Aufbruch ins unentdeckte Land - Start von Hayabusa2 und MASCOT
Es ist gerade einmal wenige Wochen her, dass die ESA-Mission Rosetta die Landeeinheit Philae in einer spektakulären Aktion auf dem Kometen 'Chury' abgesetzt hat. Und noch bevor dessen erste Daten genauer analysiert werden konnten, wurde mit der japanischen Mission Hayabusa2 und dem mitgeführten Lander MASCOT der nächste Hoffnungsträger zur Erforschung des Sonnensystems auf die Reise geschickt. Ein Augenzeugenbericht über den Raketenstart am Tanegashima Space Center in Japan.
Raketenstarts sind heutzutage keine Seltenheit mehr. Allein im Jahr 2014 wurden 81 Großraketen mit Satelliten in niedrige oder höhere Erdumlaufbahnen gestartet (Stand: 07.12.14). Jedoch werden nur sehr wenige auf eine interplanetare Bahn gebracht, die von der Erde wegführt, damit sie weiter entfernte Objekte in unserem Sonnensystem erreichen können. Im vergangenen Jahr war die japanische "H-IIA" Trägerrakete mit der Nummer 26 die einzige, die auf eine solche Bahn gebracht wurde. Sie startete vom japanischen Raumfahrtbahnhof des Tanegashima Space Centers. Die Nutzlast für diesen Start: die Explorationssonde Hayabusa2. Ähnlich wie der Philae-Lander der Rosetta-Mission "huckepack" mitgeführt wurde, wird bei Hayabusa2 der deutsch/französische Lander MASCOT als Passagier mitgenommen. Dieser wird dann ebenfalls nach einer mehrjährigen Reise durchs All auf einem fernen und sehr kleinen unbekannten Himmelskörper abgesetzt werden, um diesen im Detail zu untersuchen.
Doch bevor es auf diese Reise ging, musste die erste große Hürde genommen werden: Bei allen Raumfahrmissionen ist auch bei der besten Planung und Vorbereitung eine kalkulierte Unbekannte der Raketenstart. Dass solche Starts auch schon mal schiefgehen können, wurde einem erst vor kurzem wieder deutlich. Am 28. Oktober 2014 explodierte eine amerikanische Trägerrakete vom Typ "Antares" nur wenige Sekunden nach dem Start. In den letzten fünf Jahren gingen im Schnitt rund sechs Prozent aller Großraketen verloren oder erreichten mit ihrer Nutzlast nicht die geplante Umlaufbahn (Quelle: spacelaunchreport.com, Startberichte 2010-2014). Entsprechend waren die Aufregung und der Puls sehr hoch, wenn man selbst bei so einem Ereignis dabei ist. Und dies umso mehr, wenn bei jenem Start etwas mitfliegt, woran man selbst gearbeitet hat.
Ursprünglich war der Start schon für den 30. November 2014 vorgesehen. Doch wegen schlechter Wetterbedingungen wurde der Starttermin zweimal verschoben. Am 3. Dezember 2014 war es dann aber so weit. Das Wetter hatte sich so weit verbessert, dass aus meteorologischer Sicht dem Start nichts mehr im Wege stand. Die erste positive Go/No Go-Entscheidung wurde bereits am Abend zuvor getroffen. Kurz darauf wurde die "H-IIA F26" aus der Montagehalle herausgefahren und sehr langsam mit etwa einem Stundenkilometer zur 500 Meter entfernten Startplattform geführt.
Nach der zweiten positiven Go/No Go-Entscheidung zehn Stunden vor dem Start wurden die Erst- und Zweitstufe mit Treibstoff befüllt (beide jeweils mit Flüssigwasserstoff und Flüssigsauerstoff). Kurz darauf wurde auch der Sicherheitsbereich erweitert. Keine Person durfte nun mehr näher als 3000 Meter an den Startplatz heran. Mit dem finalen Countdown von 60 Minuten vor dem Start wurde dann das dritte und letzte Go für den Start gegeben. Jeder Abbruch nach dieser Zeitmarke würde einen tage- oder sogar wochenlangen Startverzug bedeuten. Dies hätte bei einem knappen Zeitfenster von gerade einmal zwei Wochen fatale Folgen. Bei vier Minuten und 40 Sekunden vor dem Start übernimmt der Computer alle weiteren Entscheidungen um sicherzustellen, dass alle kritischen Kommandos auf die Millisekunde genau ausgeführt werden.
Währenddessen steht man selbst in sicherer Entfernung auf einem guten Aussichtspunkt mit Fotoapparat, Fernglas und "grünem" Helm gerüstet und hält es vor Spannung kaum noch aus. Die letzten zehn Sekunden werden im Chor mit den anderen Zuschauern zusammen heruntergezählt. Rien ne va plus, nichts geht mehr, …3, 2, 1… Ein Lichtblitz, eine gewaltige Rauchwolke schießt zur Seite, und was wie eine kontrollierte Explosion aussieht, spielt sich wie in einem Stummfilm ab. Lediglich der Aufschrei der Personen um einen herum lässt darauf schließen, dass hier gerade etwas nicht Alltägliches passiert. Auch man selbst kann seine Euphorie kaum bremsen.
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Das schlanke Ungetüm steigt nur langsam in den Himmel. Die ersten Meter passieren nahezu in Zeitlupe und man hofft, dass der Schub ausreicht, um gegen die Gravitation anzukämpfen. Das gleißende Licht der Booster ist so grell, dass es in den Augen brennt. Die Rauchschwade der nach unten ausströmenden Abgase hüllt nun den gesamten Startturm ein. Erst zehn Sekunden später folgt das erste leise Rauschen, das dann auch sehr schnell lauter wird. Die Rakete legt sich leicht schräg, schwenkt in die geplante Flugbahn ein und beschleunigt mit enormer Kraft die 290 Tonnen Startmasse in den Himmel. Sie nimmt an Geschwindigkeit zu und schießt durch die erste Wolkendecke. Nach dem anfänglichen grollenden Rauschen hört man nun ein Knattern, das 25 Sekunden nach dem Start seinen Höhepunkt erreicht. Es ist zwar nicht so laut, dass man sich die Ohren zuhalten müsste, aber die gewaltige Druckwelle der Akustik spürt man merkbar auf der Brust.
Mit dem Fernglas hat man die Rakete im Ganzen vorm Auge und verfolgt den Flug wie einen weiten Torabschlag beim Fußball fokussiert mit. Man erkennt das Flackern der Vibrationen, die von den Triebwerken auf die Hülle übertragen werden, und es wird einem klar, welch enorme Energiemenge hier gerade freigesetzt wird. Nur ein Fehler im Kontrollsystem und es würde wie mit einem überdimensionierten Silvesterknaller das neue Jahr verfrüht eingeläutet werden.
Nach 40 Sekunden ebbt die Geräuschkulisse ab und hallt nur noch leicht nach. Weitere 30 Sekunden später ist es wieder so stumm wie am Anfang. Die Rakete stößt durch weitere Wolkenschichten und schrumpft zu einem kleinen leuchtenden Punkt zusammen, den man nur mit Hilfe des langen weißen Abgasschweifes verfolgen kann. Leider zieht sich die Wolkendecke nun zusammen. Das Abtrennen der Booster werden wir heute wohl nicht mehr verfolgen können. Aus Beobachtersicht ist nach rund zwei Minuten alles vorbei. Doch während man selbst den Blickkontakt verloren hat, verfolgen die Kollegen im Kontrollzentrum akribisch jeden Telemetriewert. Noch haben es Hayabusa2 und MASCOT nicht geschafft. Es wird weitere 100 Minuten dauern inklusive einer vollen Umrundung unseres Planeten, bevor die Oberstufe nach ihrer zweiten Zündung ihre wertvolle Fracht direkt in einen sonnensynchronen Orbit einschießt und letztendlich abstößt. Uns Zuschauern am Boden bleibt in diesem Moment also nichts weiter übrig, als weiterhin die Daumen zu drücken. Dieses aber nun, um ehrlich zu sein, mit einem gewissen Grinsen im Gesicht.
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