Bereits seit 2011 nutzt das DLR den Solarturm in Jülich, knapp 60 Kilometer entfernt von Köln, als Testanlage für kommerzielle Turmkraftwerke. Im Sommer 2020 hat das DLR die Testanlage um einen zweiten Turm mit drei Versuchssebenen erweitert, auf denen zeitgleich Experimente stattfinden können. Dies macht die Steuerungssoftware des Spiegelfelds möglich, welche Teilgruppen von Spiegeln auf die verschiedenen Zielbereiche beider Türme ausrichten kann.
Solarturmkraftwerke
Bei Solarturmkraftwerken bündeln viele einzelne Spiegel die Sonnenstrahlung. Am Standort Jülich sind das mehr als 2000 solche beweglichen Spiegel (Heliostaten). Sie lenken die gebündelte Sonnenstrahlung auf einen Punkt an der Spitze des Turmes, den Receiver. Dort erhitzt die Strahlung ein zirkulierendes Wärmespeichermedium auf sehr hohe Betriebstemperaturen. Bei Salzschmelzekreisläufen sind dies etwa 560 Grad Celsius, bei Partikelsystemen bis zu 900 Grad und bei Luftsystemen wie hier in Jülich bis zu 680 Grad. Mit der Wärme wird anschließend Wasserdampf erzeugt, der eine Turbine antreibt, die ihre Rotationsenergie an einen Generator weitergibt, der CO2-frei elektrischen Strom produziert. Am meisten Energie aus Solarstrahlung steht am Sonnengürtel der Erde zur Verfügung, aber auch in Deutschland kann solarthermische Energie produziert und genutzt werden, zum Beispiel für industrielle Hochtemperaturprozesse. In verschiedenen Projekten testen Solarforscher des DLR mit ihren Kooperationspartnern in Jülich neue Komponenten und Verfahren, um Solarturmkraftwerke weiterzuentwickeln. Ziel der Forschung sind höhere Temperaturen und bessere Effizienz, um die Stromgestehungskosten zu senken. Im Vordergrund stehen Spiegelsysteme zur Lenkung und Konzentration solarer Einstrahlung, Solarabsorber- und Energiespeichersysteme und deren effektive Nutzung sowie theoretische und EDV-gestützte Analysen und Entwicklungen im Bereich der Strömungsmechanik und Wärmeübertragung. Je nach Entwicklungsstand und –ziel können einzelne Bauteile, funktionale Gruppen oder auch ein vollständiges solares Kraftwerkssystem getestet, evaluiert und optimiert werden. Darüber hinaus untersucht das DLR-Institut für Future Fuels hier Herstellungsverfahren von solaren Treibstoffen wie zum Beispiel Wasserstoff und den Einsatz von Hochtemperatur-Solarwärme für Industrieprozesse.
Die beiden Solartürme
Der größere Turm ist ein funktionierendes Solarturmkraftwerk, er kann also tatsächlich Strom produzieren. Er ist 60 Meter hoch und besitzt eine Forschungsebene, auf der unterschiedliche Versuchsaufbauten errichtet werden können. Die elektrische Nennleistung der Anlage beträgt 1,5 Megawatt. Der so erzeugte Strom kann in das lokale Mittelspannungsnetz eingespeist werden, auch wenn das DLR die Anlage nicht kommerziell zur Stromproduktion einsetzt, sondern nur für Forschungsaufgaben nutzt. In den bisher durchgeführten Großexperimenten standen die Weiterentwicklung volumetrischer Receiver sowie Verfahren zur solarthermischen Herstellung von Wasserstoff im Vordergrund. Es finden nach wie vor Experimente im Turm statt. Der etwas kleinere, neue Multifokusturm ist seit 2020 in Betrieb. Beide Türme nutzen das gleiche Spiegelfeld zur Bestrahlung und es können zeitgleich in beiden Türmen Experimente stattfinden. Der zweite Solarturm wurde gebaut, um die Forschungskapazität zu erhöhen, ist also eine reine Testanlage. Darin befinden sich drei Ebenen mit spezieller Ausstattung für den Einbau bestimmter Experimente, auf denen parallel verschiedene Versuche stattfinden können. Auf der oberen Ebene werden die Wissenschaftler*innen einen Partikelreceiver für Versuche mit Keramikkügelchen als Wärmeträger, Speicher- und Transportmedium installieren. Die mittlere Ebene ist speziell für verfahrenstechnische Anwendungen ausgestattet. Dort werden Hochtemperaturprozesse zur solaren Wasserspaltung getestet. Auf der unteren Ebene dreht sich die die derzeitige Forschung um Salzschmelze als Trägermedium für Hochtemperaturwärme. Hier werden auch Pumpe, Tank und Wärmetauscher für dieses System installiert und eingesetzt.