Am 14. und 15. Februar 2020 hat in Bonn der erste Hackathon der Deutschen Welthungerhilfe e.V. stattgefunden. Von Carina Haupt, der Gruppenleiterin für Software Engineering am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und drei weiteren erstklassigen Jurymitgliedern bewertet, wurden die besten drei Ergebnisse mit Preisen gekürt – doch nicht nur das Gewinnerteam überzeugte.
Eine Spendenidee der Zukunft
Statt die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer werden zu lassen, hat sich die Welthungerhilfe ein besonderes Konzept überlegt: Die Vorteile der hierzulande zügig voranschreitenden Digitalisierung auch Projektländern zugutekommen zu lassen. Dazu wurde im Headquarter der Welthungerhilfe in Bad Godesberg zu einem zweitägigen Hackathon eingeladen. Kommen konnte, wer fundierte Kenntnisse im Softwarebereich besaß und Zeit und Lust hatte, seine Fähigkeiten für einen guten Zweck einzusetzen.
„In der IT ist es vielleicht noch ein bisschen spezieller, weil du brauchst jemanden der das Design macht, der das Front- und Backend macht und diese gemischte Gruppierung hat sich hier ganz gut zusammengefunden“, sagt Christian Rengier, Online-Marketing-Referent der Welthungerhilfe und Moderator des Hackathons. Demnach entwickelten kanpp 50 UX´ler, Developer und Webdesigner an zwei Tagen und teilweise Nächten Prototypen, und haben teilweise bis zur letzten Minute an ihren Softwarelösungen „gecodet“.
Die Ideen dafür orientierten sich an drei Challenges, in denen es darum ging, „eine Spendenidee der Zukunft zu entwickeln“, erklärt Rengier. Die erste Challenge bezog sich unter dem Titel „Spenden 5.0“ auf die Möglichkeiten des Spendens im digitalen Zeitalter. Im Kontrast dazu stand Challenge zwei in der es darum ging, den Hunger zu beenden, wenn niemand mehr spendet. Die dritte Challenge nahm Bezug auf die Arbeitsweise der Welthungerhilfe, nämlich wie Menschen hier, in den Projektländern und weltweit besser vernetzt werden können. Spezieller: Wie die Geschichten aus Projektländern besser erzählt werden können. Des Weiteren richteten sich die Bewertungskriterien aus am Innovationsgrad, der kommerziellen Verwendbarkeit, dem Nutzen in der Praxis, der Implementierung sowie der Qualität des Abschlusspitches.
Diversität ist der Schlüssel
Laut Rengier ist generell Diversität der Schlüssel zum Erfolg: „Mit interdisziplinären Teams hast du eigentlich die größte Bandbreite an Ideen und damit auch die größte Bandbreite lösungsorientiert zu arbeiten“. Diese unterschiedlichen Sichtweisen spiegelten sich auch in der Fachjury wieder. Die Bewertung der Kriterien unterlag einer Jury mit unterschiedlicher Expertise, um sicherzustellen, dass die Prototypen technisch ausgereift, aber auch zum Unternehmen passenden sind.
Susanne Fotiadis, Leiterin des Bereichs Marketing und Kommunikation der Welthungerhilfe und Irene Schönmann, Geschäftsführerin der Fahrenheit GmbH und Vorstand im Marketing Club Köln-Bonn, legten bei den Pitches ein besonderes Augenmerk auf den Nutzen für und die Vereinbarkeit mit der Welthungerhilfe sowie die kommerzielle Verwendbarkeit. Für die technische Umsetzung wurde die Expertise von Carina Haupt, Gruppenleiterin Software Engineering des Instituts Simulations- und Softwaretechnik und Dr. Friedrich Budde, Leiter Forschung und Entwicklung der viadee IT-Unternehmensberatung, herangezogen.
Jedes Team hatte fünf Minuten Zeit seinen Prototypen zu präsentieren und sich im Anschluss weiteren fünf Minuten den kritischen Fragen der Jury zu stellen. Nachdem alle Teams ihre Ideen demonstrierten hatten, zog sich die Jury in einen Nebenraum zurück, um sich über die Preisvergabe zu beraten.
Gewinner wollen Geschichten erzählen
Dass Hilfsorganisationen wie die Welthungerhilfe ihre Spenden hauptsächlich über Storytelling einbringen, ist kein Geheimnis. Die daraus resultierende Transparenz und Glaubwürdigkeit ist Grundvoraussetzung dafür, die Gesellschaft für die Spendenhilfe zu sensibilisieren und die Bereitschaft dahingehend zu fördern.
Diese Geschichten entstehen vor Ort, doch auf Grund der knappen Budgetierung ist es nur wenigen Mitarbeitern möglich, regelmäßig in die Projektländer zu reisen und Informationen aus eigener Erfahrung heraus zu sammeln. Trotzdem müssen sie authentisch und präzise über Projektarbeiten und Missstände vor Ort aufklären und berichten. Die Informationen dafür werden bislang mühselig und zeitintensiv über zahlreiche E-Mail-Anfragen zusammengetragen. Darüber hinaus ist nicht immer garantiert, dass die richtigen Leute auch mit den Richtigen vernetzt sind, denn die Leute die Input liefern versus diejenigen die berichten, interagieren schon jetzt in großen Mengen, erklärt Carina Haupt.
Diese Problematik hat sich das Team „Storymatters“ während des Hackathons zur Aufgabe gemacht, um es „besser und effizienter zu machen“, erklärt Carina weiter. Dazu wurde ein Tool entwickelt, welches ein Interface zwischen Berichterstatter und Ansprechpartner darstellt. Auf der einen Seite wird sowohl Bild-, als auch Textmaterial von internen und externen Personen bereitgestellt, die in Projekte der Welthungerhilfe involviert sind. Dies sind beispielsweise Journalisten, Ansprechpartner der Länder vor Ort, Fotografen oder eigene Mitarbeiter sein.
Auf der anderen Seite haben interne Berichterstatter der Welthungerhilfe über das Tool einen zentralen Zugriff auf alle eingestellten Roh-Daten. Mit Unterstützung von Machine Learning soll das Auffinden von Materialien für eine Story vereinfacht werden. Darüber hinaus geben Materialanfragen den Ansprechpartnern in den Projektländern Hinweise dafür, was die Menschen hierzulande interessiert. Dementsprechend können diese mit einer gezielten Bereitstellung von Infomaterial antworten. Diese zentrale Sammelstelle soll die Arbeit der Mitarbeiter der Welthungerhilfe deutlich vereinfachen und beschleunigen und so zu mehr Berichterstattung und authentischeren Geschichten verhelfen.
Der Prototyp von „Storymatters“ startet somit zwar keinen direkten Spendenaufruf, schafft jedoch mit seiner innovativen Idee zur Umsetzung von Storytelling die Basis für Transparenz und Motivation im Fundraisingbereich. Dieser elementare Ansatz überzeugte schließlich die Jury, unter anderem auch wegen der relativ weit entwickelten Umsetzung und dem großen Nutzen für die Welthungerhilfe, welcher in der dritten Challenge begutachtet wurde, so Carina.
In jeder Projektidee steckt Potenzial
Für das Gewinnerteam geht es laut Rengier „zu einem noch festzulegenden Termin, aber in naher Zukunft“, zu einem Digital Workshop in einem der Projektländer der Welthungerhilfe. Für Storymatters ein besonders passender Preis findet Carina: „Zwar floss die Bedeutung des Sieges für den ersten Platz nicht in die Bewertung mit ein, jedoch stellte sich für uns als Jury im Nachhinein heraus, dass es gerade für das Siegerteam wahnsinnig spannend ist in ein Projektland zu gehen und dort konkret mit den Menschen zu sprechen, die den Input an Informationen liefern werden. Somit kommt das Team mit beiden Usern in Kontakt, um das System so gut wie möglich anzupassen“.
Zudem verrät Rengier begeistert: „Es war von vornherein nicht die Idee, nur das Projekt des Erstplatzierten weiter zu verfolgen. Es sind so überragende Ideen in der Breite entstanden, dass wir alle Projektideen erneut begutachtet werden, um zu schauen, was im Kampf gegen den Hunger zusätzlich umsetzbar ist“.