Die Bewegungen tausender Objekte im Weltraum beobachten und Kollisionen vorhersagen – das ist das Ziel von BACARDI, einer Software des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Das Projekt soll bei der Planung von Missionen helfen und Raumfahrt nachhaltiger gestalten.
Defekte Satelliten, ausgebrannte Raketenoberstufen und unzählige Trümmerteile – im All fliegen Hunderttausende Objekte unkontrolliert umher. Dieser sogenannte Weltraummüll stört nicht nur, er ist auch eine Gefahr für Raumstationen, Raketen und Satelliten. Die relative Geschwindigkeit zwischen diesen Objekten kann bis zu 15 km/s betragen, was unter anderem von den jeweiligen Orbits abhängt. Bei einem Zusammenstoß können daher schon kleine Teilchen gewaltige Mengen Energie freisetzen und Satelliten komplett zerstören.
Deswegen arbeiten am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Einrichtungen Simulations- und Softwaretechnik sowie Raumflugbetrieb und Astronautentraining gemeinsam an einem System, das die Bahnen dieser Objekte im Weltraum bestimmen und Kollisionswahrscheinlichkeiten berechnen soll: der Backbone Catalogue of Relational Debris Information, kurz BACARDI. Die ersten Planungen zu dem Projekt starteten 2014, die ersten Prototypen zu BACARDI laufen seit 2017. In das System werden Daten aus eigenen Beobachtungen sowie Informationen über bereits bekannte Objekte und deren Bahnen importiert.
So berechnet BACARDI die Bahnen von Objekten
Mit aktuellen Datenbank- und Speichertechnologien sollen im DLR bis zu einer Million Objekte verarbeitet werden. Für eine erste Version von BACARDI wurde die Anzahl auf 100.000 Objekte reduziert, um die Machbarkeit zu demonstrieren und alle notwendigen Prototypen zu programmieren. Um die Datenbank aktuell zu halten, müssen die eingetragenen Objekte erneut beobachtet werden. Die Zeit der Wiederbeobachtung liegt je nach Orbit und Genauigkeit der bestimmten Bahnen zwischen wenigen Tagen und wenigen Wochen. Die dazu notwendigen Prozessoren wie unter anderem Korrelationen von Beobachtungen zueinander und Korrelationen zu bereits vorhandenen Bahnen sind größtenteils als Prototypen fertig programmiert. Diese Prozessoren werden im nächsten Schritt zu Prozessketten verknüpft, die es ermöglichen, aktuelle Bahnen in Echtzeit zu berechnen. Diese sollen dann durch weitere, aktuellere Messungen verbessert werden.
Die notwendigen Informationen, um die Bahndaten laufend zu aktualisieren, erhält das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum (GSOC) von eigenen Teleskopstationen, die die beiden astronomischen Winkel Rektaszension und Deklination von Weltraumobjekten messen. Nicht nur das GSOC entwickelt für BACARDI Sensorik, auch das Institut für Technische Physik (TP) ist mit seiner passiv-optischen und aktiv-optischen Forschung maßgeblich beteiligt: Mit Hilfe von Lasern können Objekte im Weltraum angestrahlt werden, die einen Teil der Photonen reflektieren. Die Lichtlaufzeit zwischen Laser, Objekt und Empfänger wird sehr präzise gemessen und in einen Abstand umgerechnet. Auch diese Daten sollen zukünftig in BACARDI eingepflegt werden. Außerdem entwickelt TP Sensorik, um erdnahe Objekte mit Teleskopen passiv-optisch zu vermessen. All diese Daten werden genutzt, um die Bahnen von Objekten in BACARDI genauer zu berechnen.
BACARDIs Ziel: Kritische Annäherungen vorhersagen
Die erste Version von BACARDI soll ab Ende 2018 Bahnen zur Verfügung stellen, die mit eigenen Sensordaten erzeugt werden. Das nächste Ziel ist, weitere Prozessketten einzuführen, damit BACARDI Annäherungen zwischen Satelliten und anderen Objekten im Weltraum vorhersagen kann. Die dazu notwendigen Prototypen sind ebenfalls bereits implementiert. In Zukunft wird BACARDI am GSOC zur Planung und Durchführung von Raumfahrtmissionen genutzt. Hauptziel wird der sichere Betrieb von Satelliten sein. Aus der Bahndatenbank werden kritische Annäherungen abgeleitet, die Ereignisse mit hauseigenen Werkzeugen untersucht und analysiert. Im Fall einer kritischen Annäherung werden Ausweichmanöver berechnet, in Kommandos umgewandelt und auf den Satelliten geladen, der das Manöver ausführt.
Ein Schritt zur nachhaltigen Raumfahrt
Da Weltraummüll ein globales Problem darstellt, ist die Erfassung von Objekten im All wichtig, um genauere Informationen darüber zu erhalten. Für eine nachhaltige Raumfahrt muss neuer Weltraummüll unbedingt vermieden werden. Ein aktives Management zum Missionsende, zum Beispiel durch kontrollierten Absturz, ist dabei ein zentraler Bestandteil. Je nach Größe und Orbit der Objekte gibt es dazu bereits vielversprechende Ansätze. Außerdem müssen große Objekte aus dem Weltraum entfernt werden, damit es nicht zu weiteren Kollisionen und damit zu einem Kaskadeneffekt kommt. Mehrere Satellitenbetreiber und Raumfahrtagenturen wie die ESA haben sich bereits freiwillig dazu verpflichtet. Alles, was der Vermeidung von weiterem Weltraumschrott dient, sollte getan werden, um den nächsten Generationen den Zugang zum Weltraum offen zu halten. Dazu gehören eine Entsorgung aller in den Weltraum gebrachten Teile nach Missionsende, Vermeidung von Kollisionen und der öffentliche Zugang zu Bahndaten. BACARDI ist ein Schritt in diese Richtung.