Montag, 25.10.2021
Einen zentralen Meilenstein bei der Demonstration von Salzschmelze als Wärmeträgerfluid in Parabolrinnen-Solarkraftwerken haben Ingenieure und Ingenieurinnen des DLR in Évora, Portugal erreicht. Gemeinsam mit Forschenden der Universität Évora und Industriepartnern hat ein Team des DLR-Instituts für Solarforschung erstmalig das Solarfeld der Parabolrinnen-Testanlage Évora mit Salzschmelze in Betrieb genommen. Die innovative Technologie trägt dazu bei, dass die Kosten von solarthermischen Kraftwerken weiter sinken. Mit ihren integrierten Speichern sind solarthermische Kraftwerke die einzige Technologie, die rund um die Uhr große Mengen von Solarstrom erzeugen kann.
Salz statt Öl als Wärmeträgermaterial für höhere Wirkungsgrade
Kommerzielle Parabolrinnenkraftwerke auf heutigem Stand der Technik nutzen ein spezielles Thermoöl als Wärmeträgermedium. Das Öl nimmt von Spiegeln konzentrierte Solarstrahlung auf, wandelt sie in Wärme um und leitet sie über Rohrleitungen an einen Wärmespeicher oder eine Dampfturbine zur Stromerzeugung weiter. Der mit Salzschmelze gefüllte Speichertank kann die Wärme bei Temperaturen von bis zu 565 Grad Celsius für eine Dauer beispielsweise für 12 Volllaststunden vorhalten und bei steigender Stromnachfrage wieder abgeben. Für das Übertragen der Wärme vom Öl in den Speicher benötigt das Kraftwerk Wärmetauscher. Dabei geht jedoch ein Teil der Wärmeenergie für die spätere Umwandlung in Strom verloren. Zudem begrenzt die maximal mögliche Einsatztemperatur des Öls von etwa 400 Grad Celsius den Wirkungsgrad der Energieumwandlung. Forschende und Industrie suchen daher nach Wegen, die Temperaturen in Solarkraftwerken weiter zu erhöhen, um so die Kosten der Stromerzeugung zu senken.
Eine vielversprechende Möglichkeit, die Temperaturen in Parabolrinnenkraftwerken zu erhöhen, ist die Nutzung von Salzschmelze nicht nur als Wärmespeichermedium, sondern auch als Wärmetransportmedium im Kollektorfeld. Je nach Zusammensetzung der Salzschmelze kann sie mit bis zu 565 Grad Celsius deutlich höhere Temperaturen aufnehmen als Thermoöl. Ein weiterer Vorteil: Die Speicher können direkt mit der Salzschmelze aus dem Solarfeld befüllt werden und der bisher erforderliche Wärmetauscher entfällt.
Um diesen Ansatz zu demonstrieren, hat das DLR-Institut für Solarforschung gemeinsam mit der Universität Évora und Unternehmen aus Deutschland und Spanien seit 2016 eine solarthermische Flüssigsalz-Parabolrinnen-Testanlage errichtet. Die Arbeiten fanden im Rahmen des Forschungsprojekts HPS2 (High Performance Solar 2) statt, das vom BMWi gefördert wird. Das Ziel des Projekts ist es zu demonstrieren, dass Parabolrinnenkraftwerke mit flüssigem Salz als Wärmeträgermedium sicher und wirtschaftlich betrieben werden können.
Eine technische Herausforderung bei der Nutzung von Salzschmelze als Wärmeträgerfluid ist die Begleitheizung aller Rohrleitungen: Damit die heiße Salzschmelze bei Befüllung der Anlage nicht erstarrt, müssen elektrische Begleitheizungen alle salzführenden Bauteile vorwärmen. Im Solarfeld kommt dabei ein Impedanzheizungssystem des Projektpartners eltherm zum Einsatz.
Erstbefüllung und Testbetrieb der Anlage bei 300 Grad Celsius erfolgreich
Die nun mit Salzschmelze befüllten und miteinander verbundenen Kollektormodule des Partners TSK Flagsol der Generation HelioTrough® 2.0 liefern eine thermische Gesamtleistung von bis zu 3,5 Megawatt, bei einer Gesamtlänge von 684 Metern.
Die Kollektoren konzentrieren die Solarstrahlung auf ein mit Glas umhülltes Rohr, das mit der Salzschmelze durchströmt wird. Dieser sogenannte Receiver ist eine Entwicklung des Projektpartners Rioglass und soll die Stabilität der optischen Qualität auch bei hohen Einsatztemperaturen zeigen.
Aktuell arbeitet die Anlage mit einer sogenannten ternären Salzmischung des Projektpartners YARA, die im Vergleich zur binären Salzmischung Solar Salt den Vorteil niedrigerer Schmelztemperaturen aufweist und die Wärme bis zu einer Temperatur von etwa 500 Grad Celsius aufnehmen kann. Neben dem Einsatz in solarthermischen Kraftwerken zur Stromerzeugung ist diese Salzmischung auch für solare Prozesswärmebereitstellung von Interesse.
Ausgehend von einer Starttemperatur von 300 Grad Celsius wollen die Ingenieure und Ingenieurinnen die Betriebstemperatur sukzessive auf 500 Grad Celsius erhöhen. In den kommenden Wochen nehmen die Ingenieure und Ingenieurinnen in Évora die weiteren Komponenten des Salzkreislaufs in Betrieb – neben dem Zweitank-Speichersystem umfasst das auch den Dampferzeuger, der vom Projektpartner Steinmüller Engineering entwickelt wurde, sowie die messtechnische Ausrüstung.
Dr. Jana Stengler, Leiterin der Gruppe Fluidsysteme im DLR-Institut für Solarforschung zu den Ergebnissen des ersten Tests: „Wir sind sehr zufrieden mit dem Verlauf der ersten Befüllung. Nun ist das nächste Ziel, Betriebserfahrung zu sammeln um Schritt für Schritt alle weiteren Komponenten mit Salzschmelze zu befüllen, den Regelbetrieb und auch kritische Betriebssituationen zu erproben.“
Dr. Mark Schmitz vom Projektpartner TSK Flagsol unterstreicht die Bedeutung des Vorhabens für die zukünftige solarthermische Stromerzeugung: „Kraftwerke, die die Technologie aus HPS2 nutzen, können einfacher gebaut werden und arbeiten effizienter. Dadurch sinken die Stromproduktionskosten um bis zu zehn Prozent. Das ist ein enormer Schritt für eine einzelne technische Änderung. Gleichzeitig sind damit längere Speicherdauern von 12 Volllaststunden und mehr wirtschaftlich erreichbar.“
Förderer und Projektbeteiligte
Das Forschungsprojekt ist Bestandteil des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Forschungsprojektes "High Performance Solar 2“ (FKZ 0324097). Begleitet wird das Projekt durch den Projektträger Jülich PtJ.
Neben dem DLR sind TSK Flagsol, YARA, Rioglass, Steinmüller Engineering, eltherm und RWE am Projekt beteiligt. Die Universität Évora als Eigentümerin der Évora Molten Salt Platform (EMSP) unterstützt den Aufbau und Betrieb der Anlageninfrastruktur mit Betriebspersonal und wissenschaftlichen Mitarbeitenden.