JUICE

Ju­pi­ter in his­to­ri­scher Be­trach­tung und als Ziel von Raum­son­den

Als zweithellster „Stern“ am Nachthimmel nach der Venus war Jupiter wie auch die anderen mit dem bloßen Auge sichtbaren Planeten – MarsMerkur und Saturn – dem Menschen seit jeher als „Wandelstern“ bekannt: Er ändert seine Position vor dem Hintergrund der Fixsterne. 1610 entdeckte der italienische Universalgelehrte Galileo Galilei mit seinem Fernrohr vier Trabanten, die den Planeten umrunden. Diese Beobachtung trug maßgeblich zur Festigung des seit 1543 diskutierten Kopernikanischen Weltbildes bei: Nicht die Erde, sondern die Sonne steht im Zentrum unseres Planetensystems. Galilei zu Ehren wurden die vier großen Jupitermonde – Io, Europa, Ganymed und Callisto – auch als Galileische Monde bezeichnet.

Die ESA-Mission JUICE ist die erste Raumsonde, die in einen Orbit um einen der Jupitermonde, in diesem Fall Ganymed, gelenkt wird. Damit ist eine neue Stufe in der systematischen Exploration der Jupitermonde erreicht. Das Jupitersystem wurde bereits seit den siebziger Jahren durch Raumsonden erforscht, und auch zukünftige Missionen werden die Erkundung des Riesenplaneten und seiner Monde fortführen.

Bei dem Explorationsziel „Jupiter“ kann man zwischen zwei Arten von Missionen unterscheiden: Die einen dienen bzw. dienten fast ausschließlich der Untersuchung des größten Planeten des Sonnensystems und seiner Monde. Die anderen haben bzw. hatten die Aufgabe, Jupiter aufgrund seiner großen Masse als „gravity assist“ zwecks Beschleunigung zu anderen Zielen im Sonnensystem zu nutzen. Zu letzterer Gruppe gehören die NASA-Missionen Cassini (Ziel: Saturn), und New Horizons (Ziel: Pluto) sowie die ESA-Mission Ulysses (Ziel: polarer Sonnenorbit). Auch die beiden Voyager-Sonden und die Pioneer-Sonden 10 und 11 nutzten Jupiter, um Vorbeiflüge am Saturn – und im Falle von Voyager 2 später auch an Uranus und Neptun – durchzuführen. Allerdings war auch Jupiter ein Hauptziel dieser Missionen.

Pioneer 10 und 11

Die NASA Missionen Pioneer 10 und 11 waren die ersten Missionen ins äußere Sonnensystem überhaupt. Sie stellten unter Beweis, dass der Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter gefahrlos mit Raumsonden durchquert werden kann und Ziele im äußeren Sonnensystem anvisiert werden können. Pioneer 10 und die baugleiche Sonde Pioneer 11 erreichten Jupiter im November 1973 bzw. im Dezember 1974.

Mit elf Instrumenten an Bord lieferten Pioneer 10 und 11 wichtige Daten zum Asteroidengürtel, zu Jupiter selbst und zu seiner Magnetosphäre und den Strahlungsgürteln. Auch erste Aufnahmen der Galileischen Monde gelangen bei dem Vorbeiflug am Jupitersystem. Die letzten Daten von Pioneer 10 wurden 2003 auf der Erde aus einer Entfernung von etwa zwölf Milliarden Kilometern empfangen. Der Kontakt zu Pioneer 11 brach 1995 ab.

Voyager 1 und 2

Während es sich bei Pioneer 10 und 11 um eher technische Missionen handelte, wurden mit Voyager 1 und Voyager 2 erste voll ausgerüstete Raumsonden ins äußere Sonnensystem geschickt. Die elf Instrumente mit einer Gesamtmasse von 105 Kilogramm lieferten eine Vielzahl von spektakulären Resultaten: Erste detaillierte Bilder zeigten unter anderem die Dynamik der Wolkenstrukturen Jupiters, den aktiven Vulkanismus auf Io, die einzigartigen Strukturen der Eisoberflächen auf Europa, Ganymed und Callisto und das Ringsystem Jupiters.

Gestartet am 5. September 1978, erreichte Voyager 1 schon im März 1979 das Jupitersystem. Nur wenig später, im April 1979, traf die baugleich Sonde Voyager 2 im Jupitersystem ein und setzte die Untersuchungen fort. Nach ihren Vorbeiflügen an Jupiter erreichten beide Raumsonden 1980 bzw. 1981 den Saturn. Für Voyager 1 war die Mission in unserem Sonnensystem damit beendet, sie flog aber weiter und überquerte 2012 die Grenze zum interstellaren Raum. Voyager 2 konnte aufgrund einer einmaligen Planetenkonstellation die Reise mit Vorbeiflügen am Uranus- und Neptunsystem fortsetzen. Mit Passagen an allen vier Gasplaneten zählt Voyager 2 zu den erfolgreichsten planetaren Missionen.

Voyager 1 sendet bis heute (Stand 2023) aus Richtung des Sternbilds „Schlangenträger“ Funksignale und Messdaten von vier Instrumenten zur Erde und ist mit über 150 astronomischen Einheiten (22,5 Milliarden Kilometer) die am weitesten von der Erde entfernte Raumsonde. Voyager 2 wird 2023 die Marke von 20 Milliarden Kilometer Sonnenentfernung überschreiten und sendet ebenfalls mit noch fünf aktiven Messinstrumenten Daten zur Erde. Funksignale der beiden Sonden benötigen rund 18,5 bzw. 22 Stunden, um die Erde zu erreichen.

Galileo

Mit der NASA-Mission Galileo wurde zum ersten Mal ein Orbiter ins Jupitersystem gesandt. Der Start erfolgte am 18. Oktober 1989 aus der Ladebucht des Space Shuttles Atlantis. Nach der Ankunft am Jupiter im Dezember 1995 umkreiste Galileo den Planeten bis 2003 und führte zahlreiche nahe Vorbeiflüge an den Monden durch. Auf dem Weg zu Jupiter hatte Galileo im Juli 1994 auch die über 20 Einschläge des von der Schwerkraft Jupiters in kilometergroße Fragmente auseinandergerissenen Kometen Shoemaker-Levy-9 beobachtet. Dies war von der Erde aus oder mit anderen Raumsonden nicht möglich.

Die Daten der Galileo Mission sind die wichtigste Grundlage zur Vorbereitung der Mission JUICE. Durch Galileo wurde unter anderem die innere Struktur der Monde bestimmt. Es wurden Hinweise auf Ozeane im Innern von Europa, Ganymed und Callisto gefunden und neue Erkenntnisse zu Jupiter und seiner Magnetosphäre gesammelt. Nach Einschwenken in den Orbit um Jupiter wurde eine Sonde, die Galileo Probe, ausgesetzt, die – an einem Fallschirm bis in eine Tiefe von 160 Kilometern unter der 1-bar-Grenze – zum ersten Mal vor Ort Messungen in der Jupiteratmosphäre bis zu einem Atmosphärendruck von 22 bar durchführte. Ein überraschendes Resultat der Galileo-Mission war der Nachweis eines selbst erzeugten magnetischen Dipolfeldes bei Ganymed.

Trotz eine Fehlfunktion der Hauptantenne Galileos konnten mit zwei Missionsverlängerungen nahezu sämtliche wissenschaftlichen Ziele erreicht werden. Galileo trat 2003 planmäßig in die Jupiteratmosphäre ein und verglühte dort. So konnte sichergestellt werden, dass auch nach Ende der Mission keine Möglichkeit der Kontamination der Jupitermonde mit biologischem Material von der Erde bestand.

Juno

Die NASA Mission Juno, nach Galileo der zweite Orbiter im Jupitersystem, befindet sich seit 2016 am Riesenplaneten und ist zurzeit (Stand 2023) in der Verlängerungsphase, die bis maximal 2025 andauert. In der nominellen Mission hat Juno ausschließlich den Riesenplaneten selbst, insbesondere seine Magnetosphäre und sein Schwerefeld untersucht. Juno lieferte spektakuläre Bilder der Jupiteratmosphäre, zum ersten Mal aus einem polaren Blickwinkel.

Die Sonde wurde in eine hochelliptische polare Umlaufbahn manövriert, um einerseits die polaren Regionen Jupiters besser erforschen zu können. Zum anderen wurde so der Einfluss der schädlichen Strahlungsgürtel Jupiters auf die Raumsonde und ihre Instrumente minimiert. In der verlängerten Missionsphase wurde die Sonde in eine äquatornahe Umlaufbahn gebracht. Dadurch wurden Vorbeiflüge an den Monden Ganymed, Europa und Io ermöglicht. 2021 lieferte Juno Daten vom Ganymed-Vorbeiflug in 1.038 Kilometern Höhe. Im September 2022 folgte dann ein Europa-Vorbeiflug in nur 352 Kilometern Höhe. Im Laufe der verlängerten Missionsphase werden 2023 und 2024 zwei Io-Vorbeiflüge folgen.

JUICE und Europa Clipper

Mit der ESA-Mission JUICE und der NASA-Mission Europa Clipper wird die systematische Erkundung des Jupitersystems, insbesondere seiner Monde, fortgesetzt. Mit JUICE wird zum ersten Mal eine Raumsonde in eine Umlaufbahn um einen der Jupitermonde einschwenken. Ganymed ist das Hauptziel dieser Mission, aber auch Vorbeiflüge an Europa und Callisto werden unser Bild der Jupitermonde erheblich erweitern.

Europa Clipper bleibt zwar im Jupiterorbit, führt allerdings eine Sequenz von über 40 Vorbeiflügen an Europa durch, um diesen Mond im Detail zu charakterisieren und insbesondere seinen vermuteten Ozean zu untersuchen. Beide Missionen werden mittels Radar unter die Eisoberfläche dieser Monde „schauen“, um flüssiges Wasser und Ozeane nachzuweisen. Durch die Sequenz an Vorbeiflügen anstelle einer Umlaufbahn um Europa wird der schädliche Einfluss der Strahlungsumgebung Jupiters auf ein Maß reduziert, welches die Raumsonde und die Instrumente aushalten können. Europa Clipper wird 2029 das Jupitersystem erreichen. Wenig später 2031 wird JUICE in die Umlaufbahn um den Riesenplaneten gelenkt. Für mehrere Jahre werden beide Raumsonden gleichzeitig im Jupitersystem Messungen vornehmen, was insbesondere für die Untersuchung der dynamischen Vorgänge in der Jupitermagnetosphäre von großem Nutzen sein wird.

JUICE und Europa Clipper werden durch ihre umfangreichen Datensätze ebenfalls die Voraussetzungen für zukünftige Missionen, insbesondere für Landesonden schaffen. Konzepte für Vor-Ort-Messungen, die Zugang zu den Ozeanen ermöglichen sollen, werden entwickelt, sind aber derzeit noch nicht konkret umsetzbar.

Jupiter als Ziel von Vorbeiflügen

Aufgrund seiner großen Masse wird Jupiter typischerweise genutzt, um Raumsonden auf schnelleren Kurs zu ferneren Zielen im äußeren Sonnensystem zu bringen oder die Bahn einer Raumsonde signifikant zu ändern. Dieses Verfahren wurde schon bei den Pioneer- und Voyager-Sonden erfolgreich angewandt.

Ulysses

Die ESA/NASA-Mission Ulysses nutze 1992 einen Jupiter-Vorbeiflug, um in einen polaren Orbit um die Sonne zu gelangen. Primärziele der Mission: Erkundung der Sonnenkorona, des Sonnenwindes, des Sonnenmagnetfeldes, solarer Plasmawellen und kosmischer Strahlung. Auch bei Jupiter wurden Messungen zum Magnetfeld und zum Plasma vorgenommen.

Cassini

Die NASA/ESA-Mission Cassini/Huygens nutzte 2004 einen Jupitervorbeiflug, um auf Kurs zum Saturnsystem zu kommen und die nötige Beschleunigung zu erreichen. Primärziel der Mission waren die Untersuchung des Saturn, seines Ringsystems und der zahlreichen Monde – insbesondere des größten Mondes Titan, der fast die Größe von Ganymed hat und der zweitgrößte Trabant im Sonnensystem ist. Das Landeelement Huygens konnte 2005 erfolgreich abgetrennt werden und landete nach einem zweistündigen Flug am Fallschirm durch die Atmosphäre auf der minus 170 Grad Celsius kalten Eisoberfläche von Titan.

Wissenschaftliches Ziel beim Jupitervorbeiflug war vor allem, zeitliche Variationen seiner Atmosphäre anhand von Bilddaten zu erfassen. Die Interpretation der Beobachtungen führte zu einem neuen Verständnis der Dynamik in den Zonen und Wolkengürteln der Jupiteratmosphäre.

New Horizons

Um dem eigentlichen Missionsziel, dem Pluto-Charon System, näher zu kommen führte die NASA-Raumsonde New Horizons 2007 ebenfalls ein „Swing-by“-Manöver am Jupiter durch. Während des Vorbeiflugs knapp außerhalb der Bahn Callistos gelangen spektakuläre Aufnahmen von vulkanischen Eruptionen in der polaren Region Tvashtar auf dem Jupitermond Io. Spektrometer konnten unter anderem Unterschiede in der Oberflächenzusammensetzung Ganymeds nachweisen, die vermutlich auf der Abschirmung von geladenen Teilchen durch Ganymeds magnetisches Dipolfeld beruhen.

ESA-Mission mit starker deutscher Beteiligung

JUICE ist die größte und umfangreichste ESA-Mission zur Erforschung der Planeten des Sonnensystems. Neben der ESA haben auch die NASA und die japanische Weltraumorganisation JAXA zur Mission beigetragen. Die ESA übernimmt die Finanzierung für die Satellitenplattform, den Start mit der Ariane-5-ECA-Rakete sowie den Betrieb der Sonde. Die Finanzierung für die wissenschaftlichen Nutzlasten für JUICE werden zum größten Teil von den nationalen Raumfahrtagenturen und den beteiligten Instituten selbst getragen. Neben den Experimenten JANUS, SWI und GALA fördert die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR mit dem Teilchenspektrometer Particle Environment Package (PEP), dem Jupiter-Magnetometer (J-MAG), dem Radar-Instrument Radar for Icy Moons Exploration (RIME) und einem Instrument zur Radiosondierung der Jupiteratmosphäre (3GM) weitere deutsche wissenschaftliche Beiträge aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm.

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