Vision

Bilder bei Tag und Nacht und jedem Wetter

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts steht unsere Gesellschaft vor Herausforderungen von globaler Dimension: Klimawandel, nachhaltige Entwicklung, Ressourcenknappheit, Ernährungssicherheit, Megastädte, Mobilität und eine sich weltweit verändernde Sicherheitslage. Aktuelle Geoinformationen sind unverzichtbar, um beispielsweise Umweltveränderungen zu erkennen, den Klimawandel zu verstehen, die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen zu überwachen, die Präzisionslandwirtschaft zu unterstützen oder Katastrophenschutzkräften in Krisengebieten Informationen in Echtzeit zur Verfügung zu stellen. Weltraumgestütztes SAR spielt dabei eine entscheidende Rolle, da es die einzige Sensortechnologie ist, die globale, hochauflösende Bilder bei Tag und Nacht und unabhängig von Wetterbedingungen liefern kann. Es liefert wesentliche Beiträge für ein breites Spektrum von Anwendungen wie 2D-, 3D- und 4D- (Raum-Zeit)-Kartierung, Umwelt- und Infrastrukturüberwachung, Bestimmung physikalischer Parameter von Land-, Meeres- und Eisoberflächen, Gefahren- und Katastrophenüberwachung sowie Aufklärungs- und Sicherheitsanwendungen.

Hochaufgelöste Bilder alle paar Minuten

Diese einzigartige Fähigkeit von SAR-Systemen und der Bedarf der Nutzer an hochauflösenden, zeitnahen Geoinformationen mit globalem Zugang und globaler Abdeckung führen zu der Vision eines weltraumgestützten SAR-Systems. Ein weltraumgestütztes Sensornetzwerk, bestehend aus einem Radarobservatorium und einer Satellitenkonstellation, wird einen Blick auf unseren Planeten ermöglichen, wie wir ihn von Google Earth gewohnt sind, jedoch mit hochauflösenden Bildern und relevanten Geoinformationen, die alle paar Minuten aktualisiert werden.

Radarsatelliten-Missionen - wichtige Meilensteine


Der Weg zu dieser Vision erfordert eine Vielzahl von Schlüsselentwicklungen bei Radarkonzepten, Bildgebungsverfahren und innovativen Technologien, für die wir seit vielen Jahren eine Strategie und eine Roadmap entwickelt haben. Diese Roadmap umfasst mehrere Missionen, die wichtige Meilensteine in dieser Entwicklung darstellen (siehe Abbildung 1).

Zukunftstechnologie Digitale Strahlformung

Mit Blick auf die Zukunft ist die digitale Strahlformung ein Beispiel für eine grundlegende Technologie. Eine der Haupteinschränkungen bei der Entwicklung von SAR-Systemen ist die minimale Antennenfläche, die zur Unterdrückung der Mehrdeutigkeit von Azimut und Entfernung erforderlich ist. Aufgrund dieser Beschränkung ist es nur möglich, entweder eine hohe Auflösung (das heißt kleine Antennenfläche in Flugrichtung oder Azimut) oder eine große Streuung (das heißt kleine Antennenfläche in Elevation oder quer zur Flugbahn) zu erreichen.

Mehrkanalige SAR-Systeme

Mit Hilfe eines mehrkanaligen SAR-Systems und der damit verbundenen digitalen Antennenstrahlformung kann diese grundsätzliche Einschränkung von SAR-Systemen überwunden werden. Insbesondere der Missionsvorschlag Tandem-L ist in der Lage, mit einem digitalen Feed-Array mit 32 Kanälen in Kombination mit einer großen Reflektorantenne von 15 Metern Durchmesser die gesamte Erdoberfläche bis zu zweimal pro Woche interferometrisch abzubilden. Dies bedeutet eine Steigerung der Abbildungsleistung um zwei Größenordnungen im Vergleich zu den Satelliten TerraSAR-X und TanDEM-X. Durch die Integration der digitalen Strahlformung im Azimut mit mehreren Mehrkanalempfängern kann die Abbildungsleistung nochmals um eine Größenordnung gesteigert werden. Damit wird ein vollpolarimetrisches SAR-System mit einer Breite von 400 Kilometern und einer Auflösung von einem Meter realisierbar. Neben der digitalen Strahlformung werden weitere Technologien und Techniken entwickelt, um ein Radarsystemkonzept zu entwerfen, das die spezifischen Anforderungen der Nutzer möglichst effektiv erfüllt: MIMO-SAR, multistatisches SAR, MEO-SAR und GEO-SAR.

Präzise Systemkalibrierung, maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz

Das Institut hat sich auch auf die Weiterentwicklung innovativer Ansätze zur präzisen Systemkalibrierung der oben genannten fortschrittlichen Mehrkanal-SAR-Konzepte konzentriert, um eine verbesserte Bildqualität und Zuverlässigkeit der Informationsprodukte zu gewährleisten. Darüber hinaus können digitale Strahlschwenkung und multistatische Radargeräte für einen vollständig softwaredefinierten Betrieb ausgelegt werden, um eine adaptive und kognitive Erfassung zu ermöglichen. Da maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz in großem Umfang zur Verbesserung der Informationsgewinnung eingesetzt werden, kann mit einem softwaredefinierten Radar eine Rückkopplungsschleife eingerichtet werden, die in der Lage ist, ihren Abbildungsmodus kognitiv anzupassen, um die Informationsgewinnung zu optimieren.

Interferometrie, Tomographie, Holographie

Darüber hinaus haben wir eine Roadmap für wichtige Entwicklungen zur Informationsgewinnung und für innovative Anwendungen erstellt. Generell ist die Inversion geobiophysikalischer Parameter aus SAR-Daten aufgrund der komplexen und vielschichtigen Wechselwirkung der elektromagnetischen Wellen mit den abgebildeten Oberflächen- und Volumenstreuern eine nicht triviale Aufgabe. Modellbasierte Algorithmen sind notwendig, um eine zuverlässige und robuste Informationsextraktion zu ermöglichen. Der Erfolg solcher Verfahren steigt mit der Menge der in den Daten verfügbaren Beobachtungswerte und dem Informationsgehalt. Diese Erhöhung des Informationsgehalts kann auf verschiedene Weise erreicht werden, zum Beispiel durch die Verwendung von Zeitreihen, räumliche Vielfalt in der Beobachtungsgeometrie (Interferometrie, Tomographie, Holographie und Multistatik), mehrkanalige Datenerfassung (Polarimetrie, Mehrfrequenz) und Signalbandbreite (geometrische Auflösung) sowie eine Kombination dieser Faktoren. Jede Anwendung stellt jedoch spezifische Anforderungen an die Sensoreigenschaften und das Beobachtungsszenario. Die Vorwärtsmodellierung, gefolgt von Inversion und Regularisierung, ist ein wichtiger Prozess, um die Sensoreigenschaften und das Beobachtungsszenario für jede Anwendung zu definieren und zu optimieren. Wir haben an mehreren innovativen Ansätzen wie polarimetrischer SAR-Interferometrie und Tomographie gearbeitet, die neue Informationsprodukte für Anwendungen in der Kryosphäre, Geosphäre, Hydrosphäre und Biosphäre ermöglichen. Tandem-L sieht die Generierung mehrerer hochwertiger Informationsprodukte als Teil der operationellen Datenverarbeitung vor. Nicht zuletzt kann die Datenfusion mit verschiedenen Sensortypen, oft basierend auf maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz, im Hinblick auf die Nutzung komplementärer Informationen im multidimensionalen Datenraum erforscht werden.

Multistatische SAR-Missionen

In gewisser Hinsicht ist die Vision eines SAR-Sensornetzwerks mit einer Konstellation von Satelliten nicht allzu weit entfernt. Die erfolgreiche
Sentinel-1-Satellitenserie ist ein wichtiger Meilenstein, und die Durchführung von Tandem-L- und multistatischen SAR-Missionen werden weitere wichtige Schritte in Richtung dieser Vision darstellen. Das Institut ist bestrebt, seine Rolle bei der Entwicklung zukünftiger Mikrowellensatelliten für die Erdbeobachtung weiter auszubauen und seine Expertise und Führungsrolle in strategisch wichtigen Projekten und Forschungsbereichen zu stärken. Gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern aus dem DLR, der Industrie und der Wissenschaft wird das Institut eine Schlüsselrolle bei der Realisierung dieser Vision spielen.