Von der Einrichtung zum Institut
Im Dezember 2019 wurde aus der Einrichtung Simulations- und Softwaretechnik das eigenständige Institut für Softwaretechnologie. „Ich freue mich sehr über die Anerkennung, die dieser Schritt unserem Institut gegenüber ausdrückt“, sagt Rolf Hempel, Leiter des Instituts für Softwaretechnologie. Bereits seit 2007 kooperiert die Simulations- und Softwaretechnik als wissenschaftlich-technische Einrichtung mit nahezu allen Instituten des DLR und ist Ansprechpartner für individuelle Softwarelösungen komplexer Ingenieursanwendungen. „In diesen 13 Jahren haben wir kontinuierlich unser wissenschaftliches Profil entwickelt und neue Forschungsthemen aufgebaut. Die offizielle Umwandlung in ein Institut bestätigt daher eigentlich nur den Charakter unserer Organisationseinheit“, ergänzt der Institutsleiter.
Ab ins Homeoffice – kaum Institut, schon nicht mehr vor Ort
Eines jedoch machte auch vor Institutstüren nicht halt - die Corona-Krise. Das Arbeiten im Homeoffice hat Kollegen privat und beruflich vor Herausforderungen gestellt. Aber auch positive Effekte wurden beobachtet. Die hohe Flexibilität durch die DLR-weite Anordnung „Homeoffice wo möglich“ traf im Institut auf viel Zuspruch. „Ich hoffe, auch im persönlichen Interesse, dass die gelebte Flexibilität in der Abteilung so weitergeht“, sagt Stephan Druskat, Doktorand am Standort Berlin.
Einige Kollegen berichten, dass der Austausch im Homeoffice teilweise sogar intensiver geworden sei. „Allerdings bleibt es überwiegend in dem Kreis, zu dem man sowieso schon Kontakt hatte. Zufallstreffen wie in der Kantine passieren online halt selten“, so Robert Mischke, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Standort Köln. Trotz virtueller Räume und Avatare, wurden ähnliche Schwierigkeiten auf den Online-Messen und -Konferenzen beobachtet: „Bei Vor-Ort-Events ist die Hemmschwelle niedriger, mit Gleichgesinnten in Kontakt zu treten“, berichtet Lynn von Kurnatowski, Informatikerin am Standort Oberpfaffenhofen. Sophie Jentzsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Standort Köln, beurteilt die Fernkommunikation als eine positive Gleichberechtigung: „Dadurch, dass niemand vor Ort ist, ist auch niemand mehr remote. Alle Kollegen sind plötzlich gleich nah.“
Selbst für KollegInnen, die während der Kontaktbeschränkungen bei uns anfingen, stellte die Entfernung kaum eine Hürde dar: „Situationsbedingt taten sich keine zusätzlichen Schwierigkeiten auf. Bei kleineren Problemen haben sich andere Mitarbeiter viel Zeit genommen. Der einzige Nachteil war tatsächlich, dass man sich noch nicht persönlich kennenlernen konnte“, so Paulina Maurer, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Software für Raumfahrtsysteme und interaktive Visualisierung (SRV).
Auch für die bestehenden Kollegen darf es dann doch wieder etwas persönlicher werden: „Die sozialen Kontakte im beruflichen Umfeld fehlen mir inzwischen schon sehr“, bedauert Michael Meinel, wissenschaftlicher Software-Entwickler in Köln.
Softwaretechnologie gegen Corona
Für das Institut ergaben sich während der Corona-Pandemie auch Chancen zu zeigen, wie vielfältig Softwaretechnologie einsetzbar ist. Die Abteilung Intelligente und Verteilte Systeme (IVS) machte sich die Open-Source-Entwicklung der deutschen Corona-Warn-App zunutze. Zusammen mit dem DLR-Institut für Datenwissenschaften erarbeiteten sie eine automatisierte Methode zur Analyse von bestimmten Entwicklungsprozessen der App. Ziel ist es, eine Einschätzung über die Sicherheit von kollaborativen Entwicklungsansätzen abzugeben.
Die Abteilung High Performance Computing (HPC) lieferte zudem wichtige Erkenntnisse zum Einfluss von Infektions-Schutzmaßnahmen. Zusammen mit dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) entwickelte HPC im Projekt „HPC against Corona“ eine Software, die die Auswirkungen von Maßnahmen wie Kontaktverbote und Schulschließungen auf die Entwicklung der Corona-Infektionszahlen simulieren kann. "Die Simulation soll den Menschen helfen, die Entwicklung der Pandemie besser zu verstehen und die Gegenmaßnahmen zu bewerten.", erklärt Dr. Martin Kühn, Projektleiter am Standort Köln.
Für ebenfalls mehr Aufklärung sorgt das interdisziplinäre Gemeinschaftsprojekt „Aeromask“, in dem das DLR die Funktionsweise und Wirksamkeit von Stoffmasken untersucht. Die Experimente des Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik zeigen deutlich, dass der Wirkungsmechanismus von Mund-Nasen-Masken im Verlangsamen und Umlenken der Atemluft liegt. Auf Basis der Messdaten erstellen Kollegen der Abteilungen HPC und SRV im nächsten Schritt eine Simulation und Visualisierung zur Bewegung von Aerosolen und Partikeln im Raum. Die Ergebnisse sind im Frühjahr 2021 zu erwarten.
Ohne Corona geht´s auch
Unsere Forschungsvorhaben waren in diesem Jahr so gesellschaftsnah, wie wahrscheinlich nie zuvor. Aber auch abseits der Forschung gegen das neuartige Corona-Virus war Softwareexpertise gefragt. Bereits lange angedacht war die Idee, nutzernahe Softwareentwicklung mehr zu fokussieren. Schließlich wurde im Juni 2020 die Gruppe „Human Factors in Software Engineering“ (HFSE) gegründet. Seitdem erforscht das fünf-köpfige Expertenteam physische und psychische Faktoren des Menschen im Kontext der Softwareentwicklung. „Eine nutzerzentrierte Entwicklung ist extrem wichtig, um Software so benutzerfreundlich wie möglich zu gestalten“, erklärt Annika Wohlan, Koordinatorin der Gruppe HFSE.
Im Helmholtz-Inkubatorprojekt Pilotlab Exascale Earth System Modelling adressiert die Abteilung HPC programmier- und datenwissenschaftliche Herausforderungen von künftigen Höchstleistungsrechnern. Die sogenannten Exascale Computer können Wechselwirkungen von Geschehnissen auf der Erde modellieren. Die Analyse solcher Szenarien, wie mögliche Klimaentwicklungen, erfordern eine hohe Auflösung und Verarbeitung riesiger Datenmengen. „Wir erforschen Konzepte, um komplexe Erdsystemmodelle auf zukünftigen Exascale Computern effizient zur Anwendung zu bringen“, erklärt Dr. Johannes Holke, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Projekts.
Ebenfalls involviert ist HPC in das EU-Projekt VESTEC. Als Projektleiter geht die Abteilung Software für Raumfahrtsysteme und interaktive Visualisierung (SRV) hier noch einen Schritt weiter: Zusammen mit den Projektpartnern verbinden sie Supercomputer mit interaktiver Visualisierung. Gemeinsam entwickeln sie eine Softwarelösung zur Analyse und 3D-Visualisierung großer Datenmengen, um Krisen- und Notfallsituationen dynamisch abzubilden und hochpräzise Vorhersagen zu treffen. Ziel dabei ist es, Krisenreaktionszentren in Notfallsituationen zu unterstützen.SRV erstellt das Visualisierungstool und entwickelt es für die Berechnung und Visualisierung verschiedener Szenarien weiter. Im Herbst 2020 wurde ein erstes Test-Szenario „Überwachung und Vorhersage von Waldbränden“ demonstriert, unter anderem mit realen Informationen aus einem Waldbrand im Juli 2012 bei La Jonquera, in Spanien.
Berufliche Erfolge
Nicht zu vergessen sind die beruflichen Erfolge unserer Kollegen. So wurde Dr.-Ing. Achim Basermann, Abteilungsleiter HPC, zum Fachkollegiat im Bereich massiv-parallele und datenintensive Systeme der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gewählt. Dies ist bereits seine zweite Amtsperiode.
Andreas Gerndt, Leiter der Abteilung SRV, wurde im Dezember 2019 zum Professor an die Universität Bremen berufen. Sein Antritt erfolgte allerdings virtuell von Braunschweig aus mit einer Video-Vorlesung zum Thema „High-Performance-Visualisierung“. Auch er freut sich darauf, 2021 seine Studierenden persönlich kennenzulernen.
Ebenfalls erfreulich und schade zugleich, musste sich die Gruppe Intelligente Softwaresysteme von Prof. Dr. Nico Hochgeschwender als Gruppenleiter verabschieden. Seit seiner Professur letzten Jahres fungiert der Informatiker hauptsächlich als Professor für Autonome Systeme an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Dennoch ist er dem Institut treu geblieben und unterstützt das Team weiterhin im Bereich künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen.
Neuer Gruppenleiter ist seit Januar 2020 Dr. Tobias Hecking. „Gerne möchte ich Stärken einzelner Gruppenmitglieder fördern, um so, innovative Ideen in den Bereichen Data Science und Machine Learning einzubringen.“ Die Leitung für die Gruppe verteilte Systeme hat im Juli 2020 Dr. Alexander Weinert übernommen. „Zusammen mit der Gruppe möchte ich die Grundlagenforschung für dezentrale Systeme ausbauen“.
Der Institutsleiter zieht Bilanz
Fazit - Das vergangene Jahr hat uns mit Sicherheit herausgefordert wie kein zweites. Für uns als Institut war es dennoch ein erfolgreiches Jahr 2020. Wir haben Projekte in kürzester Zeit auf die Beine gestellt und unsere Expertise zum Wohle der Gesellschaft bestmöglich eingesetzt. Wir haben Herausforderungen angenommen und neue Wege erschlossen. „Die Grundlage dieses Erfolgs sind natürlich unsere hochmotivierten und kreativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die exzellente Arbeit in unseren Abteilungen“, betont Institutsleiter Rolf Hempel. „Unsere Forschungsthemen adressieren schon heute große gesellschaftliche Herausforderungen. Hier müssen wir unsere Forschungsaktivitäten intensivieren und den Transfer in die Anwendungen der anderen Institute weiterhin im Auge behalten. Die bisherige Ausrichtung unseres Instituts schafft eine hervorragende Basis für weitere erfolgreiche Jahre“, berichtet Hempel optimistisch.
Dennoch – die wahrscheinlich motivierendsten Worte richten sich an seine Mitarbeiter: „Ich freue mich darauf, Sie endlich mal wieder persönlich zu treffen!“ Und das können wir vermutlich alle unterschreiben.