Schwerkraft ist ein allgegenwärtiger Faktor, der die Entwicklung und das Wachstum von Pflanzen kontrolliert. Um Ihren Einfluss auf pflanzliche Lebensäußerungen erfassen zu können, müssen auch Untersuchungen ohne Schwerkraft, also in Schwerelosigkeit, durchgeführt werden. Die Schwerkraft "auszuschalten" ist aber eine größere Herausforderung. Eine Möglichkeit dazu bieten Parabelflüge. Bei derartigen Flugmanövern wechseln sich Phasen mit erhöhter Schwerkraft am Anfang und Ende eines speziellen Flugmanövers mit kurzen Zeiten von Schwerelosigkeit ab.
Auf der 22. DLR-Parabelflugkampagne untersuchen Tübinger Wissenschaftler den Einfluss von Schwerkraft und Schwerelosigkeit auf Regulationsvorgänge in Pflanzenzellen. Da die Parabelflugmanöver nur etwa eine Minute und die einzelnen Schwerkraftphasen sogar nur etwa 20 Sekunden dauern, hat sich die Arbeitsgruppe auf Pflanzenzellkulturen spezialisiert.
Bei diesen Einzelzellen werden zwei verschiedene Vorgänge untersucht, die innerhalb von Sekunden ablaufen und daher perfekt für Experimente während eines Parabelfluges geeignet sind. Zum einen wollen die Wissenschaftler bestimmen, ob und welche pflanzlichen Proteine während des Fluges in ihrer Aktivität beeinflusst werden. Zum anderen wollen sie klären, wie Kalzium als ein wichtiger sogenannter sekundärer Botenstoff sowohl im tierischen als auch im pflanzlichen System an schwerkraftabhängigen Regulations-Prozessen in Pflanzen beteiligt ist. Hier hat sich eine Schwerkraft-Abhängigkeit schon eindeutig zeigen lassen. In den weiterführenden Versuchen soll nun geklärt werden, aus welchen Bereichen der Zellen (äußere, wie die Zellwand, oder innere, wie der Zellkern und verschiedene Membransysteme) das Kalzium antransportiert wird.
Forschungsobjekt ist der pflanzliche Modellorganismus Arabidopsis thaliana, ein unscheinbares Ackerunkraut mit dem deutschen Namen „Acker-Schmalwand“. Ausgehend von dieser Pflanze wurden sterile Zellkulturen hergestellt, die sich für Parabelflugexperimente als vorteilhaft erwiesen und bewährt haben. Durch Zugabe bestimmter Chemikalien können daraus wieder ganze Pflanzen herangezogen werden.
Auf der bevorstehenden Kampagne werden die Forscher zusätzlich Zellkulturen von Zuckerrohr (Saccharum spec.) mit an Bord nehmen. Die zur Familie der Süßgräser gehörende Pflanze gilt in tropischen und subtropischen Ländern als wichtiger Rohstofflieferant. Dieser Experimentteil wird durch eine brasilianische Wissenschaftlerin betreut und bietet die Möglichkeit, die für Arabidopsis erhaltenen Ergebnisse mit Reaktionen einer Nutzpflanze zu vergleichen. Gegenstand der Untersuchungen ist hier die Schwerkraft-gesteuerte Genexpression.