Rezensionen
Die NASA hat bisher auf die Vorwürfe der hartnäckigen
Zweifler nicht reagiert. Das reicht Thomas Eversberg nicht. „Es ist
möglich, sich gegen unwahre Behauptungen zu schützen. Dies ist
angesichts einer extremen Medienflut auch dringend nötig, selbst
wenn es Zeit kostet.“
Peinlich ist allerdings, dass die NASA die Originalaufnah­
men der ersten Mondlandung nicht mehr finden kann. Aber selbst
wenn man glaubt, dass die NASA eine der teuersten Filmproduk­
tionen mit so vielen Fehlern gleich neunmal auf die Beine stellt –
und dabei bis zum Schluss nicht klüger wird und immer noch un­
fähige Regisseure und Techniker in Brot und Lohn hält: Könnten
wirklich so viele Mitwisser über so lange Zeit hinweg bei einer der
größten Lügen der Welt dichthalten? Für Eversberg ein weiterer
Beleg dafür, dass bei der Mondlandung Hollywood nicht im Spiel
war.
Astronaut Buzz Aldrin hatte noch ein ganz anderes Argu­
ment. Ein schmerzhaft Deutliches. Als der hartnäckige Verschwö­
rungstheoretiker Bart Sibrel ihn im Jahr 2002 öffentlich drängt,
auf die Bibel zu schwören, und ihn als Lügner beschimpft, teilt
der Mann, der einst auf dem Mond stand, aus. Mit der Faust ins
Gesicht des Gegners. Nicht so fein wie Eversbergs Argumente.
Aber auch präzise.
Manuela Braun
Sehnsucht nach der unentdeckten Welt
Bartolomeo Columbus hat eine große Begabung: Er kann winzige und zugleich
akkurate Buchstaben schreiben. Eine Kunst, die ihn zu einem begehrten Mitar­
beiter der Kartografen in Portugal werden lässt. Und er hat einen berühmten Ver­
wandten: seinen Bruder Cristóbal Columbus. Der Erzähler verspricht viel: „Als
sein Bruder, der ihn als Einziger seit seiner frühesten Kindheit kannte, sah ich,
wie seine Idee geboren wurde und sein Fieber stieg.“ Doch Autor Erik Orsenna
nimmt seine Leser in
Cristobal oder die Reise nach Indien (C. H. Beck)
defini­
tiv nicht mit auf die Reise. Statt von knarrenden Schiffsplanken und aufregenden
Landgängen erzählt Bartolomeo von Kartografen, ankommenden Schiffen im
Hafen und der Wissenschaft im 15. Jahrhundert – verschnörkelt, philosophisch
und immer bereit, abzuschweifen.
Wie sammelten die Forscher das Wissen für ihre Landkarten? Wie sollte
man mit den unbekannten Tieren, Pflanzen und Menschen, die die Schiffe von
ihren Reisen mitbringen, umgehen? Was heute selbstverständlich erscheint, öff­
nete damals die Tür in eine ganz neue, unbekannte Welt. Anlass für Bartolomeos
Lebensbeichte ist die Predigt eines Kirchenmannes, der die grausame Behand­
lung der Indianer anprangert. Und so stellt sich auch für Bartolomeo die Frage:
„Warum entdecken, wenn man die tötet, die man entdeckt?“ Orsennas histori­
scher Roman ist keine Abenteuergeschichte, sondern eine philosophische, eher
etwas versponnene Erzählung aus einem sehr ungewöhnlichen Blickwinkel.
Manuela Braun
Ob man an die Mondlandung glaubt oder nicht, hängt von der
Antwort auf eine einzige Frage ab: Wie dumm ist die NASA eigent­
lich? So dumm, dass sie bei ihren aufwändigen Studioaufnahmen
die Scheinwerfer vergisst und das Universum seltsam sternlos er­
scheint? So dumm, dass es die Landefüße der Mondfähre aus
Plastik und Holz baut – und sie später mühsam mit Glitzerfolie ver­
hüllen muss? Und dann schafft es Alan Bean, der vierte Mann auf
dem Mond, auch noch, die einzige Farbkamera zu zerstören und
auch die Apollo-12-Mission zu Bildern in Schwarz-Weiß zu ver­
dammen. Ärgerlich. Oder auch vielleicht wieder ganz raffiniert von
der NASA. Vielleicht waren die einfach so klug, in ihre jahrelange
schauspielerische Mission auch Astronautenfehler einzubauen.
Das macht alles dann so authentisch. Fehlende Sterne, wehende
Flaggen, verwackelte Bilder, schräge Schatten werden von denen
bemüht, die von einem ganz fest überzeugt sind: Es hat niemals
ein Mensch auf dem Mond gestanden. Das Mondgestein kommt
nicht vom Mond. Die drei Apollo-Astronauten, die 1967 bei einer
Routineübung verbrannten, wurden so von der NASA zum Schwei­
gen gebracht. Die ganze Mondlandung – eine einzige Täuschung,
durchgeführt von einer großen Gruppe von Verschwörern.
Thomas Eversberg ist Teil dieser Verschwörung: Der Wissen­
schaftler arbeitet im Raumfahrtmanagement des Deutschen Zent­
rums für Luft- und Raumfahrt. Er glaubt nicht nur daran, dass die
Mondlandung stattgefunden hat, sondern steht auch noch wort­
reich dazu. Für die Mondlandungsleugner kein ernstzunehmender
Gegner: Schließlich ist der Mann vorbelastet, wenn er schon in der
Raumfahrtforschung mitmischt. Eversberg kann damit leben, aber
nachdem auch Freunde – „intelligente Menschen, die durchaus in
der Lage sind, seriöse Argumente von Phantastereien zu unter­
scheiden“ – ihn nach der Wahrheit über die Mondlandung frag­
ten, hat der Astrophysiker sich hingesetzt und ein Buch geschrie­
ben:
Hollywood im Weltall – Waren wir wirklich auf dem
Mond? (Springer Spektrum).
Waren wir? Und woher weiß er das? Eversberg hat sich die
Kritik der Mondlandungsgegner Stück für Stück vorgenommen.
Manchmal helfen Badezimmerkacheln, manchmal Stäbe, ab und
zu eine Kamera, um deren Argumente zu widerlegen. Immer aller­
dings logisches Denken. Dann dröselt der Autor sorgfältig die ver­
worrenen Fäden der Verschwörungstheoretiker auf. Hackt sie klein,
kaut sie genüsslich durch und kommt mit jedem der verständlich
geschriebenen Kapitel zu dem Schluss: Auch das ist kein Argu­
ment gegen die Realität der Mondlandung. Nächste Seite, nächs­
tes Kapitel, nächstes Gefecht mit Theorien, die keinen Bestand ha­
ben. Klugerweise hat er nicht nur historische Fotos als Belege her­
ausgesucht, sondern lässt auch Bewegtbild sprechen: Einmal kurz
mit dem QR-Code-Scanner des Smartphones auf die Buchseite ge­
zielt und Armstrong steigt aus der Mondlandefähre, John Young
springt salutierend neben der amerikanischen Fahne in die dünne
Luft des Mondes und die Funksignale zwischen Mond und Erde
rauschen aus dem Lautsprecher. Die Originalaufnahmen sind als
YouTube-Videos hinterlegt.
So dumm
oder so clever?
rezensionen
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DLR
ma
G
azın
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Präzise Argumente in Sachen Mondlandung
Sonnenflundern und Himmelskekse
„Bitte vorlesen!“ Das hat mein zehnjähriger Sohn schon lange nicht mehr eingefor­
dert. Aber als wir
Mit der Sonne fliegen
von Martina Ward
(Daedalus)
lasen,
stand das abendliche Vorlesen fest auf dem Programm. Inspiriert von einer ägypti­
schen Sonnenbarke träumt die zehnjährige Mila in dem Buch von einem Sonnenluft­
schiff. Von ihrer Mutter erhält sie den Auftrag, selbst über ein solches Gefährt zu re­
cherchieren und alles in einem Buch zusammenzutragen. Mila kommt erstaunlich
gut voran, ihr Onkel ist Physiker, ihre Mama Anthropologin, zudem hat sie zwei
schlaue große Brüder und eine weitgereiste Oma. So erfährt Mila sehr schnell alles
über die Energie der Sonne, über Sonnenstrahlen, Sonnenöfen und Solarzellen. Und
dank ihrer Mutter auch von Mythen und alten Kulturen, in denen die Sonne eine
wichtige Rolle spielt.
Martina Ward vermittelt in ihrem 190-Seiten-Buch (inklusive eines 20 Seiten
umfassenden Glossars) Wissen über die Energiespenderin Sonne, von der Astrono­
mie über die Geologie bis zur Sonnenuhr und der Himmelsscheibe von Nebra. Sie
scheut sich nicht, die Rayleigh-Streuung oder den Unterschied zwischen einem solar­
thermischen Kraftwerk und Fotovoltaikzellen zu erklären. Das alles tut sie immer in
engem Bezug zur Lebenswelt von Acht- bis Zehnjährigen. Das Buch bietet sich zum
Vorlesen geradezu an, man kommt mit seinem Kind ins Gespräch, buchstäblich über
Gott und die Welt: Wie haben sich die alten Ägypter das Jenseits vorgestellt? Welche
Energie können wir in Zukunft nutzen? Wie kann ökologisches Wohnen aussehen?
Interessanterweise haben meinen technisch interessierten Zehnjährigen dann doch
die Mythen und Märchen über die Sonne aus aller Welt, die am Ende eines jeden
Kapitels stehen, am meisten interessiert.
Dorothee Bürkle
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