiniert zudem die EnEx-Initiative und damit die Zusammenarbeit aller EnEx-Partner.