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Sonnenvisionen – Zurück ins Jahr 2050 mit Dr.-Ing. Martina Neises-von Puttkamer



Dienstag, 12. Januar 2021

Wie sieht wohl die Arbeit in einem solarthermischen Kraftwerk im Jahr 2050 aus? Unsere Kollegin Martina Neises-von Puttkamer nimmt uns in ihren „Sonnenvisionen“ mit auf eine Reise in die Zukunft der solarthermischen Kraftwerke. In ihrer Kurzgeschichte lernen wir die Ingenieurin Tanija und ihren Arbeitsalltag in einem Solarkraftwerk im Jahr 2050 kennen. Der Beitrag erschien in der ersten Ausgabe des diesjährigen Bunsen Magazins.

Sonnenvisionen

Dieser Artikel erschien zuerst im Bunsen-Magazin 1/2021.

Tanija ließ die Autotür hinter sich zufallen und atmete die kühle Morgenluft ein. Ihr Blick wanderte über die Ebene, die zu ihrer linken Seite kahl und rotbraun vor ihr lag. In der Ferne zeichneten sich die Berge am Horizont ab, ebenfalls in einem rot-bräunlichen Farbton unter einem blauen, wolkenlosen Himmel. Die Ebene war karg, kaum ein Pflänzchen was hier in dieser trockenen, heißen Region leben konnte. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und ein kühler Wind wehte über das Land und ließ Tanija für einen kurzen Moment erschauern. Die Kühle war wohltuend und sie liebte diesen Augenblick am Morgen kurz vor Sonnenaufgang, wenn alles still dalag als würde die Ebene tief einatmen, um mit dem ersten Sonnenstrahl der über den Horizont brach auszuatmen und das Leben wieder zu erwecken. In einigen Stunden würde die Sonne erbarmungslos auf sie herabscheinen, die Luft würde flirren und der Aufenthalt hier draußen für sie unerträglich werden. Auch nach über zwei Jahren fiel ihr das Arbeiten in der gleißenden Hitze noch schwer. Zum Glück musste sie nur selten tagsüber nach draußen, die meiste Zeit verbrachte sie in den klimatisierten Kontrollräumen der Solaranlagen, die zu ihrer Rechten vor ihr lagen.

Tanijas Blick wanderte weiter. Hier begann der riesige Solarpark, der sich über mehrere Quadratkilometer erstreckte. Eine riesige Fläche über die sich Solarfelder unterschiedlichster Technologien spannte, was nicht weiter verwunderlich war an einem Ort wie diesem, an dem die Sonne über 3000 Stunden im Jahr unbeirrt auf die Erde herab schien. Vor ihr lag ein Heliostatfeld bestehend aus über Tausend Spiegeln, die das Sonnenlicht auf einen in der Mitte des Feldes gelegenen Turm warfen. Jeder Spiegel war wiederum aus kleineren Spiegeln aufgebaut und wurde automatisch der Sonne nachgeführt. Unter den Heliostaten bot sich ein Anblick, der sie, als sie das erste Mal hierhergekommen war, in tiefes Erstaunen versetzt hatte. Der Boden unter den Spiegelflächen erstrahlte in einem satten Grün. Eine Wiese mit unterschiedlichen Pflanzen, ein Ökosystem welches im kompletten Kontrast zur kargen und leeren Wüstenebene stand, die nur ein paar Meter neben der Anlage vorherrschte. Die Solarspiegel spendeten tagsüber Schatten und ein ausgeklügeltes System der Wasseraufbereitung und -Verteilung sorgte dafür, dass hier tatsächlich Pflanzen, ja sogar einige Gemüsesorten wachsen konnten. Tanija betrat die Anlage und ging einen kleinen Weg entlang durch das Heliostatfeld auf den Turm zu. Der Wind wiegte das Gras und die Pflanzen sanft hin und her und es wunderte sie mal wieder, dass diese grüne Oase so natürlich aussah, als wäre sie zufällig hier gewachsen. Dem Zufall war hier allerdings nichts überlassen. Das ganze Feld war von Leitungen und Sensoren durchzogen, die die Feuchtigkeit und den Nährstoffgehalt des Bodens genau maßen und entsprechend regelten. Zwischen den Heliostaten erblickte sie mehrere Reinigungsroboter, die fast lautlos durch das Feld fuhren und ihre morgendliche Runde bald beendet haben würden. Die Spiegelflächen waren blitzsauber und bereit für den Einsatz.

Tanija beschleunigte ihre Schritte und näherte sich dem Turm, der mehrere hundert Meter hoch über dem Meer aus Spiegeln herausragte. Der runde, graue, durch und durch zweckmäßige und ihrer Meinung nach etwas langweilige Bau beinhaltete mehrere zentrale Anlagenkomponenten. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um ganz oben den schwarzen Receiver erahnen zu können, der noch schlief, doch bald aus seiner Nachtruhe erwachen würde. Die Anlage wurde noch aus den großen Speichern betrieben, die neben dem Turm standen. Zwei riesige Tanks, einer mit heißen und einer mit kalten keramischen Partikeln befüllt, deren Aufgabe es war die Sonnenenergie in Form von Wärme zu speichern und durch die Anlage zu transportierten. Der heiße Tank würde nun am frühen Morgen fast leer sein, aber sobald die Anlage in den Solarbetrieb ging wieder gefüllt werden. Vor der Tür am Fuße des Turmes hielt Tanija an. Nach dem kurzen Sicherheitscheck ihrer Iris öffnete sie sich mit einem leisen Knacken und Tanija trat ins Turminnere. Sobald sie eintrat schaltete sich das Licht an.

Tanija nahm ein dünnes, kaum fingernagelbreites Tablet aus ihrer Umhängetasche und eine leichte Berührung ließ es aufleuchten. „Guten Morgen, Tanija“ klang eine sanfte, helle Stimme aus dem Gerät und auf dem Bildschirm erschien das Gesicht einer Frau. „Guten Morgen, Amanda“ antwortete Tanija. „Na, hast du die Nacht ordentlich einen drauf gemacht?“. „Ich verstehe deine Anmerkung nicht. Ich habe heute Nacht den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage überwacht.“ Tanija rollte die Augen. Jedes Jahr gab es ein Update, welches noch mehr großartige und absolut notwendige Features versprach und doch hatten die Entwickler es bisher nicht geschafft, dem Anlagen-Assistenten Sinn für Humor einzuprogrammieren. Aber sie wollte sich nicht beschweren. Die ersten KIs, die als Interfaces zwischen Menschen und den Überwachungs- und Steuerungselementen der Anlage dienten waren unkomfortabel und fehleranfällig. Amanda hingegen verstand ihre Anfragen meist fehlerfrei, hatte sofort alle Daten parat, die sie anforderte und meldete sich zuverlässig, wenn es Probleme gab.

Solarturm auf Plataforma Solar de Almería (Eigentümer: Forschungszentrum CIEMAT/Spanien). Bild: DLR / Markus-Steuer.de

Tanija stieg in den Aufzug. „Ebene 3.“ sagte sie und kaum spürbar setzte sich der Aufzug in Bewegung. „Dann erzähl mir mal, wie es läuft.“ forderte Tanija ihre Anlagen-KI auf. „Alle Systeme laufen innerhalb ihrer spezifizierten Normparameter“ antwortete Amanda und gleichzeitig erschienen eine Reihe von farbigen Graphen auf dem dünnen Tablet. Tanija strich routiniert über den Bildschirm und schaute sich den Verlauf der wichtigsten Betriebsparameter wie Temperaturen, Output und Performance der letzten 24 Stunden an. Die Tür öffnete sich und ein grauer, schwach beleuchteter Raum mit auf den ersten Blick chaotisch verlaufenden Rohrleitungen in den unterschiedlichsten Farben lag vor ihr. „Zeig mir bitte den Druck in der Leitung VPX3“. Sofort erschien das entsprechende Diagramm auf dem Tablet. „Sieht alles gut aus“, murmelte Tanija mehr zu sich selbst, als zu ihrer KI-Assistentin. Der Druck in der Dampfleitung war gestern Nachmittag plötzlich rapide abgefallen. Die Anlagen-KI hatte selbstverständlich alle notwendigen Maßnahmen gemäß des Sicherheitsprotokolls eingeleitet und Amanda hatte sowohl Tanija als auch die Zentrale sofort benachrichtigt. Die Reparatur-Drohnen waren kurz darauf ausgerückt, hatten das Leck schnell identifiziert und nachdem das ‚Go‘ aus der Zentrale gekommen war, das entsprechende Stück der Rohrleitung repariert. Tanija war nur am Abend nochmal vorbeigekommen, um einen finalen Blick darauf zu werfen. Anscheinend war alles in Ordnung, denn der Druckverlauf in der Leitung zeigte seit der Reparatur keine nennenswerten Auffälligkeiten. „Prima,“ sagte Tanija und stieg wieder in den Aufzug ein. „Dann lass uns mal schauen, wie es oben aussieht.“ „Bitte spezifizieren.“ schallte Amandas Stimme aus dem Tablet und Tanija hätte schwören können, dass sie ein bisschen höhnisch klang. „Receiverebene bitte.“ Sagte sie und rollte abermals mit den Augen. Manchmal kam es ihr so vor, als ob die KI sie absichtlich nicht verstand, nur um sie zu ärgern. Was natürlich Unsinn war und gleichzeitig auch schon Thema unzähliger Studien, die die Interaktion zwischen Mensch und KI untersuchten und die zeigten, dass es ganz normal war, dass Menschen dazu neigten in die KI’s menschliche Charakterzüge hineinzuinterpretieren. Das Interpretieren von Körpersprache und verbaler Sprache auf Gefühlsregungen war wohl eine allzu menschliche Eigenschaft, die sich nicht abstellen ließ, egal ob beim Gegenüber Gefühle vorhanden waren oder nicht.

Die Tür öffnete sich wieder und Tanija stieg auf der obersten Turmebene aus. Der solare Receiver, ein großes zylinderförmiges graues Etwas, das wie ein schlafender Riese vor ihr lag, füllte den Raum. Noch war es leise, nur die Sensoren surrten. Doch bald würde die Anlage in den Solarbetrieb übergehen und dann würde es hier drin laut und heiß werden. Tagsüber heizte die konzentrierte Solarstrahlung der Heliostate die keramischen Partikel im Receiver auf über 1000 °C auf. Die Speicher, in denen die heißen Partikel anschließend lagerten, ermöglichten es, dass die angeschlossenen Elektrolyseeinheiten auch nachts durchlaufen konnte.  Normalerweise lief die Anlage konstant 24 Stunden lang ohne Unterbrechung und wurde nur einmal im Jahr zur Revision außer Betrieb genommen. Die heißen Partikel erzeugten einerseits Dampf zur Herstellung von Wasserstoff, andererseits wurde ein Teil mit Trucks zu einer metallverarbeitenden Anlage transportiert, in der sie Wärme für die Metallherstellung lieferten.

Tanija öffnete eine große, rechteckige Klappe neben dem Receiver und kühle Luft schlug ihr entgegen. Von hier aus sah sie das Spiegelfeld am Fuße des Turmes. Die einzelnen Heliostate sahen von oben winzig klein aus, als könnte man sie mit der Hand beliebig versetzten. „Na dann wollen wir mal sehen, ob ihr auch alle einsatzbereit seid.“ Murmelte sie abermals mehr zu sich selbst. Ihr Blick lag weiterhin auf den Spiegeln, doch nach einer kurzen Berührung ihres Tablets, erschienen in ihren Augenwinkeln kleine schwarze Punkte, die wie Libellen über das Spiegelfeld flogen. Nach einem anscheinend komplett chaotischen Muster schwebten die schwarzen Punkte über die einzelnen Heliostate und nur einen kurzen Moment später erschien auf Tanijas Bildschirm eine Karte des Feldes, welche die einzelnen Spiegel in grünen und gelben Farbtönen zeichnete.

Im gleichen Augenblick knackte es in ihrem Ohr und eine Stimme meldete sich, durch den kleinen fast unsichtbaren Knopf in ihrer Ohrmuschel. „Na, ich habe schon gesehen, dass du angefangen hast.“ „Guten Morgen, Sahir.“ sagte Tanija und grinste. „Was heißt hier Morgen, ich bin schon seit sieben Stunden hier. Bitte sag mir, dass alles super läuft, damit ich in den Feierabend verschwinden kann.“ „Was denn, hast du noch ein Date?“ entgegnete Tanija „Und dass alles super läuft siehst du doch selbst.“ „Ja, ich erhalte gerade die Daten. Die Drohnen zur Überprüfung der Spiegel sind fertig. Heliostatfeld einsatzbereit. Receiver auch. Dampfleitung wieder heile. Elektrolyseure laufen. Alles bereit, um den Solarbetrieb anzuwerfen. Und ja, ich habe noch ein Date.“ „Du brichst mir das Herz Sahir. Und ich dachte, du würdest auf mich warten.“ Tanija konnte den ironischen Unterton nicht aus ihrer Stimme fernhalten. „Ja, wollte ich auch. Aber dazu müsstest du herkommen zu mir in die Zentrale. Keine zehn Pferde kriegen mich dazu, zu dir ins Nirgendwo zu ziehen und in dieser Einöde zu leben.“ antwortete die Stimme belustigt und gleichzeitig ein wenig entrüstet, als ob schon der Gedanke daran, in der Wüste zu leben eine Zumutung wäre. „Na gut, dann wird das wohl doch nichts mit uns.“ sagte Tanija und grinste ein wenig abwesend. Genauso verständnislos hatten ihre Freunde und Familie reagiert, als sie ihnen sagte, dass sie weggehen wollte. Warum in diese Abgeschiedenheit, in diese abgelegene Gegend in der es immer heiß und trocken und menschenleer war? Warum nicht in die Zentrale, in die Großstadt, dort wo das Leben pulsierte? Aber ihr Entschluss hatte festgestanden und sie hatte es nicht bereut. Ja, es war einsam und daher ließen sie einen auch selten länger als zwei bis drei Jahre an so einem Ort, bis sie einen versetzten. Und nach einigen Jahren im Außeneinsatz an wechselnden Standorten gingen die meisten sowieso freiwillig zurück in die Stadt. Ein leises Klopfen ertönte in ihrem Ohr und eine Meldung erschien auf ihrem Tablet. „Tut mir leid, Sahir. Sammy ruft an. Viel Spaß bei deinem Date.“ „Den werde ich haben. Dir viel Spaß in der Einöde.“ Seine Stimme erlosch.

Mit einer Berührung ihres Tablets erklang eine aufgeregte Frauenstimme in Tanijas Ohr. „Hallo meine untreue Freundin. Freitagabend, wir beide auf der Tanzfläche, im beliebtesten Club der Stadt und keine Ausreden.“ „Hallo Sammy,“ antwortete Tanija geduldig und mit einem leichten Kopfschütteln. „Ich hatte eine gute Nacht, danke der Nachfrage. Hier sieht alles gut aus. Ich werde jetzt gleich zur nächsten Anlage fahren und kontrollieren, wie es mit dem Ausbau des Photovoltaikfeldes voran geht. Gibt es bei dir was?“ „Du meinst außer, dass meine Mitstreiterin und Leidensgenossin mich nächste Woche verlässt und dass ich deswegen am Boden zerstört bin?“ ihre Stimme klang nun eindeutig vorwurfsvoll. Tanija wartete und nach einer Weile schien die Frau am anderen Ende verstanden zu haben, dass sie keine Antwort auf die erhobenen Vorwürfe bekommen würde. „Nein, alles wie immer.“ entgegnete sie gelangweilt. „Ich werde dich auch vermissen, Sammy.“ antwortete Tanija schließlich beschwichtigend. „Aber es war ein so verlockendes Angebot. Und außerdem weißt du doch, dass sie einen nach zwei Jahren versetzten.“ „Versuch erst gar nicht es auf andere abzuwälzen. Ich weiß genau, dass du es so wolltest.“ Die Stimme der Frau klang nun wieder sehr vorwurfsvoll. „Ja, aber erstens kannst du mich jederzeit erreichen und zweitens bekommst du sicher einen ganz ausgezeichneten und netten neuen Kollegen.“ Tanija versuchte zuversichtlich zu klingen. Aber in Wirklichkeit hatte sie natürlich keine Ahnung, wer ihr Nachfolger sein würde. Den Namen hatte sie schon erfahren, aber mehr auch nicht. Und mehr war auch nicht nötig, denn es brauchte keine lange und umfangreiche Übergabe mehr von Mensch zu Mensch. Die Einarbeitung des Anlagenkontrolleurs erfolgte nach einem festgelegten Protokoll durch die KI. Ihr Nachfolger würde dem Anlagen-Assistenten einen neuen Namen geben, eine neue Stimme, ein neues Aussehen. Aus ihrer Amanda würde dann ein David, eine Paula oder sonst wer werden. Personalisierter Anlagen-Assistent nannte es sich und sollte den Menschen helfen, sich schnell einzuleben und ein gutes Zusammenarbeiten zwischen Menschen und KI fördern. „Also Freitag abgemacht?“ tönte die Stimme wieder in Tanijas Ohr und riss sie aus ihren Gedanken. „Ja, abgemacht. Wir treffen uns nach Schichtende im Quartier und dann fahren wir runter in die Stadt.“ antwortete sie, „Ich werde jetzt mal weiter. Melde mich später.“ Damit erlosch das Gespräch und es war wieder still.

Tanija ließ ihren Blick über das Solarfeld streifen. Er wanderte über die Spiegel und darüber hinaus in die Ferne. Photovoltaikanlagen schlossen sich an das Heliostatfeld an, weiter dahinter wieder ein Solarturm. Die ganze Ebene glitzerte im Licht der aufgehenden Sonne, bedeckt von verschiedenen Technologien, die die schier unerschöpfliche Energie der Sonnenstrahlen aufsaugten und sie als Strom, Wärme und Wasserstoff wieder frei gaben. Zwischen den Feldern zog sich eine Straße hindurch auf der mehrere Trucks entlang fuhren. Sie fuhren, selbstverständlich autonom, auf eine Anlage zu, wo sie ihre Fracht, Tonnen von heißen Partikeln erhalten sollten. Der Wasserstoff wurde größtenteils per Pipeline transportiert, zu Chemiefabriken, die ihn weiterverarbeiteten und an die Küste, von wo aus er auf Schiffen weiter transportiert wurde. Tanijas Gedanken schweiften ab. Nächste Woche würde sie schon weit weg von hier sein. An einem anderen heißen und trockenen Ort dieser Erde. Eine neue Solaranlage wurde dort aufgebaut und sie konnte von Anfang an mit dabei sein. Die Solarfelder sollten einen ganzen Chemiestandort mit Strom, Wärme und anderen benötigten Stoffen wie Wasserstoff und Synthesegas versorgen.

„Zehn Minuten bis zum Start des Receivers“ tönte Amandas Stimme durch den Raum und sie klang eindeutig drängend. „Ja, genau.“ Noch abwesend schaute Tanija auf ihr Tablet, sammelte ihre Gedanken und konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit. „Du hast recht, wir sollten weiter.“ Nach einem letzten Rundgang um den Receiver, stieg sie in den Aufzug. „Nach unten“, sagte sie während sie eintrat. „Bitte spezifizieren.“ Etwas genervt atmete Tanija ein. „Das machst du absichtlich“, knurrte sie. „Ich verstehe nicht“, ertönte Amandas unschuldsvolle Stimme. Tanija war fest davon überzeugt, dass sich Amanda einen Spaß mit ihr erlaubte. „Erdgeschoss bitte, wohin sonst“, entgegnete sie resigniert. Auch einer KI sollte ein bisschen Spaß erlaubt sein in ihrem sonst so eintönigen Leben. Die Tür öffnete sich und Tanija verließ kurz darauf den Turm. Sie ging den Weg entlang zurück zum Auto. Die Heliostate bewegten sich nun zeitgleich und sie hörte die Elektromotoren leise summen. Es war Zeit. Die Spiegel gingen in den Track. Tanija dreht sich um und schaute hoch zum Receiver an der Spitze des Turmes. Immer heller und heller wurde es dort, bis das Licht schließlich so gleißend hell war, dass sie nicht mehr hinsehen konnte. Ein letzter Blick auf ihr Tablet verriet ihr, dass alles normal lief. Damit setzte sie sich wieder in Bewegung und steuerte schnellen Schrittes auf den Rand des Solarfeldes zu, wo das Auto wartete. Die Tür öffnete sich automatisch, als Tanija sich näherte. Sie stieg ein und ließ sich mit einem Stöhnen auf den Sitz fallen. Es war für sie immer noch unfassbar wie schnell es draußen heiß wurde, sobald die Sonne aufgegangen war. „Zur Anlage PV-drei“, sagte sie. Das Auto setzte sich leise in Bewegung. Tanija schaute auf ihr Tablet und war in Gedanken schon bei ihrer nächsten Aufgabe. Sie hatte noch viel vor sich.

 

Dr.-Ing. Martina Neises-von Puttkamer


 

Während ihres Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen hörte Martina Neises-von Puttkamer zum ersten Mal von den verschiedenen Möglichkeiten die Sonnenenergie zu nutzen. Seitdem forscht und arbeitet sie an der Vision, diese geradezu unerschöpfliche Energie einzusammeln, zu speichern und in unterschiedliche Anwendungen zu integrieren. Ob zur Stromerzeugung, zur Herstellung von Metall oder zur Produktion synthetischer Kraftstoffe. Nach ihrem Studium promovierte sie am Institut für Solarforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, wo sie ein Verfahren zur solaren Wasserstoffherstellung untersuchte. Derzeit leitet sie am Institut eine Gruppe, die sich mit der Entwicklung von neuen innovativen solaren Receivern für solarthermische Kraftwerke beschäftigt. Auch wenn der Weg zu einer, wie in ihrer Geschichte beschriebenen solaren Anlage noch weit ist, motiviert sie ihre Vision dazu, weiter daran zu arbeiten.


Kontakt
Dr.-Ing. Martina Neises-von Puttkamer
Gruppenleiterin Partikelsysteme

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Institut für Solarforschung
, Solare Hochtemperatur-Technologien
Stuttgart

Tel.: +49 711 6862 8172

Institutskommunikation
Elke Reuschenbach
Leiterin Kommunikation

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Institut für Solarforschung

Köln-Porz

Tel.: +49 2203 601-4153

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