Dienstag, 3. März 2009
Der Arbeitstag beginnt bereits um 8.30 Uhr mit einer morgendlichen Besprechung. Eigentlich eine ganz normale Zeit. Sehr zeitig aber für die vielen Studenten, die erst in den frühen Morgenstunden auf Esrange angekommen sind. So folgen denn auch einige mit gewisser Lethargie den Ausführungen von Olle Persson, dem schwedischen Projektleiter des REXUS/BEXUS-Programms. Er heißt die Gruppen erst einmal willkommen und geht anschließend mit ihnen den Ablaufplan der Kampagne durch.
Als jedoch Per Baldemar, der Chef des Start-Teams, über den richtigen Umgang mit explosiven Stoffen und die Sicherheitsbestimmungen referiert, sind alle hellwach. Schließlich geht es hier um die eigene Gesundheit. So muss jeder, der in die Nähe der mit Treibstoff gefüllten Raketenmotoren kommt, eine spezielle Schutzbekleidung tragen. Diese verhindert elektrostatische Aufladungen, die in der trockenen Polarluft schnell entstehen und zur Zündung von Motoren oder Pyrotechnik führen können. Diese Absprengeinrichtungen dienen beispielsweise dazu, die Raketenspitze vom Nutzlastmodul zu trennen.
Auch der richtige Umgang mit den Sonderausweisen, die am Starttag ausgegeben werden ist wichtig. Sie berechtigen zum kurzzeitigen Aufenthalt in der Sicherheitszone rund um die Startrampe. Wer sie nicht bis mindestens zehn Minuten vor dem Start persönlich abgibt, verursacht den Abbruch des Countdowns - und eine Menge ziemlich wütender Kollegen. Denn nur wenn sichergestellt ist, dass sich kein Unberichtigter in der gesperrten Zone befindet, darf gestartet werden.
Eine selbst gebaute Studentenrakete soll den Höhenrekord brechen
Am Sicherheitstraining nimmt auch eine Gruppe der Technischen Universität Delft teil. Sie will den Höhenrekord brechen, den europäische Amateure bislang mit selbst gebauten Raketen aufgestellt haben. Dieser liegt bei 10,7 Kilometern. Während ihres Starts gilt sozusagen Sicherheitsstufe "Rot". Voraussichtlich werden die Sicherheitsspezialisten den Schaulustigen noch nicht einmal erlauben, den Raketenflug vom nahe gelegenen Radar Hill zu beobachten. Von dort aus kann man ansonsten alle Starts auf Esrange bestens verfolgen.
Und weiter geht der Informationsmarathon: Dr. Niklas Reinke vom DLR und Helen Page von der ESA erklären den Studenten, warum sich Wissenschaftler auch mit Öffentlichkeitsarbeit beschäftigen sollten: Zum einen arbeiten die Forscher mit Steuergeldern, deren Verwendung gerechtfertigt werden muss. Zum anderen hilft eine gute öffentliche Reputation den Wissenschaftlern, Gelder für ihre Forschung einzuwerben.
Um dies zu erreichen geben die Referenten Tipps für das Verfassen von Pressetexten und Internetseiten. Dazu gibt es auch gleich eine praktische Übung: Jede Gruppe soll eine Überschrift für ihr Projekt verfassen. Den meisten gelingt das auch auf Anhieb sehr gut. "Suche nach Sternenstaub in der Atmosphäre" klingt auf jeden Fall schon mal vielversprechend.
Nach dem Mittagessen beginnen die Studenten mit der Vorbereitung ihrer Experimente in der Integrationshalle. In dem großen Raum wird allenthalben geschraubt, gewerkelt und getestet. Ein Mitarbeiter der Mobilen Raketenbasis des DLR (MORABA) prüft, ob das Service-Modul funktioniert. Dieses Modul ist sozusagen das "Herzstück" jeder Rakete. Es versorgt die Nutzlast mit Energie, und hier findet die Datenübermittlung zwischen Experiment und Bodenstation statt.
An seiner Seite ist der der so genannte Nabelschnur-Stecker befestigt. Er löst sich, sobald die Rakete startet. Hierdurch wird die Uhr im Inneren des Service-Moduls auf Null gestellt und beginnt zu laufen. Die Experimente werden dann während des Fluges zum vorher festgelegten Zeitpunkt automatisch aktiviert.
Das AGADE-Experiment testet günstige Sensoren für die Raumfahrt
In einer anderen Ecke der Integrationshalle bereiten Studenten der Technischen Universitäten Dresden und Freiberg ihr AGADE-Experiment (Applied Geomagnetics for Attitude Determination Experiment) vor. Sie wollen auf dem REXUS-6-Flug verschiedene Magnetometer auf ihre Tauglichkeit für Kleinst-Satelliten überprüfen. Die bisher bei den so genannten Pico- und Nanosatelliten verwendeten Sensoren zur Messung des Erdmagnetfeldes sind teuer und schwer erhältlich.
Die Gruppe möchte hierfür Alternativen aufzeigen und testet Bauteile, die in Massenproduktion - etwa für die Handyherstellung - produziert werden und dementsprechend günstig sind. Das setzt voraus, dass ihre Sensoren eine exakte Lagebestimmung erlauben. Ein weiteres Ziel ist es, mit den günstigen Bauteilen auch die Anomalien des Erdmagnetfeldes zu messen und zu prüfen, ob diese Abweichungen herausgerechnet werden können. Um sicherzugehen, dass die Messungen stimmen, fliegt ein Referenzmagnetometer mit, dessen Zuverlässigkeit gesichert ist.
Da nicht nur die Experimente, sondern auch die jungen Forscher Energie brauchen, finden sich zum Abendessen alle wieder im Hauptgebäude ein. Doch damit ist der Tag noch lange nicht zu Ende. Die Experimente, die auf REXUS 6 mitfliegen, müssen heute noch in einen betriebsbereiten Zustand versetzt werden. Und so ist es schon tiefe Nacht, als die letzten Aufrechten die Integrationshalle verlassen.