Der menschengemachte Klimawandel stellt uns vor die große Herausforderung, in der Luftfahrt klimaneutral zu werden auch die Gruppe Computergestützte Multiphysik (CMP) trägt zur DLR-Vision des emissionsfreien Fliegens bei. Bisheriger und ein eher kurzfristiger Ansatz ist es, die Treibhausgasemissionen durch Wirkungsgradverbesserungen und damit Kraftstoffeinsparung zu minimieren. Dies kann durch Erhöhung der Triebwerkstemperatur und -drücke erreicht werden, wodurch die Bauteile deutlich höheren Belastungen ausgesetzt sind. Hierfür wird auch am Einsatz neuer Werkstoffe gearbeitet, dazu zählen z. B. Titanaluminide (TiAl) sowie faserverstärkte Keramikwerkstoffe (CMCs). Neben dem bisherigen Vorgehen der Wirkungsgradverbesserung wird bei Verbrennungstriebwerken inzwischen vor allem der Umstieg auf nachhaltige Kraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels, kurz SAFs) und Wasserstoffverbrennung verfolgt. Diese Triebwerksentwicklungen verändern auch die Lebensdauerberechnung von Triebwerksbauteilen, die mechanischen, thermischen und korrosiven Einflüssen unterliegen und das Forschungsziel der Gruppe CMP darstellen.
Vor diesem Hintergrund ergeben sich drei fachliche Forschungsschwerpunkte, aus deren Verzahnung entscheidende Synergien geschöpft werden können:
Multiphysikalische Multiskalen-Simulationen mit Fokus auf Lebensdauerbewertungen
Um die Bauteillebensdauer zu bestimmen, gilt es diese mechanischen, thermischen und chemischen Prozesse sowie daraus resultierende Belastungen zu beschreiben. Dabei verwenden wir Phasenfeldmodelle um den Schädigungsprozess der Bauteile abzubilden. Um der speziellen Mikrostruktur der jeweiligen Materialien Rechnung zu tragen und in die mathematischen Modelle mit einzubeziehen, werden Multiskalenansätze, wie zum Beispiel Homogenisierungsmethoden zur Berechnung effektiver Materialparameter oder FEn (n ≥ 2) für Mehrskalensimulationen, angewandt. Die Implementierung numerischer Methoden zur Lösung der entwickelten Modelle tragen zur Entwicklung eines Finite-Elemente-Lösers bei, mit dem wir sowohl Tests und Simulationen validieren als auch die Lebensdauer realer Triebwerksbauteile bewerten.
Machine Learning
Die Gruppe CMP forscht an fortschrittlichen maschinellen Lernverfahren, um rechenintensive Problemstellungen zu beschleunigen und möglichst in Echtzeit berechnen zu können. Unter anderem werden Kombinationen von Neuronalen Netzen und Gauß-Prozessen verwendet, um Ersatzmodelle von hochdimensionalen Problemen ableiten zu können. Des Weiteren werden mittels Machine Learning Verfahren Abbildungen von zweidimensionalen auf dreidimensionale repräsentative Volumenelemente (RVEs) entwickelt. Hierbei werden generative Modellierungstechniken, wie conditional Generative Adversial Networks (cGAN) und conditional Variational Autoencoders (cVAE), verwendet. Dieser Ansatz beschleunigt insbesondere die RVE Modellkonstruktion im Bereich der Multiskalenberechnung.
Stochastische Methoden
Herstellungs- und betriebsbedingt sind sowohl die Bauteilgeometrie, die Materialeigenschaften als auch die Betriebslasten und -temperaturen mit Streuungen und Unsicherheiten behaftet. Herkömmlich werden strukturmechanische Kriterien wie die Lebensdauer mit deterministischen Verfahren unter Verwendung konservativer Materialkennwerte bewertet. Bei CMP werden durch den Übergang auf stochastische Methoden wie der Weakest-Link-Weibull-Theorie die Streuungen und Unsicherheiten berücksichtigt und die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Bauteils bestimmt. Durch die Nutzung streuender Mikrostrukturen soll die fundamentale Abhängigkeit der Weibull Theorie von experimentellen Ergebnissen reduziert werden.