Die Luft ist dünn und klar, der Konferenzort abgelegen. Big Sky, das größte Skigebiet Amerikas, stellt die Konferenzkulisse der IEEE Aerospace 2019. Mitten in den Rocky Mountains, bei klirrenden minus 24 Grad und blauem Himmel, vereinen sich Akademiker, Luftfahrtexperten, Militärs und führende Vertreter der Industrie weltweit. Dabei dreht sich alles um das interdisziplinäre Verständnis von Luft- und Raumfahrt, Wissenschaft und Technologie sowie deren Anwendungen. Drei Kollegen der Einrichtung Simulations- und Softwaretechnik berichten wie sie die Konferenz erlebt haben.
Wie würdet ihr die Konferenz beschreiben?
Carina Haupt: Die Aerospace ist breit aufgestellt, mit spannenden Themen rund um die Raumfahrt.
Morgens, nachmittags und abends sind Sessions, mittags ist Zeit fürs Skifahren. Dazu noch Networking bei heißer Schokolade vor der Nachmittagssession und abends zum Abschluss Eiscreme. Das heißt allerdings lange Konferenztage - von 08:30 bis 23:00 Uhr.
Kilian Höflinger: Es gab sehr viele Tracks und Sessions. Die haben einen breiten Einblick in die westlichen Raumfahrtprogramme gegeben. Man hat gemerkt, dass auch der "New Space" Bereich stetig wächst, die Luftfahrt hingegen ist eher unterrepräsentiert.
Sebastian Utzig: Ein großes Get-together mit Ingenieuren der Raumfahrt. Überwiegend Wissenschaftler von NASA und JPL aber hier und da findet man immer wieder deutsche Kollegen.
Wie waren eure Vorträge? Was habt ihr präsentiert?
Carina: Ich habe eine Analyse der Software-Engineering Community des DLRs vorgestellt. Wir wollten herausfinden, wie stabil diese ist und haben dafür die Teilnehmer unserer Wissensaustauschworkshops angesehen. Wer ist wiedergekommen, wer nicht? Welchen Einfluss hatten Schwerpunktthema und Veranstaltungsort des Workshops? Diese Fragen haben wir mit Data Science Methoden betrachtet. Daten sowie die Analyseskripte sind online zu finden.
Kilian: Ich habe eine Methodik vorgestellt, wie man die Fehlertoleranz von terrestrischer Hardware, die im Weltall zum Einsatz kommt, durch Software vorab bestimmen und dann verbessern kann.
Sebastian: Ich habe präsentiert, wie man erweiterte Realität für die gemeinschaftliche Fernwartung von Flugzeugbauteilen einsetzen kann. Der Vortrag legte starken Fokus auf eine Schnittstelle zwischen Benutzer und virtueller Wartungsdokumentation und zeigte Potenziale der Microsoft HoloLens auf.
Dabei trägt ein Ingenieur vor Ort diese Brille, um die Dokumentation auf der Bauteiloberfläche sehen zu können. Ein Experte wiederum verbindet sich aus Entfernung und sieht sowohl das virtuelle Bauteil als eine Art Hologramm, als auch den Inspekteur in Echtzeit bewegen. Ebenso sieht der Inspekteur den zugeschalteten Ingenieur in 3D agieren.
Gab es positive Resonanz oder Kontaktaufnahmen von Konferenzteilnehmern?
Carina: Ich habe viele interessierte und spannende Konferenzteilnehmer kennengelernt. Interessant war, dass ein Teil meines Publikums DLR‘ler aus anderen Instituten waren.
Kilian: Ja, Kollegen von der NASA haben gefragt, ob sie es kaufen können. Können sie natürlich nicht.
Sebastian: Durchaus! Von amerikanischer Seite gab es Interesse, meinen Kontakt weiterzuleiten. Leider habe ich in der Aufregung die Organisation, zu der die Person gehörte, nicht mitbekommen. Lustigerweise gab es auch direkt nach dem Vortrag Austausch mit Kollegen der Robotik aus dem DLR in München. Die Kollegen möchten mit der Brille Schnittstellen zu Robotermissionen untersuchen.
Was habt ihr außerhalb der Konferenz erlebt und machen können?
Carina: Ich habe drei Tage auf der Piste verbracht. Dies klappte erstaunlich gut dafür, dass ich 2012 das letzte Mal auf Skiern stand. Mein Highlight war der dritte Tag an dem ich mit zwei Konferenzbesuchern, die ich bereits im Shuttle auf der Hinfahrt kennengelernt habe, im Tiefschnee durch den Wald gefahren bin. Mehr als einmal waren die Bäume gerade weit genug auseinander, um durchzufahren.
Kilian: Nur Konferenz, egal was die anderen sagen, nur Konferenz - vielleicht noch Skifahren. Es gab auch die Möglichkeit Ausflüge in den Yellowstone-Nationalpark zu machen, aber das ging zeitlich nicht, weil es so viele Sessions gab.
Sebastian: Nachdem das Ski-Equipment problemlos ausgeliehen war, konnten wir als DLR-Kollegen gemeinschaftlich die Abfahrt genießen. Außerdem schlossen sich neue Bekanntschaften zu anderen deutschen Teilnehmern der Konferenz.
Was hat diese Konferenz besonders gemacht?
Carina: Die Kombination aus Konferenz und gemeinsamer Freizeitgestaltung finde ich großartig. In den Konferenzpausen wird über die besten Abfahrten gesprochen und im Lift fachliche Diskussionen geführt. Die Konferenz macht nicht nur Spaß, man lernt auch die anderen Teilnehmer ganz anders kennen.
Kilian: Das Besondere war wirklich der Ort und die eingeschworene Space Gemeinde. Man ist dort per du und kennt sich. Dazu kommt die amerikanische Gastfreundschaft.
Sebastian: Vor allem der Konferenzort und die extrem niedrigen Temperaturen. Aber auch der enge Kontakt zu den Raumfahrtingenieuren, welche z.B. Marsmissionen planen und präsentieren.
Welche Erkenntnisse nehmt ihr mit?
Carina: Für die nächste Aerospace werde ich auf jeden Fall wieder ein Paper einreichen und dann mehr Zeit einplanen, damit weder die Session Besuche, noch das Skifahren zu kurz kommt. Die Aerospace zeigt, dass Arbeiten halt doch richtig viel Spaß machen kann!
Kilian: Die Konferenz ist sehr breit aufgestellt und ebenso das DLR. Ich habe so viele Kollegen vom DLR getroffen. Was Software betrifft, ist es nicht besonders fokussiert, eher eine Ingenieurskonferenz. Da werden wir nächstes Jahr wieder breit Aufschlagen müssen um denen zu erklären, dass Software der Schlüssel ist und nicht die Hardware. Luftfahrt hat auch eher eine untergeordnete Rolle gespielt.
Sebastian: Die Konferenz wird überwiegend von Ingenieuren besucht. Obwohl auch die Softwareentwicklung Bestandteil der Konferenz ist, überwiegen die Ingenieursthemen. Für mich persönlich fehlten vor allem Themen wie Computergrafik und interaktive Visualisierung.
Alles in allem bietet die Konferenz jedoch eine sehr schöne Gelegenheit, mit der durchaus sozialen Wissenschaftlergemeinde in Kontakt zu kommen. Bei zahlreichen Gelegenheiten wird man persönlich angesprochen. Dies reduziert mögliche Berührungsängste mit Konferenzen und Veröffentlichungen im Allgemeinen.