In der Integrativen Humanphysiologie steht der Mensch ganz im Mittelpunkt des Interesses. Da auch seine Evolution in Gegenwart des konstanten Faktors Schwerkraft stattgefunden hat, ist es nicht überraschend, dass jede Variation dieses Parameters direkt oder indirekt eine Kaskade von miteinander verbundenen Veränderungen in den verschiedenen Systemen des menschlichen Körpers hervorruft.
Interessanterweise ähneln eine ganze Reihe dieser Effekte, die durch Mikrogravitation oder durch die nach der Rückkehr zur Erde notwendige Rückanpassung an die Schwerkraft hervorgerufen werden, physiologischen Veränderungen bei bestimmten Krankheiten oder beim Alterungsprozess des Menschen.
Im Unterschied zu diesem stellen sich die Veränderungen bei den Astronauten sehr viel schneller ein und sind weitgehend reversibel. Weltraumexperimente bieten daher die einzigartige Möglichkeit, die unter terrestrischen Bedingungen erarbeiteten Konzepte für das Funktionieren der Systeme des menschlichen Körpers und ihr integratives Zusammenspiel zu überprüfen (Alterungsprozess/Krankheiten im Zeitraffer). Im Rahmen des deutschen Programms werden Wissenschaftler aufgrund ihrer Expertise in den nächsten Jahren folgende wichtige Ziele zu erreichen suchen:
Darüber hinaus ist für die Rolle des Astronauten als Forscher an Bord der Internationalen Raumstation, aber auch als Vorbereitung zum Aufbruch zu heute visionären Zielen wie zum Mars, die Erarbeitung und Verbesserung von Maßnahmen zur Erhaltung seiner Gesundheit und Leistungsfähigkeit eine unabdingbare Voraussetzung. Die oben erwähnten, zunächst mehr grundlagenorientierten Fragestellungen beinhalten in der Regel auch die Anwendung der Ergebnisse im Hinblick auf die Entwicklung von verbesserten Gegenmaßnahmen. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Herz-Kreislauf-Regulation und Muskel-/Knochenabbau, bei denen durch MAP-Projekte der ESA unter deutscher Federführung neuartige Ansätze verfolgt werden. Mit den Anstrengungen des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin im Bereich Telemedizin (Einsatz von moderner Telekommunikations-Technologie und Informatik) werden daher im Bereich der mehr operationell ausgerichteten Weltraummedizin folgende Ziele definiert:
Die Erkenntnisse aus der humanphysiologischen Weltraumforschung sowie die im Zusammenhang mit Weltraumexperimenten entwickelten innovativen, oft nicht-invasiven Diagnose- und Therapiemethoden werden nicht nur dem Astronauten dienen, sondern überall da Anwendungsperspektiven in der terrestrischen Medizin haben, wo es um Leistungsfähigkeit und um relatives Wohlbefinden des Menschen in der mobilen Gesellschaft geht (Arbeits-, Sport- oder Tourismusmedizin, aber auch Rehabilitations-, Kur- und Altersmedizin). Darüber hinaus wird die Raumfahrtmedizin - bedingt durch das operationelle, auch sicherheitsrelevante Interesse an physiologischen Systemparametern - ein besonderes Stimulans für Fortschritte in der integrativen Systemphysiologie (der Mensch als ganzheitliches System) sein, der nach Meinung vieler Experten ohnehin die Zukunft gehört.