Die Bewegungs- und Gleichgewichtskontrolle sind von großer Bedeutung für den Menschen. Selbst der aufrechte Stand auf beiden Beinen stellt hohe Anforderungen an diese Fähigkeiten. Das Vermögen des menschlichen Körpers, unter dem Einfluss der Schwerkraft eine aufrechte Körperposition beizubehalten, wird in der Medizin als posturale Kontrolle bezeichnet. Sie wird über das zentrale Nervensystem organisiert. Treten äußere Störreize auf - etwa wenn ein Mensch über ein Hindernis strauchelt - so verändern sich die sensorischen Informationen. Sie werden im Körper beispielsweise über die Gelenkrezeptoren, die Muskelspindel oder das Gleichgewichtsorgan registriert und lösen willkürliche und unwillkürliche Muskelbewegungen aus, damit der Mensch sein Gleichgewicht wiedererlangt.
Schwerelosigkeit beeinflusst jedoch die Bewegungs- und Gleichgewichtskontrolle des Menschen negativ. Dies liegt daran, dass unter Schwerelosigkeit jene sensorischen Informationssysteme, welche die posturalen Reaktionen auslösen, beeinträchtigt sind. Am stärksten macht sich diese Beeinträchtigung bemerkbar, wenn Astronauten nach langem Weltraumaufenthalt wieder auf die Erde zurückkommen. Sie sind dann besonders während des Gehens sowie im aufrechten Stand beeinträchtigt. Teilweise können sie beides nicht mehr aus eigener Kraft. Für Astronauten sind daher spezielle Trainingsmaßnahmen notwendig, um diesen Einschränkungen der posturalen Kontrolle entgegenzuwirken. Deshalb ist es von Vorteil, ein Gleichgewichtstraining durchzuführen, welches die realen Anforderungen an das posturale System optimal nachbildet.
Das aktuelle Experiment während der 22. DLR Parabelflugkampgane untersucht die Anpassungen des Nervensystems, die unter Schwerelosigkeit bei verschiedenen Gleichgewichtsübungen stattfindet. Hierzu wird ein Posturomed-Gerät benutzt, das von außen Störreize auf die Fläche ausübt, auf der die Experiment-Teilnehmer stehen. Dies soll die Versuchsperson aus dem Gleichgewicht bringen, um so posturale Reaktionen hervorzurufen. Diese werden über die Muskelaktivitäten sowie über bestimmte Reflexbahnen gemessen.
Die Wissenschaftler erhoffen durch das Experiment Erkenntnisse zu gewinnen, mit deren Hilfe es möglich ist, den potentiellen Nutzen eines solches Gleichgewichtstraining als Gegenmaßnahme für den Abbau der posturalen Kontrolle unter Schwerelosigkeit beurteilen zu können. Außerdem zeichnet sich bereits ab, dass diese Trainingsprogramme in der terrestrischen Rehabilitationsmedizin eingesetzt werden können.